Alter Traum sucht neue Technologie

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Mit dem Flugverkehr wachsen auch die Umweltprobleme, denn die Verbrennungsmotoren der Flugzeuge sind laut und klimaschädlich. Auf der Suche nach Alternativen haben US-Forscher nun einen Ionenantrieb getestet -mit Erfolg.

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Mit dem Flugverkehr wachsen auch die Umweltprobleme, denn die Verbrennungsmotoren der Flugzeuge sind laut und klimaschädlich. Auf der Suche nach Alternativen haben US-Forscher nun einen Ionenantrieb getestet -mit Erfolg.

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Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein -was der alte Schlagertext jedoch verschweigt, ist, dass auch diese Freiheit hoch im Himmel nicht ohne Folgekosten zu haben ist. Noch vor den digitalen Datenströmen hat der grenzenlose Flugverkehr die Welt zum "globalen Dorf" gemacht. Doch er trägt seitdem auch zur globalen Erderwärmung bei, denn Flugzeuge sind die klimaschädlichsten Verkehrsmittel überhaupt.

Verantwortlich dafür sind nicht nur die CO2-Emissionen aus den Verbrennungsmotoren, sondern auch Stickoxide oder Rußpartikel, die während des Fliegens in die Atmosphäre gelangen. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Emissionen in großer Höhe ausgestoßen werden: Jede Tonne CO2 ist dort viel klimaschädlicher, als wenn sie am Boden entstehen würde. Die Internationale Luftfahrorganisation (ICAO) erwartet, dass der Flugverkehr künftig stark wachsen wird; dadurch könnte sich der CO2-Ausstoß in den nächsten Jahrzehnten sogar verdreifachen.

Stolzer Jungfernflug

Wissenschaftler suchen daher dringend nach neuen Ansätzen, die das Fliegen umweltfreundlicher machen sollen. Dafür gibt es mehrere Ansatzpunkte: Man kann das Gewicht der Flugzeuge reduzieren, man kann die Aerodynamik verbessern, man kann den Antrieb effizienter gestalten oder überhaupt Alternativen zum Verbrennungsmotor entwickeln. So wie im Straßenverkehr die Hybrid-Autos könnten auch in der Luft hybride Flugzeuge mit teils elektrischem Antrieb Aufwind bekommen. Laut Experten ist es durchaus realistisch, dass Kurzstreckenflüge bis zu 750 Kilometer langfristig sogar gänzlich aus der Batterie betrieben werden.

Dass man auch mit der Kraft der Sonne fliegen kann, haben die Schweizer Piloten Bertrand Piccard und André Boschberg 2016 gezeigt: Mit einer einsitzigen, ultraleichten Karbonfasermaschine, die nur mit Solarenergie betrieben wurde, haben sie abwechselnd die ganze Welt umrundet -und mit dieser mutigen Aktion das Potenzial sauberer Technologien eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Auch Steven Barrett vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA beschäftigt sich mit alternativen Antriebsarten, die ganz ohne fossile Treibstoffe auskommen. Kürzlich hat er einen unbemannten kleinen Flieger mit Ionenantrieb getestet. Dieser hat zwar nicht 35.000 Kilometer rund um die Welt zurückgelegt, sondern vorerst nur 60 Meter in einer geschützten Halle des Uni-Campus - aber der Jungfernflug ist erfolgreich verlaufen, wie Barrett und sein Team nun in der Fachzeitschrift Nature berichten.

"Es war ein langer Weg, um von den physikalischen Grundlagen zu einem funktionsfähigen Flieger zu kommen. Aber jetzt sind die Möglichkeiten des neuen Antriebssystems eröffnet worden", sagt Barrett. Der Nachweis der Machbarkeit ist gelungen; "Proof of Concept" heißt das in der Sprache der Wissenschaftler. Die Autoren hoffen, dass dies der Schlüssel zu einem neuen Zeitalter der Elektro-Aerodynamik in der Luftfahrt sein könnte. Wie aber funktioniert dieser Antrieb mittels "Ionenwind"?

Raumschiffe als Vorbild

Seine Inspiration hat Steven Barrett von der legendären TV-Serie "Star Trek" erhalten, deren futuristische Szenarien ihn bereits als Kind faszinierten. Besonders die Raumschiffe haben es ihm angetan, die ohne sichtbaren Antrieb und nahezu lautlos durch das Weltall schwebten. "Das brachte mich dazu, mir Flugzeuge ohne Propeller und Turbinen vorzustellen", so der MIT-Forscher. "Sie sollten so sein wie die Space-Shuttles von 'Star Trek', die mit blauem Schimmer leise dahingleiten." Vor rund neun Jahren wurde diese Idee konkret: Barrett begann, an einem Antrieb ohne mechanisch bewegte Teile zu tüfteln, und landete schließlich bei der Elektro-Aerodynamik -ein physikalisches Prinzip, das in den 1920er-Jahren identifiziert worden ist. Es beschreibt einen Wind oder Schub, der entsteht, wenn Strom zwischen einer dicken und dünnen Elektrode fließt. Wenn ausreichend Spannung vorhanden ist, gerät die Luft zwischen den Elektroden so stark in Bewegung, dass ein kleines Vehikel angetrieben werden kann. Was lange bloß ein Projekt von Hobby-Bastlern war, die sich darüber freuten, wenn ein Modellflugzeug für ein paar Sekunden in der Luft bleiben konnte, ist nun mit großen Hoffnungen verbunden: Künftige Anwendungen sehen die Forscher zunächst bei Drohnen, längerfristig aber auch bei Passagierflugzeugen, wo der Ionen-Antrieb kombiniert mit Verbrennungsmotoren zum Einsatz kommen könnte.

Mit einer Flügelspanne von fünf Metern und einem Gewicht von 2,4 Kilogramm wirkt der MIT-Flieger recht fragil. An seiner Vorderseite ranken sich dünne Drähte, die als positiv geladene Elektroden fungieren; hinten finden sich dickere Drähte als negative Elektroden. Batterien an Bord sorgen für eine Spannung von 40.000 Volt. Sobald die Drähte unter Spannung stehen, werden aus den umgebenden Luftmolekülen die negativ geladenen Elektronen herausgerissen, da sie von den positiven Elektroden angezogen werden wie das Eisen vom Magnet. Die Luftmoleküle wiederum werden dadurch positiv aufgeladen und geraten in den Sog der negativen Elektroden hinten am Flieger.

Millionenfache Molekül-Kollision

Wenn sich diese Wolke an geladenen Teilchen in Bewegung setzt, kollidieren sie Millionen Male mit anderen Luftmolekülen: Daraus entsteht der Schub, der das Flugzeug vorwärts treibt. Zehnmal haben die MIT-Forscher ihren Flieger steigen lassen; der Antrieb war stets ausreichend, um die Strecke zu bewältigen. "Das war die denkbar einfachste Variante eines Fliegers, um das Konzept des Ionenantriebs zu bestätigen", sagt Barrett. "Es ist noch ein weiter Weg zu einem nützlichen Flugobjekt." Künftig will er seinen Prototyp durch Effizienzsteigerung weiterentwickeln, also mehr Ionenwind mit weniger Spannung erzeugen und die Schubkraft pro Flächeneinheit erhöhen. Das Interesse des Marktes und der Öffentlichkeit ist ihm wohl sicher: Flugzeuge, die weniger Treibhausgase ausstoßen und noch dazu weniger Lärm verursachen, wären stark gefragt.

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