Anstoß für Europas Muslime

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In der Kulturhauptstadt Graz kam der "Mainstream"-Islam Europas erstmals zusammen: Klartext zu Menschenrechten und Demokratie - wesentliche Fragen blieben dennoch offen.

O du glückliches Österreich! Nicht wörtlich, aber sinngemäß so priesen die bei ihrer ersten Europa-Konferenz versammelten Imame die Lage der Muslime hierzulande: In Österreich ist der Islam seit 1912 staatlich anerkannt und genießt eine in der EU ungekannte Rechtsstellung. Kein Wunder, dass die Kulturhauptstadt Graz als Ort der ersten Versammlung des - lt. Eigendefinition - Mainstream-Islam in Europa gewählt wurde.

Beide Initiatoren der Konferenz - Mustafa Ceri´c, Oberhaupt der bosnischen Muslime, und Anas Schakfeh, Präsident von Österreichs Islamischer Glaubensgemeinschaft - wurden nicht müde zu betonen, man wolle den Islam mit Europa versöhnen (und umgekehrt) und den vom Islam prinzipiell postulierten "mittleren Weg" einer gemäßigten Religiosität propagieren. Immer wieder unterstrichen die Initiatoren und viele Teilnehmer ihre Absage an Extremismus, Fanatismus und Gewalt. Menschenrechte seien "zentraler Bestandteil des Islam", der "Gedanke der Demokratie" sei im Koran verankert, Pluralismus gehöre zu den zutiefst islamischen Grundsätzen: So steht es in der abschließenden "Grazer Erklärung" der Konferenz (Volltext: www. islamische-glaubensgemeinschaft.at). Ebenso findet sich dort das klare Bekenntnis zum säkularen Staat. Solche Bekräftigungen zeigten: Die Versammelten waren sich bewusst, dass auf Seiten der Muslime gegenüber Europa nach wie vor Bekenntnisbedarf herrscht. Und wiederholte Wortmeldungen, die Muslime Europas bräuchten eigene finanzielle und organisatorische Beine, damit sie nicht mehr von außereuropäischer Unterstützung abhängig seien, machten weiters klar: Die Muslime müssen einiges selbst dazu tun, um Ängste des "christlichen", heute oft "agnostischen" Europas zu zerstreuen.

Ferrero-Waldners Ansinnen

Die nach Graz gekommenen Politiker streuten den versammelten Muslimen weitgehend Rosen: Europarats-Generalsekretär Walter Schwimmer wies darauf hin, dass in den Ländern des Europarates 100 Millionen Muslime leben: jeder achte Europäer ist ein Muslim! Auch von daher hätten die Muslime wesentlichen Anteil am Aufbau eines friedlichen Europas, in dem die Menschenwürde geachtet wird. Ähnlich äußerte sich Außenministerin Benita Ferrero-Waldner; sie äußerte als Sponsorin der Konferenz aber auch "Wünsche", die auf Kopfschütteln mancher stießen. So bat die Ministerin, einen Passus in die Schlusserklärung aufzunehmen, der um Gnade für jene Nigerianerin bittet, die in ihrer Heimat gesteinigt werden soll. Mustafa Ceri´c entgegnete solchem Ansinnen, die europäischen Muslime könnten nicht für alle Taten von Muslimen verantwortlich gemacht werden. Gleichwohl empfiehlt das Schlussdokument die Einsetzung einer Fact-Finding-Mission muslimischer Rechtsgelehrter, um sich an Ort und Stelle ein Bild zu machen.

Die Imame wollten mit der Versammlung auch das Lobbying ihrer Anliegen gegenüber Europa verbessern: zweifellos gibt es zahlreiche berechtigte Wünsche der Muslime an europäische Gesellschaften (Seite 6 dieser Furche).

Dennoch bleiben auch nach Graz wesentliche Fragen offen: So war die Repräsentativität der Versammlung nicht wirklich klar. Der Anspruch, den Mainstream des Islam in Europa abzubilden, in allen Ehren: dass aber "liberale" Muslime überhaupt nicht mit von der Partie waren und Islamisten zumindest verbal ausgegrenzt blieben, dürfte dem Bild des Islam in Europa doch nicht entsprechen.

In der Schlusserklärung selbst finden sich Spuren ungeklärter Fragen: So wird dort - vielen Gesprächen am Rande der Konferenz zum Trotz - dem Terminus eines "europäischen Islam" eine klare Absage erteilt. Und auch die Frauenfrage schwelt weiter: Die Grazer Erklärung bekennt sich einerseits zu den Menschenrechten uneingeschränkt; der Passus danach spricht zwar von Mann und Frau als "gleichwertigen Partnern", drückt sich aber um eine Positionierung zur gesellschaftlichen Gleichstellung der Frau.

Islamismus bleibt präsent

Und gravierender: Entgegen den Beteuerungen, Extremisten seien nur eine Randerscheinung, zeigte sich gerade in den letzten Tagen, dass der Islam in Europa mit dem Islamismus sehr wohl ein Problem hat: In Rom musste der Imam der Großen Moschee abgesetzt werden, weil er in einer Freitagspredigt zur Gewalt aufgerufen hatte. Und nach den jüngsten Wahlen zu regionalen Instanzen des französischen Muslim-Rates übernahm in 12 von 25 Regionalräten eine islamistische Gruppierung den Vorsitz.

Sosehr man die Beratungen von Graz mit Sympathie verfolgen mag, und sosehr man auf deren Weitergehen hofft: Zuletzt geschilderte Ereignisse gehören leider auch zum "Mainstream" des Islam in Europa.

otto.friedrich@furche.at

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