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Am 5. September wird die Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums wiedereröffnet.

Im Herbst 2002 wurde die Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums geschlossen, und bei ihrer Wiedereröffnung am 5. September wird sie nicht wieder zu erkennen sein. Die Redewendung, sie erstrahle in neuem Licht, gilt wörtlich, denn das Kunsthistorische Museum wurde 1891 als Tageslichtmuseum gegründet und hatte in manchen Bereichen bis heute keine elektrische Beleuchtung. Dass die Besucher im Winter die Objekte nur wenige Stunden sehen konnten, war ein Problem; schwerer wog, dass Tageslicht manchen Objekten schadet.

Generaldirektor Wilfried Seipel kann sich freuen, "dass es jetzt nach 114 Jahren das erste Mal möglich ist, die Sammlung der griechischen und römischen Antiken in neuem Lichte zu zeigen - mit einer modernen Ausstellungstechnik und gleichzeitig unter Berücksichtigung des historischen Ambientes". Einerseits fördert der Blick auf die Saaldecken ein faszinierendes Bildprogramm zutage, das mit den gezeigten Objekten korrespondiert. Das Haus selbst, oft als "Gesamtkunstwerk des Historismus" bezeichnet, ist ein wichtiges Exponat, und durch die im Gesimse versteckte Deckenbeleuchtung kommt es voll zur Geltung. Zum anderen ermöglicht die Vitrinenbeleuchtung, bestimmte Objekte hervorzuheben, damit der Blick auch des eiligen Besuchers nicht in der schieren Fülle ertrinkt. Es wurden nämlich nicht nur die alten Vitrinen mit großem Aufwand sicherheits- und beleuchtungstechnisch nachgerüstet, sondern neue - wesentlich kleinere und sehr karge - Vitrinen hinzugefügt, um etwa den Blick auf eine einzelne besonders kostbare Vase zu lenken. Die Fenster sind mit Leinwänden verdeckt, und statt des oft störenden Blicks auf die Straße sieht man nun kleinste Details in Vergrößerung - sie kommen von einem Video-Beamer.

Dialog mit antikem Original

Was Seipel im Furche-Gespräch besonders hervorhebt: Das Museum hat die Kosten der Neuaufstellung selbst erwirtschaftet."Man darf nicht vergessen, dass die Einrichtung der Antikensammlung ohne Sondermittel durchgeführt wurde, dass wir das ausschließlich aus dem Gesamtbudget des Museums finanziert haben. Das ist eine Leistung der Vollrechtsfähigkeit der Museen."

Architekt Hans Hoffer, der die Neuaufstellung konzipiert hat, kommt von der Bühnenarchitektur her und hat es wahrlich verstanden, Achsen und Blickpunkte zu schaffen. Eine dieser Achsen läuft auf den berühmten "Jüngling vom Magdalensberg" zu, der lange als bedeutendster römerzeitlicher Fund in den Ostalpen galt, sich 1986 jedoch als ein aus dem 16. Jahrhundert stammender Abguss eines verschollenen Originals herausstellte. Die Statue führt zum Kabinett, das das römische Österreich vorstellt; andere sind Funden aus Zypern, Unteritalien oder der etruskischen Kunst gewidmet. Vitrinen, die die Schatzfunde präsentieren, sind in einem begehbaren Gehäuse aus gerostetem Stahl - ein Element des Dialoges zwischen den antiken Originalen und der heutigen Wahrnehmung der Besucher. Immer wieder wird auch der Fundkontext gezeigt. An anderer Stelle ist es gelungen, einen Einzelfund in seiner Gesamtheit zu präsentieren.

Auf ihren nunmehr 1.500 Quadratmetern zeigt die Neuaufstellung der Antikensammlung rund 2.300 Objekte. Nahezu alle wurden in der hauseigenen Restaurierungswerkstätte gereinigt, darunter Stücke von Weltgeltung wie der berühmte Amazonensarkophag. Die römische Kopie eines griechischen Aristoteles-Porträts gilt als bedeutendste Büste des Philosophen. Besonders stolz ist das KHM auf seine Sammlung von etwa 6.000 geschnittenen Steinen - Gemmen und Kameen: Miniaturreliefs von höchster künstlerischer Qualität und gleichzeitig politische, kulturgeschichtliche und religiöse Zeugnisse ihrer Zeit. Das bedeutendste Stück ist die Gemma Augustea, das zweitgrößte und künstlerisch bedeutendste erhaltene Kunstwerk dieser Art, in dessen Mitte Kaiser Augustus in Tracht und Pose des Gottes Jupiter thront. Beim Ptolemäer-Kameo wurde aus elf abwechselnd dunkelbraunen und bläulich-weißen Schichten des Steines das Porträt eines ägyptischen Königspaares geschnitten.

Antike - wichtiges Fundament Europas

Auch eine Reihe von Mumienporträts sind in der Antikensammlung des KHM zu sehen: Bilder von Verstorbenen, die direkt über dem Gesicht der einbalsamierten Mumie angebracht wurden, um - einer altägyptischen Vorstellung folgend - die Gesichtszüge für das Jenseits aufzubewahren. Meisterwerke enthält auch die über 900 Objekte umfassende Vasensammlung.

Der Grundstock der Antikensammlung ist durch die Sammlerleidenschaft der Habsburger entstanden. Karl VI. etwa führte sein "Spanisches Cabinett" - ein Kasten mit ausgewählten Münzen und Kameen - sogar auf Reisen mit sich. Abgeschlossen ist die Sammlung auch heute noch nicht. Wilfried Seipel: "Eine Sammlung ist nie abgeschlossen. Ein Museum, das nicht sammelt, ist ein totes Museum."

Das soll die Antikensammlung für Seipel in keiner Hinsicht sein, denn der Blick in die Antike ist für ihn kein Selbstzweck: "Gerade in einer Zeit, in der Europa daran scheitert, eine gemeinsame Verfassung zustande zu bringen, ist es vielleicht notwendig, noch einmal auf die gemeinsamen Wurzeln zurück zu verweisen - und neben Judentum und Christentum ist nun einmal die Antike die entscheidende Grundlage dieses europäischen Geworden-Seins. Da glaube ich, dass diesem Museum und dieser Sammlung auch unter diesem Gesichtspunkt eine besondere Aufgabe zukommt."

Die Antike ist heute immer weniger selbstverständliches Bildungsgut, sonder muss zugänglich gemacht und erschlossen werden. Aufstellung, Technik und ein mehrstufiges Informationssystem tragen dem Rechnung. Und wenn bei der Eröffnung am 5. September das neue Licht angeht, denkt Wilfried Seipel vor allem an kommende Generationen: "Es gibt in den Lehrplänen kaum noch die alte Geschichte, die Hochkulturen werden fast gänzlich ausgeklammert. Aber dass wenigstens Griechenland und Rom noch ins Bewusstsein gerufen wird, das hoffen wir durch eine enge Kooperation mit den Schulen realisieren zu können."

Öffnungszeiten ab 6. September: Di-So 10-18, So 10-21 Uhr

Sonderführungen und Führungen für Schulklassen:

Tel. 01/52524/416 oder 550

Vortragsreihe zur Wiedereröffnung an den Donnerstagen

8., 15., 22. und 29. 9. um 19 Uhr. Davor finden jeweils um 18 Uhr Kuratorenführungen statt. Anmeldungen: 01/52524/403

Zur Eröffnung erscheint die Publikation

"Meisterwerke der Antikensammlung" (e 24,-)

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