Am Ende mit meinem Latein

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Meistens glaubt man seine Nachbarn einigermaßen zu verstehen, zumal man schon eine Weile neben, oder in meinem Falle, mit ihnen lebt, und selbst wenn man nicht alle Einzelheiten ihres Selbstverständnisses begreift und die Details ihres Lebensplanes nicht kennt, so kann man sie doch im Grunde ihrer Seele verstehen. So glaubt man.

Aber dann tritt etwas ganz und gar Unvorhergesehenes ein. Da ist zum Beispiel das geheimnisvolle Rätsel um den Fernsehmoderator Günther Jauch, der ab Sommer 2007 anstelle von Sabine Christiansen deren sonntagabendliche Diskussionsrunde zur Lage der Nation moderieren sollte. Als Herr Jauch eines Tages sagte, nee, ich will diesen Job doch nicht annehmen, stürzte, als gäbe es keine anderen Moderatoren im Land, nicht nur die ARD, sondern gewissermaßen das ganze Deutschland in eine tiefe Krise. Das unfassbare Unglück war den Zeitungen tagelang riesige Analysen und Berichte wert, CSU-Chef Stoiber wäre um solche Aufmerksamkeit froh gewesen.

Aber da ich es eben aufschreibe fällt mir ein, es gibt in Deutschland öfters Vorgänge, wo ich mit meinem Latein am Ende bin. Ich rätsle über die Motive jener Deutschen, die das Manifest zur Wiederzulassung der klassischen lateinischen Liturgie veröffentlicht haben. Wie kommt es, so frage ich mich, dass streitbare Christen, nicht im urkatholischen Österreich, sondern im protestantischen, volkszugewandten Bibelland Deutschland für die vorkonziliare Messordnung gewissermaßen auf die Barrikade der Kommunionbank steigen. Finden sie den hin-und herwackelnden Rücken des Priesters und das lateinische Gemurmel am Hochaltar so attraktiv? "Ad deum qui laetificat, juventutem meam." Andererseits, als Ministrant käme ich dann wieder in Frage.

Der Autor arbeitet am Kulturforum der Österreichischen Botschaft in Berlin.

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