"Am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen!"

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Irgendwo in dem öligen und verseuchten Wasser, das die Jazz-Metropole New Orleans nach Hurrikan "Katrina" überflutet hat, schwimmt Louis Armstrongs erstes Kornett. Genau wie Dizzy Gillespies Trompete und Larry Shields Klarinette war es im Staatlichen Museum von Louisiana mitten im French Quarter ausgestellt. Zusammen mit Zehntausenden unersetzlichen Fotografien aus der Frühzeit des Jazz, Platten, Noten und Konzertaufnahmen legendärer Jazzgrößen ist auch "Satchmos" Musik-Instrument von den dreckigen Fluten verschluckt worden.

Beschädigt wurden der Washington Post zufolge auch das Jazz-Museum, das Louis-Armstrong-Haus, die Archive des Jean Lafitte-Museums und der National-Friedhof, auf dem Soldaten aus dem Bürgerkrieg beerdigt sind. Das 1781 gegründete New Orleans gilt als eine der ältesten Städte der usa und hat eine wechselvolle Geschichte mit französischen, spanischen und kreolischen Einwanderern und Besetzern hinter sich. Jahrhundertealte unersetzliche Erinnerungsstücke könnten nun für immer verloren gehen. Unter Wasser stehen auch die vielen Clubs und Kneipen, in denen - nicht nur bei dem legendären Mardi Gras - der unverwechselbare New-Orleans-Jazz von lokalen Musikern gespielt wird. Für lange Zeit wird aus "The Big Easy" kein Ton mehr erklingen.

Mittlerweile ist in den usa die Diskussion über den Wiederaufbau von New Orleans eröffnet: Dennis Hastert war sich der Sprengkraft seiner Sätze nicht bewusst. Als der Republikaner in einem Interview den Wiederaufbau der Stadt in Frage stellte, rief er damit einen Sturm der Entrüstung hervor. Doch Präsident George W. Bush ließ bei seinem Besuch im Katastrophengebiet keine Zweifel an seiner Haltung aufkommen: Die "große Leichtlebige" solle in altem Glanz erstrahlen.

Viele teilen aber Hasterts Einwände gegen einen Wiederaufbau. Ihr Argument: Die Stadt nahe dem Golf von Mexiko liegt in einer Senke unterhalb des Meeresspiegels, eingegrenzt von Mississippi und Pontchartrain-See. Die Umsiedlung der 1,4 Millionen Einwohner New Orleans wäre allerdings schwierig und teuer. Außerdem würde so ein Kulturjuwel aufgegeben, das im Jahr zehn Millionen Touristen anzieht. Gleichzeitig zählt die Hafenstadt zu den wirtschaftlich bedeutendsten Städten im Süden der usa.

Der Wiederaufbau ist aber nicht nur aus kulturellen Gründen eine große Chance für New Orleans. Die Metropole besteht nicht nur aus der pittoresken Altstadt, sondern birgt auch viel Elend: Knapp jeder dritte Mensch lebt hier unter der Armutsgrenze. "Wir müssen die Menschen an den Planungen beteiligen", fordern jetzt Städteplaner. "In gewisser Weise ist das eine tolle Möglichkeit für diese arme und elendige Stadt, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen." WM/APA

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