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Der Protest vieler Amerikaner gegen den Bau einer Moschee bei Ground Zero hat nichts mit Islamophobie zu tun, so US-Korrespondent Matthias Rüb.

Sind die Amerikaner einer Handvoll islamophober Hetzer auf den Leim gegangen? Wird das Mutterland der Freiheit zu einem unwirtlichen Platz für seine muslimischen Bürger, weil die ihre Religion nicht mehr frei ausüben dürfen – jedenfalls nicht so frei wie die Mehrheit der Christen oder auch die Minderheiten der Juden, Buddhisten oder Hindus? Neben der Wirtschaftskrise hat sich der Streit über den geplanten Bau eines islamischen Gemeindezentrums in New York, unweit des Orts der Terroranschläge vom 11. September 2001, zum wichtigsten innenpolitischen Thema vor den Kongresswahlen vom 2. November entwickelt. Gut zwei Drittel der Amerikaner bestreiten den Muslimen zwar nicht das Recht, ihre Moschee nahe Ground Zero zu bauen, ebenso viele meinen aber, dass sie es aus Gründen der Pietät dennoch nicht tun sollten.

Rücksicht auf Gefühle Betroffener

Wenn knapp vierhundert Meter nicht genug sind – so weit ist das Grundstück der geplanten Moschee von jenem Ort des nationalen Gedenkens entfernt, an dem fast dreitausend Menschen von islamistischen Terroristen ermordet wurden –, wie weit muss es dann sein? Mindestens einen Kilometer oder besser mehrere? Gegner des Bauvorhabens sagen, auch wenn es keine Maßeinheit für den angemessenen Abstand zu einer Gedenkstätte gebe, sei die Forderung nach Rücksicht auf die Gefühle der Hinterbliebenen nicht von der Hand zu weisen. Sie erinnern daran, dass Papst Johannes Paul II. 1987 das Karmeliterkloster an der Gedenkstätte Auschwitz habe schließen lassen – aus Rücksicht auf die jüdischen Opfer. […]

Dass in den vergangenen Monaten die Angst vieler Amerikaner vor islamistischem Terrorismus gewachsen ist, hat nichts mit irrationaler Islamophobie zu tun, sondern mit realer Bedrohung. Im November erschoss ein muslimischer Heeres-Major in Fort Hood in Texas dreizehn unbewaffnete Kameraden und Zivilisten; es war der blutigste Terrorangriff auf amerikanischem Boden seit den Anschlägen von New York und Washington vor fast neun Jahren.

Auch bei den gescheiterten Anschlägen auf ein Passagierflugzeug über Detroit an Weihnachten und auf den Times Square in Manhattan vom Mai hatten die in Amerika aufgewachsenen und ausgebildeten muslimischen Attentäter eine islamistische Terroragenda und standen mit dem Terrornetz Al Qaida in Verbindung. Dass es dabei nicht zu Blutbädern wie in London oder Madrid kam, war reines Glück. Im Jahresbericht des amerikanischen Außenministeriums über die weltweite terroristische Bedrohung wird ausdrücklich die wachsende Gefährdung der Vereinigten Staaten durch den heimischen Terrorismus radikalisierter Muslime hervorgehoben.

Land der Freiheit und Toleranz

Präsident George W. Bush besuchte sechs Tage nach den Anschlägen vom 11. September die größte Moschee in der amerikanischen Hauptstadt und bekräftigte, was auch sein Nachfolger Barack Obama in seiner Kairoer Rede an die muslimische Welt vom Juni herausstrich: Der Islam ist eine Religion des Friedens, Amerika führt keinen Krieg gegen den Islam, sondern verfolgt Terroristen, die einen verfälschten Islam als Begründung für Massenmord und Menschenverachtung missbrauchen. Viele Amerikaner würden sich wünschen, dass die maßgeblichen Führer der amerikanischen Muslime öfter und lauter die fortgesetzten Massaker islamistischer Terroristen an Muslimen in Afghanistan, im Irak und anderswo verurteilten, statt lautstark Klage über die amerikanische Außenpolitik im Nahen Osten zu führen. Das ändert aber nichts daran, dass Amerika auch für Muslime ein Land der Freiheit und der Toleranz bleibt.

* Frankfurter Allgemeine, 20. August 2010

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