Altes Priesterbild sitzt in den Köpfen fest

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Helmut Schüller und die Pfarrer-Initiative dringen weiter auf Reformen. Ihr Aufruf zum Ungehorsam stößt aber nicht nur auf Zustimmung.

Es ist eigentlich ein unscheinbares Dokument - nicht einmal 2500 Zeichen lang und veröffentlicht auf einer Internetseite, die kaum öffentliches Interesse generiert. Trotzdem zieht der "Aufruf zum Ungehorsam“, den die Pfarrer-Initiative am 19. Juni auf ihrer Homepage veröffentlicht hat, weite Kreise in der katholischen Kirche Österreichs. "Eigentlich wollten wir den ‚Aufruf‘ vornehmlich unseren Mitgliedern kommunizieren“, sagt Obmann Helmut Schüller, die große mediale Aufmerksamkeit sei nicht geplant gewesen. Neu sind die Forderungen der Pfarrer-Initiative jedenfalls nicht, neu ist die Ausdrucksweise. "Wir wollen künftig Zeichen setzen“, heißt es zu Beginn des Texts, es folgen sieben konkrete Punkte, in denen sich die Initiative den geltenden Regeln der Kirche widersetzen will - von der Kommunion für Wiederverheiratete-Geschiedene über die Freistellung des Zölibats bis hin zur "priesterlosen Eucharistiefeier“.

Priesteramt soll geöffnet werden

Letztere ist für Schüller der wichtigste Punkt, ihm geht es vor allem darum, dass die einzelnen Pfarrgemeinden aufrecht erhalten werden können. "Das Priesteramt soll geöffnet werden, weil wir einfach mehr Leute in dieser Funktion brauchen“, sagt Schüller. Gerade angesichts der vielen Kirchenaustritte und schrumpfenden Pfarren sei es umso wichtiger, ebendiese gut zu betreuen - auch um jene ansprechen zu können, die sich von der Kirche entfernt hätten. "Wir müssen sicherstellen, dass jede Gemeinde einen Vorsteher oder eine Vorsteherin hat, der oder die alle Funktionen erfüllt, die heute nur ein geweihter Priester erfüllen darf.“ Ob dieser "Vorsteher“ dazu unbedingt auch zum Priester geweiht werden muss, lässt Schüller offen. "Das Amt des Vorstehers kann durchaus eine neue Gestalt bekommen, die sich nicht mehr am derzeitigen Weihepriestertum orientiert.“

Genau den will aber offensichtlich das Kirchenvolk - zumindest wenn man den Zahlen glaubt. Laut einer Studie des emeritierten Universitätsprofessors und Religionssoziologen Paul Zulehner suchen 46 Prozent der österreichischen Katholiken Rat bei einem Priester, wenn sie sich "in persönlicher Verzweiflung“ wiederfinden, 36 Prozent bei "Gewissensnot“. Selbst bei Ausgetretenen und Konfessionslosen liegen diese Werte zwischen 13 und 20 Prozent. "Die Katholiken in den gläubigen (Pfarr-)Gemeinden brauchen einen ‚Priester in Ruf- und Reichweite‘“, betont Zulehner. Dass sie sich dabei auch mit dem von der Pfarrer-Initiative angedachten laikalen "Vorsteher“ abfinden könnten, bezweifelt der Religionsforscher. "Das klassische, freilich oft archaische Priesterbild ist in den Köpfen der Menschen noch viel mehr verhaftet als in theologisch gut informierten innerkirchlichen Kreisen“, so Zulehner. Wenn Laien priesterliche Aufgaben übernehmen, soll man sie auch weihen.

Schüller kann das zwar nachvollziehen, glaubt aber nicht, dass dieser Zustand unumstößlich ist. "Niemand hat für möglich gehalten, dass ein Nicht-Priester einmal ein Begräbnis leitet, oder dass eine Frau einmal eine Lesung liest“, so Schüller. "Natürlich bedarf es der Vorbereitung, aber dazu muss man es erst einmal positiv angehen. Es kann kein Argument sein, zu sagen: ‚Wir machen nur das, was die Menschen gewöhnt sind‘.“

Einig sind sich Schüller und Zulehner jedenfalls darin, dass jede katholische Pfarrgemeinde für ihre gläubigen Gemeinschaften eine Eucharistiefeier braucht, weil diese ihre Gemeinschaft mit konstituiert.

Stilles Tolerieren als Strategie

Unterschiedliche Meinungen vertreten die beiden darin, wie das zu erreichen ist. Die Ankündigung der Pfarrer-Initiative, Wortgottesdienste mit Kommunionspendung künftig als "priesterlose Eucharistiefeier“ bezeichnen zu wollen, hält Zulehner für eine "semantische Provokation“. Ähnlich empfindet er die Vorgehensweise bezüglich der wiederverheirateten Geschiedenen. "Hier hat sich seit Jahren eine Praxis in der Kirche eingebürgert“, sagt Zulehner. "Wenn man sie auf diese Weise zum Thema macht, riskiert man, dass das im Stillen Gewachsene gefährdet wird. Oft schon hat sich im Lauf der Kirchengeschichte etwas verändert, ohne dass viel darüber geredet worden ist. Das ist jetzt nicht theologisch gemeint, sondern schlicht strategisch.“

Für die Pfarrer-Initiative ist stilles Tolerieren nicht genug. "Es tut der Kirche nicht gut, wenn sie offiziell diese Dinge nicht kennen will, während sie an der Basis längst praktiziert werden“, sagt Helmut Schüller. "Wenn man etwas toleriert, kann es ja nicht in sich schlecht sein und dann kann man es ja auch gleich anerkennen. Das verstehe ich nicht, philosophisch nicht und theologisch schon gar nicht.“

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