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Bei den Wiener Festwochen zeigt Luc Perceval seine Version von Shakespeares "Troilus und Cressida": Bildgewaltig und banal zusammengekürzt.

Trostlos ist der Krieg. Und er ist eine Hure, wie Paris/Menelaos raunt. Paradigmatisch für alle Kriege erzählt der Dramatiker/Regisseur/Bühnenbildner Luk Perceval seine Fassung von Shakespeares "Troilus und Cressida". Und damit man am Ende weiß, wovon eigentlich die Rede war, wird eine Reclam-Ausgabe von Shakespeares Drama verteilt. Denn bei Perceval ist alles reduziert und neu erzählt, historisiert und aktualisiert.

So startet etwa Ulysses (Wolfgang Pregler) mit dem Versuch einer literaturgeschichtlichen Abhandlung des Epos, in Anlehnung an Shakespeares Prolog, stets unterbrochen von Agamemnon/Hektor (Hans Kremer) und akustisch illustriert vom unentwegten Geräusch fallender Wassertropfen. Percevals Bühne ist beinahe leer, nur zahlreiche Lavoirs stehen auf der schwarzen Bühne des Theaters an der Wien.

Sie sind Zeichen des Krieges, der bereits seit zehn Jahren andauert; alte Schüsseln mit Rissen, die zugleich Nachttopf, Helm und Waschgelegenheit bedeuten. Sie sind nützlich, solange es nur an einer Stelle tropft, doch im Laufe der Inszenierung soll die Bühne zu einem Bad aus Wasser und Blut werden.

"Automatik" des Krieges

Perceval interessiert das sinnlose Abschlachten nach langjährigen Kriegen, der demoralisierte Zustand der Krieger, das inhaltsleere Kämpfen, das schon längst jeder Grundlage entbehrt, soweit es je eine gab. Der Raub Helenas durch Paris ist nach all den Jahren nur mehr Vorwand, seine Liebe zu ihr längst vergangen und in der Darstellung des gitarrespielenden und improvisierenden Bernd Grawert als Paris/Menelaos wird die Fortführung des Krieges als beinahe Alltagstätigkeit betrachtet. Er ist Hobby-Philosoph, der geläufige Trivialmuster der Vorstellung von Liebe strapaziert und diese als Paradoxon entlarvt.

In Percevals Interpretation werden die wesentlichen Parts der kriegerischen Seiten von denselben Schauspielern dargestellt. So ist Paris zugleich Menelaos, Hektor zugleich Agamemnon, Priamus zugleich Nestor (von Barbara Nüsse als scheinbar geschlechtsloser alter Kämpfer gespielt). Die beiden Seiten unterscheiden sich demnach nicht, sie schicken ihre Helden ins Feld und kämpfen um ein Pfand, das längst keine Rolle mehr spielt. "Haltlos wie das Wasser" nimmt der Krieg seinen Verlauf und fordert nichts als sinnlose Opfer.

Vor der Folie der Liebesgeschichte zwischen dem Trojaner Troilus (Oliver Mallison) und Cressida (Julia Jentsch), Tochter des Sehers Calchas (Annette Paulmann, auch als Andromache und Cassandra zu sehen) wird der entscheidende Kampf heraufbeschworen. Der verratene Troilus - denn er verliert Cressida an den Griechen Diomedes (Stefan Merki) - peitscht das blutige Ende voran. Hass und Liebe, so improvisiert Paris/Menelaos, sind die Triebfedern des Kampfes. Oder wie es Shakespeares Thersites sagt: "Unzucht, Unzucht; lauter Krieg und Liederlichkeit; die bleiben immer in der Mode."

Gewalt archaischer Bilder

Neben den Lavoirs bilden auch tief hängende Mikrofone Bestandteile der Bühne. Sie sind die technische Voraussetzung, um den anschwellenden Kampf akustisch zu verstärken. Licht und Ton, entschleunigte Bewegungsabläufe etablieren archaische Bilder, die das Blutbad sichtbar machen. Achill erschlägt Hektor, und dessen Bruder Troilus erscheint mit Blut beschmiert im ungesund gelben Licht. Troja ist erobert.

Und Percevals Inszenierung hat nach einem starken Start ein bildgewaltiges Ende. Doch ist es eben nur die Bildgewalt, die diese Inszenierung prägt. Platte Dialoge, deklamiertes Sprechen und beziehungsloses Spiel machen den größten Teil der Strecke zu einem langatmigen Abend rund um ein auf Banalitäten heruntergekürztes Stück.

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