Alles nur eine Frage des Gegenangebotes

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Wer bleibt beim Kind zu Hause, und wer oder was kompensiert dann den "Karriereknick"?

Pension? Nein, da bist du bei mir falsch... Über die Pension habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht." Melanie ist 28. Von der Überlegung, das Pensionsalter für Frauen heraufzusetzen, hat sie nur am Rande etwas mitbekommen. Sie hat ein Kind und arbeitet. Da kommen Nachrichten manchmal zu kurz. "Warte einmal", sagt sie. "John hat etwas gesagt." John ist ihr Mann. "John hat gemeint, dass das ja wieder typisch sei für unsere Gesellschaft. Da werden die Frauen sowieso um Jahre älter als die Männer - und als ob das noch nicht genügt, dürfen sie auch noch fünf Jahre früher in Pension." Melanie lacht: "Der Macho".

Melanie ist eine emanzipierte Frau. Und John mag zwar ein Macho sein, wenn es um Heckspoiler geht. Aber er ist keiner von jenen, die es unter ihrer Würde finden, einen Teller in die Geschirrspülmaschine zu stecken. Im Gegenteil. Er kann kochen, bringt seine Tochter in den Kindergarten, hat den Geburtsvorbereitungskurs besucht und sich zeigen lassen, wie man Windeln wechselt! Er hatte nie ein Problem damit, dass seine Frau mehr verdiente als er. Trotzdem: Raten Sie, wer nach der Geburt zu Hause blieb?

Ich versuche es bei Barbara. Barbara ist Krankenschwester. Halbtags. Natürlich! Der Grund: ein Kind. Zum Thema Karriere meint sie: "Halbtags schaut es mit der Weiterbildung wirklich mies aus. Da gibt es so gut wie gar keine Angebote." Zum Thema Pension: "Die Firma meines Mannes läuft ganz gut."

Melanie und Barbara haben noch Glück. Sie haben eine Halbtagsstelle: Der Traum (fast) jeder Mutter eines Kleinkinds. Angelika muss weiterträumen. Sie ist Hausfrau. Angelika hat zwei Magistertitel und zwei Kinder. "Es heißt doch, es würden einem pro Kind vier Jahre Erziehungszeiten an die Pension angerechnet. Hast du gewusst, dass ich für die beiden nur fünf Jahre kriege?" Der Grund: Isabella war ein Jahr alt, als Leo geboren wurde. Macht 1 plus 4. "Hausfrau gilt eben nicht als Beruf. Aber wenn das kein Beruf ist: Was tu' ich hier eigentlich?" Nun gut. Angelika wird nicht ewig Hausfrau bleiben. Spätestens, wenn der Kleine in die Schule geht, wird sie sich einen Job suchen. Und brav arbeiten - bis 60. Oder sogar länger. Jedenfalls länger als der Durchschnittsmann! Sie ist nicht die einzige: Statistisch gesehen gehen Frauen nicht fünf, sondern nur 1,7 Jahre früher in Pension. Stichwort: Beitragszeiten.

Soweit zu meinen Freundinnen. Was mich betrifft: Auch ich habe studiert - und als Kulturredakteurin ganz gut verdient. Besser als mancher Mann. Aufstiegschancen? Gar nicht übel. Mein Mann hat mich immer unterstützt. Also alles paletti und Gleichberechtigung? Klar! Bis unsere Tochter Hannah zur Welt kam. Raten Sie, wer zu Hause blieb? Und: Glauben Sie wirklich, dass das überhaupt eine Frage war? Um es kurz zu machen: Heute arbeite ich wieder. Als freie Journalis-tin. Halbtags, wenn das Kind im Kindergarten ist. Danke, ich kann nicht klagen. Danke, es läuft ganz gut. Aber in 30 Jahren: Wessen Pension wird höher sein. Meine oder die des gleich alten Kollegen, der keinen "Karriereknick" zu verzeichnen hat?

Das erzähle ich Melanie. Die meint: "Ja, das ist alles sehr ungerecht. Man müsste das ganz grundlegend ändern. Gerade für Frauen mit Kindern. Aber man kann ja nicht immer nur fordern. Und das mit dem Antrittsalter ist wirklich nicht ganz okay. Warum sollen nicht wir Frauen den ersten Schritt tun?"

Ich seufze. Melanie! Sie ist wirklich sehr freundlich. Sie kann auch privat niemandem eine Bitte abschlagen. Ich dagegen bin Realist. Ich glaube, es ist immer gut, ein Ass in petto zu haben. Und darum sage ich, schlicht und einfach: Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen? Kommt nicht in Frage! Nie! Außer natürlich: Es gibt endlich ein interessantes Angebot. Also, bevor wir weiterreden: Was bekommen wir dafür?

Die Autorin ist freie Journalistin. Jeden Dienstag erscheint in der "Presse" ihre Kolumne "Weiberrede - Widerrede".

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