Werbung
Werbung
Werbung

Gegen Magengrippe lasse ich mir von meinem Hausarzt gerne einen Fernsehtag verschreiben. Nichts lenkt mich von Übelkeit und ziehendem Schmerz nämlich besser ab, als von früh bis spät durch die Kochsendungen zu zappen. Wer sich noch nie auf diese Weise kuriert hat, wird es nicht glauben, aber man findet von sechs Uhr früh bis lange nach Mitternacht immer einen Sender, in dem gerade Gemüse geschnitten, Fleisch gebraten und als Beilage eine Portion gut durchgekochter Lebenszuversicht serviert wird. Geht es in der einen Sendung fast schon volksbildnerisch zu, als müssten Langzeitarbeitslose, Pensionisten und Magenkranke aus zivilisatorischen Gründen endlich in die Geheimnisse des Hobelns von Trüffeln eingeführt werden, springt in der anderen ein Magier der Kochkunst eher artistisch durch seine Zirkusküche. Der Fernsehkoch von heute ist weder der dicke Genießer von einst noch der smarte Schwiegersohn von gestern, sondern sieht aus, wie sich die Leute einen Künstler oder Abenteurer vorzustellen pflegen: sein irrer Blick in Töpfe und Kameras zeugt von Genialität, den Bart hat er kühn gezwirbelt, der Haarschopf ist statt unter der Kochmütze von einem verwegenen Piratentuch verborgen.

Die größte Heilwirkung entfalten bei mir jene Sendungen, in denen die Fernsehzuseher einer ganzen Kochmannschaft, bestehend aus Starköchen und so genannten Prominenten, dabei zusehen dürfen, wie diese vor einem dankbar applaudierenden Studiopublikum Fisch filetieren, Geflügel ausnehmen, Kartoffel passieren. Die Starköche sind immer dieselben, die so genannten Prominenten auch: Kaum dass die Kochsendung aus ist, begegnen wir ihnen allen in einem anderen Sender wieder, wo sie in Talkshows über die Reform des Sozialstaates zu debattieren pflegen. Denn nach dem Fressen kommt die Moral. Aber vorher wird so viel gekocht, wie man auch mit einer Mageninfektion unmöglich kotzen kann.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung