Anti-Antisemitismus etc.

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Furche Nr. 30/24. Juli 1987

Das erste "Waldheim"-Jahr war vorüber, das Gedenkjahr 1988 am Horizont: Der Psychologe Wilfried Daim forderte ein kirchliches Schuldbekenntnis:

Die Auseinandersetzungen um Kurt Waldheim haben die Vergangenheit in einer Weise aufgewühlt, die vor zehn Jahren unvorstellbar war. Es wurden ... "alte Wunden aufgerissen", die allerdings nie geheilt, sondern nur verborgen gewesen waren. Darüber hinaus kommt auf uns 1988 zu, in dem sich die Ereignisse von 1938 zum fünfzigsten Male jähren. 1984, 50 Jahre nach 1934, erfuhren die Ereignisse dieses Jahres keineswegs eine halbwegs befriedigende Würdigung. Dabei stehen sie in einem sicherlich bedeutsamen Zusammenhang mit 1938, und in beiden Fällen war der Katholizismus im ganzen, und der österreichische im besonderen zutiefst involviert.

Die Problematik läßt sich nun keineswegs, wie viele ... meinen, durch die Opferung eines oder eventuell auch mehrerer Sündenböcke lösen. Ganz im Gegenteil würde dadurch die Chance verloren, die Probleme an den Wurzeln zu lösen, denn der Sündenbock schafft die Möglichkeit zu neuen Verdrängungen.

Nicht die Fehlhaltung einzelner steht hier zur Debatte, sondern grundlegende Fehlentwicklungen müssen in einer fundamentalen Gewissenserforschung geklärt, bewußt gemacht, bekannt und auch bereut werden. [...] Die Kirche, die sich auch als moralische Instanz sieht, muß dabei zu demonstrieren verstehen, wie man mit Schuld auch kollektiv fertig werden kann.

Nun sind wir "Laien" ja durchaus bereit, unseren Teil zu übernehmen, doch können wir das einfach nicht alleine tun. Hier wären wir nur wieder für ein späteres Alibi gut. Nunmehr wird vor allem die österreichische Hierarchie zu reden haben, und zwar möglichst umfassend und zur Gänze - also etwa in einem gemeinsamen Hirtenbrief. Aber besser, es wird klar gesprochen und der eine oder andere. Bischof unterschreibt nicht, als wenn dann ein Sowohl-als-auch, ein Weder-noch herauskommt. [...]

Hier ist als wichtigster Punkt - weil er das Selbstverständnis des Christentums ... substantiell betrifft ... - eine umfassende Revision unserer Haltung zum Judentum zu nennen. Dabei gehe man endlich ab von dem Anti-Antisemitismus, der einem schon beim Hals heraushängt und bei dem letztlich immer nur vergleichsweise Oberflächliches herauskommt. Essentiell sind dabei die positiven Bezüge des Christentums zum Judentum herauszustellen ..., eine Wahrheit, die bislang keineswegs in tiefere Bewußtseinsschichten der Christen einsickerte [...]

Damit in gewissem Zusammenhang steht ... die Einstellung zur Sozialdemokratie (und auch zum Kommunismus). Diese wurden von Anfang an falsch eingeschätzt, und ihre Ausschaltung 1934 war nicht nur das Unrecht christlicher Politiker, sondern auch das der Kirche. [...]

Weiters ... das fundamentale Versagen der Kirche in der Frage von Hitlers Kriegen ...

Nächste Woche: B. Coudenhove-Kalergi zum Papstbesuch 1988

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