Alte Medien im Jagdfieber

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In seinem neuen Buch* unterscheidet der Mainzer Publizistikwissenschaftler Hans Mathias Kepplinger Skandale und publizistische Konflikte (Die Mechanismen der Skandalisierung. Olzog Verlag 2012). Bei Skandalen bestehe nach kurzer Zeit ein "breiter Konsens in der Einschätzung der Ursachen von Missständen sowie der Verantwortung ihrer Urheber“. Bei publizistischen Konflikten komme es dagegen zu einer öffentlichen Auseinandersetzung darüber, wie die "Ursachen der Missstände und die Verantwortung ihrer Urheber“ einzuschätzen seien.

Demzufolge haben wir es beim Versuch, Niko Pelinka in eine wichtige Position beim ORF zu hieven, mit einem Skandal zu tun. Ebenso beim deutschen Bundespräsidenten Wulff, der wegen Vorteilsnahme bei einem privaten Kreditgeschäft, seinen anschließenden Drohgebärden gegenüber dem Bild-Chefredakteur und weiteren Ungereimtheiten seiner Amtsführung von den Medien attackiert wird. Der Rücktritt des Schweizer Nationalbankpräsidenten Hildebrand wäre dagegen eher als publizistischer Konflikt zu werten. Denn Hildebrand nahm seinen Hut, bevor zweifelsfrei geklärt werden konnte, ob die Devisengeschäfte seiner Frau wirklich ein Fall von Insider-Handel waren. Der publizistische Konflikt wurde zwischen der Weltwoche, die Hildebrand skandalisiert hatte, und dem Rest der Schweizer Journaille ausgetragen, die gegenüber Hildebrand Beißhemmung hatte, weil sie hinter der Attacke den Rechtspopulisten Blocher ausmachte.

Es bleibt eine Gemeinsamkeit der "alten“ Medien im Umgang mit Skandalen. Sie reflektieren das eigene Verhalten viel zu wenig. Dem etablierten Journalismus mangelt es bei der "Skandalisierung“ seiner selbst weiterhin an Professionalität. Print und TV büßen so die Oberhoheit über den Diskurs zum Journalismus ein, denn im Internet gibt es lebhafte Diskussionen um diesen blinden Fleck.

Der Autor ist Medienwissenschafter an der Uni Lugano/CH

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