Als Wladimir zur Hochzeit kam

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Nehmen wir einmal an, es war so: Wladimir Putin kam im Frühsommer für neun Stunden nach Wien, um dem künftigen EU-Vorsitzland die Ehre zu erweisen. Wir Österreicher mögen es ja, wenn man unserer Bedeutung ein wenig schmeichelt.

Mit den Sachthemen war man an diesem 5. Juni bald fertig. Und weil die EU-Sanktionen gegen Russland (wegen des Ukraine-Konflikts) wenig Anlass zu herzlicher Vertrautheit boten, hatten die Organisatoren -Österreicher und Russen -noch einen kulturellen Höhepunkt eingebaut: die Eröffnung der Ausstellung "Die Eremitage zu Gast" im Kunsthistorischen Museum. Angeblich war das der Moment, als unsere Außenministerin den anwesenden Regierungsmitgliedern die frisch gedruckte Einladung zu ihrer Hochzeit zusteckte -und auch den anwesenden Kreml-Chef in ihr kommendes Eheglück einweihte.

Prompt fragte der Gast nach dem Wann und Wo -und aus anfangs purer Unverbindlichkeit wuchs irgendwann eine vage Zusage zu kommen. Karin Kneissl war Diplomatin genug, um ihre Erwartungen zunächst einzugrenzen. War aber dann nicht phantasievoll genug, um Putins wichtigstes Handwerkszeug mit zu kalkulieren: den Überraschungscoup.

So wird es jetzt kolportiert. Was dann, in der Vorwoche, im Außenamt über den Charakter der Putin-Visite bedacht werden musste, war gewaltig. Zur Entscheidung stand: Kommt er ganz privat? Oder doch auch auf Arbeitsbesuch? Oder gar auf "privaten Arbeitsbesuch" (was immer das ist)? Lästernd erfand die Opposition gleich einen "Arbeitshochzeitsbesuch" dazu.

Putins Lust und List

So viel Ratlosigkeit hatte ihre Gründe. Denn: Wo zumindest ein Hauch von "Arbeit" draufstand, da musste der Steuerzahler Putins riesigen Personenschutz zahlen. Also war wichtig, unseren jungen Kanzler beim "Arbeitsgespräch" in Putins gepanzertem Auto zu sehen.

Umgekehrt aber: Ein Zuviel an Nähe würde uns vielerorts in Erklärungsnot bringen -nicht nur in Brüssel.

So ist es auch gekommen. Was also bleibt jetzt, Tage danach, von all den Kritiken? Ist Österreich tatsächlich, wie behauptet, zum "trojanischen Pferd Russlands in der EU" geworden? Ist der Europäischen Union "nachhaltiger Schaden" zugefügt worden? Und: Sollte Karin Kneissl nun besser abtreten, wie ein Teil unserer Opposition fordert?

Ich meine, sie muss es nicht, solange wir hinter dem Vorfall die Lust und List Putins erkennen, unter unseren EU-Partnern ein wenig Misstrauen zu säen. Und eingestehen müssen wir auch unser Ungeschick, ohne Not unser altes Image "gepflegter Charakterlosigkeit" aufzuwärmen -die Kehrseite unseres Talents zum Vermitteln und Brückenbauen.

Es kann jetzt auch nicht schaden, sich - trotz aller Veränderungen - an Bruno Kreiskys außenpolitische Maxime zu erinnern: "So viel Vertrauen wie möglich mit Amerika -und so wenig Misstrauen wie möglich mit Russland". Immerhin war und ist er Karin Kneissls großes Vorbild.

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