Alles gratis - zulasten der Kreativen?

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Internet und Gratis-Download haben das Urheberrecht unterminiert. Auf der Strecke bleiben Urheber, die um Entgelte geprellt werden. Die Politik will Regeln setzen, wirkt aber ahnungslos.

Vor 126 Jahren wurde mit der Berner Konvention das Urheberrecht international zugrunde gelegt, das geistiges Eigentum schützt und Urhebern sowie Urheberinnen eines Werkes entsprechendes Entgelt sichert. Aber 1886 waren, urheberrechtlich betrachtet, selige Zeiten: Es gab weder Kopiergeräte noch Tonträger, vom Internet ganz zu schweigen. Hatten bei Ersterem die Urheber über Kopier- und Leerkasettenabgabe noch eine Abgeltung ihrer Rechte (und ihrer Arbeit) erhalten, so gehen sie im Internetzeitalter durch Gratis-Downloads für MP3-Player, Handys etc. leer aus. Wohl scheffeln die Betreiber diverser Plattformen, von denen man downloaden kann, genug Geld durch Werbung, aber an die Urheber kommt davon nichts.

Um dem einen Riegel vorzuschieben und dem Urheberrecht wieder zu seiner Geltung zu verhelfen, wurde das Antipiraterieabkommen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) geboren. Dieses sieht bei digitalen Übergriffen auf geistiges Eigentum Eingriffs- und Überwachungsrechte vor, und zudem strenge Strafen, die bis Sperre des Netzzugangs reichen sollen. Betroffen davon wäre sprachlich Unabhängiges wie Musik, Fotos, Videos, Design und Generika, Texte hingegen kaum.

Die Mehrheit liegt bei den Usern

Im Jänner wurde ACTA von 22 der 27 EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnet, darunter auch Österreich. Die erforderliche Zustimmung des Europäischen Parlaments steht aber noch aus - mehrere EU-Abgeordnete haben bereits Widerstand angekündigt, darunter auch Österreicher. Logisch: Bei Internet-Usern sind ja auch viel mehr Wählerstimmen zu gewinnen als bei Urhebern.

Zwar hat auch die österreichische Bundesregierung ACTA bereits beschlossen, das dürfte sich aber noch nicht bis zu allen Abgeordneten der Regierungsparteien durchgesprochen haben. ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf und ÖVP-Kultursprecherin Silvia Fuhrmann argumentieren sachlich: "Kreative aus den Bereichen Film, Musik, Literatur und der bildenden Kunst sind im gleichen Maße davon bedroht, dass das Resultat ihrer Leistung der heutigen ‚Gratiskultur‘ zum Opfer fällt, und sehen ihre geistigen Werke durch aktuelle Technologien bedroht.“ Demgegenüber versucht SPÖ-Kultursprecherin Sonja Ablinger die Quadratur des Kreises: "Im Zuge eines Interessensausgleiches gilt es, die Verhandlungsposition der Kreativen zum einen und die Stellung der Nutzerinnen und Nutzer sowie der Konsumentinnen und Konsumenten zum anderen zu verbessern.“ Das klingt danach, dass eine Ampel rot und grün zugleich zeigen könne. Die SPÖ-EU-Abgeordneten Leichtfried und Weidenholzer bezeichneten ACTA als "massiven Eingriff in die digitalen Grundrechte“, Martin Ehrenhauser (ehemals Liste Martin) spricht gar von "drastischen Auswirkungen auf die Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet“.

Logisch, dass angesichts solcher Äußerungen der Politiker die betroffenen Urheber auf die Barrikaden steigen: Die heimischen Künstler meldeten sich jüngst mit der Initiative "Kunst hat Recht“ lautstark zu Wort (siehe unten). Aber nicht nur in Österreich steht die Minderheit an Kreativen gegen die Mehrheit an Usern auf: Seit Monaten tobt um das weltweit angelegte ACTA ein ebenfalls weltweiter Kampf zwischen Urhebern und Nutzern schöpferischer Werke. Es hat bereits die Dimension eines Kulturkampfes: Die Kreativen, die um ihr Einkommen fürchten, gegen die Vertreter der Gratiskultur, die um die kostenlose Nutzung des Internet bangen.

"Auch die kleine Gruppe der Künstler hat Recht auf Entlohnung“, betont Peter Paul Skrepek, Vorsitzender der Musikergilde und der Musikergewerkschaft (GdG-KMSfB). Er hat einen ebenso konkreten wie realistischen Vorschlag parat, wie man die derzeitige Situation lösen könnte: "Mit einer kleinen Pauschal-Abgabe auf alle Speichermedien wären die downloads abgegolten.“ Die vergleichbare Leerkassettenvergütung - de facto eine Abgabe auf Speichermedien - komme Urhebern und Inhabern von Leistungsschutzrechten zugute. "Einerseits ist sie ein Honorar für die Nutzung geistigen Eigentums, andererseits sichert sie das Recht der Konsumenten auf private Kopien. Und dass vor allem Musik kopiert wird, ist offensichtlich“, sagt Skrepek. Allerdings ist er "strikt dagegen, dass im Internet überwacht wird, wer was wo kopiert“.

Netz-News kommen von Redaktionen

Aus der Sicht der Journalisten sei "die derzeitige Situation völlig unbefriedigend“, sagt Franz C. Bauer, Präsident der Journalistengewerkschaft (GPA-djp). "Überall im Internet sind News - die kommen ja alle aus dem Printbereich!“ Dass diese Internet-News gratis sind, sei "auf Dauer unerträglich“. Bauer fordert daher eine "vernünftige Lösung für Journalisten“, was auch eine Zusatzabgeltung für die im Anstellungsverhältnis geschriebenen Texte beinhalte. Das Optimum wäre ein eigenes Journalisten-Urhebergesetz, meint Bauer, ist aber realistisch: "Das ist derzeit Illusion.“

In Summe geht es wohl um die richtige Balance von ACTA. Da kommt auf die Politiker noch eine gehörige Portion Arbeit zu: Gefragt ist Kreativität, die in diesem Falle aber ohnedies gut entlohnt wird. Nicht unwichtig ist dabei, dass sich das Urheberrecht in Europa von jenem in den USA und Großbritannien unterscheidet: Europa setzt stärker auf den Urheber und dessen Recht als Person, USA und England hingegen mehr auf Unternehmen und deren Markenrechte.

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