Althaussanierung statt Abriss

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Gesellschaftliche Veränderung ist nötig, und sie muss von unten kommen. Dabei nütze jedoch Logik und Intellekt nichts, ist der geschäftsführende Gesellschafter der Minas-Gruppe, klaus Woltron, überzeugt. Dafür sei die Seele zuständig.

Das Problem, das wir heute haben, ist nicht das Geld an sich. Es ist die Umwandlung des Geldes in anonymes Kapital, dessen Verselbstständigung und eben die Anonymität. Ich bin ein hundertprozentiger Anhänger der Marktwirtschaft, ich bin aber ein Gegner des Kapitalismus. Dieses System beginnt sich selbst zu pervertieren ab einem gewissen Entwicklungsgrad - bis dahin ist es sehr hilfreich ... Aus der Anonymisierung und der damit verbundenen Verantwortungslosigkeit ergibt sich aber am Schluss, dass das System von innen besiegt oder gebändigt werden muss. Es muss wieder auf seinen ursprünglichen Zweck, den Menschen, zurückgeführt werden, damit wir nicht umgekehrt die Sklaven unserer selbst konstruierten Maschine werden.

Kräfte umlenken

Jetzt ist die Frage, wie man die Kräfte umlenken kann, ohne sie zu paralysieren. Es ist sicher gut, die Kräfte der Menschen zu aktivieren, aber man muss sie dann auch dorthin lenken, wo sie für uns gut sind. Sie dürfen nicht eigendynamisch werden. Darum sage ich als Gewerbetreibender, Reichtum ist gewiss nicht oberstes Gebot, er ist Nutzwert, Mittel zum Zweck. Es gibt internationale Untersuchungen, die zeigen, dass ab einer gewissen Höhe des Individualeinkommens und des Bruttosozialprodukts die individuelle Zufriedenheit nicht mehr zunimmt. Da stellt sich dann aber schon die Frage, wozu wir dann noch weiter buckeln.

Verändern, nicht zerstören

Auf der anderen Seite erhebt sich die Frage, wie können wir das System, in dem wir drin sind, modifizieren, ohne es ganz zusammenbrechen zu lassen. Da müssen wir furchtbar aufpassen. Gut gemeinte, große Systemeingriffe haben schon zu katastrophalen Entwicklungen geführt. Daher meine ich, es müssen neue Regulative entwickelt werden, die bei Nutzung der vorhandenen positiven Ambitionen der Menschen in eine andere Richtung gelenkt werden. Und da bin ich Pragmatiker und versuche, konkrete Vorschläge zu machen. Zum Beispiel glaube ich, dass das ganze Problem von unten her gelöst werden muss. Es gibt zwar Wege von oben, von den internationalen Organisationen, aber wir müssen wieder Berufsethos ins Leben bringen, das ist ja schon fast in Vergessenheit geraten. Und wir dürfen die Corporate Governance nicht freiwillig als Lippenbekenntnis verkünden, sondern müssen sie in die Firmenstatuten, in die Gesetze hineinbringen. Wir müssen sie verbindlich machen. Dann sieht die Welt schnell völlig anders aus. Wir müssen über die Haftungsbeschränkung reden. Ich sehe nicht ein, warum Kenneth Lay (ehemaliger Chef des Energiekonzerns Enron, Anm.) 350 Millionen US-Dollar kassiert, drei Monate, bevor seine Firma in Konkurs geht. Dafür gibt es auch in Österreich Beispiele. Und wir müssen schauen, wie wir die externen Kosten, die verursacht werden, einigermaßen gerecht internalisieren können.

Kritische Masse

Das geht alles nur, wenn eine kritische Zahl von Menschen so viel Druck und Überzeugungskraft ausübt, dass die Entscheidungsträger sich diesem Druck nolens volens beugen. Das heißt also, es ist notwendig, auf die Seele der Menschen, auf ihre Befindlichkeiten einzuwirken. Nicht mit Logik, sondern mit Gefühl, denn die Logik ist im Dienste des Egoismus. Der Intellekt arbeitet für einen selbst, die Seele tendenziell für den anderen. Man muss also die Seele hervorbringen. Daher muss man Interessenvertretungen, Kirchen, Parteien, NGOs mit guten, ganz konkreten Argumenten, mit der Sprache der Macher versorgen, damit wir wissen, was wir morgen tun sollen. Und ich glaube, der gefährlichste Beelzebub, der von den Kirchen zu bekämpfen ist, ist die Verzinsung des Kapitals, abgekoppelt von moralischen Kriterien. Was des einen Recht ist, ist des anderen Pflicht. Wenn da ein Ungleichgewicht entsteht, zahlen am Schluss alle drauf.

Zusammenfassend kann man also sagen:

* Der totale Markt ohne fixe moralische Regulative wird etwas ganz Amoralisches und ist schon im Begriff, es zu werden.

* Ich bin überzeugt, dass die Demokratie allein mit ihren jetzigen Mechanismen nicht stark genug ist, um diese Regulative wirklich so zu gestalten, dass der Zins nicht mehr an der Spitze der Wertepyramide steht. Dort oben gehört der Mensch hin und sein Wohlbefinden und das seines Nächsten. Daher meine ich, dass die Änderung nur von unten kommen kann, aus dem Volk - und man darf nicht vergessen, ein großer Teil der bösen Manager gehört auch dazu.

Aber wie gesagt: Vorsicht ist geboten. Wir dürfen nicht das Haus einreißen, bevor wir nicht ein neues gebaut haben. Am besten ist eine Althaussanierung.

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