Anti-Brunetti

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Magdalen Nabb - eine handfeste Alternative zu Donna Leon.

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Magdalen Nabb - eine handfeste Alternative zu Donna Leon.

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Morde passieren nicht nur in Donna Leons Venedig, sondern auch in Florenz, daher hat auch diese Stadt einen Kommissar so nötig wie Parmesan zu Spaghetti. Diesen Kommissar, Verzeihung, Wachtmeister, gibt es dank der englischen Schriftstellerin Magdalen Nabb schon bedeutend länger als den bereits sagenumwobenen Commissario Brunetti von Donna Leon. Wer von Nudeln sowenig genug bekommen kann wie von Krimis, die in Italien spielen, der findet beim florentinischen Wachtmeister Guarnaccia eine bekömmliche, anregende Bereicherung der literarischen Zwischendurchlektüre, die Lust auf mehr macht.

Brunetti in Venedig ist der Kommissar für den gehobenen Mittelstand, ein guter Mensch, verständig, belesen, gebildet, einfühlsam, künstlerisch interessiert, noch dazu mit einer interessanten und reichen Frau gesegnet... Wem dieses Füllhorn des Glücks und der Begabungen gar zu üppig erscheint, auf den wartet Guarnaccia: träge, dicklich wie ein gestrandeter Wal, schaufelt er das Essen eher denn es zu genießen, und dies ist auch der Grund, warum er meist den Eindruck erweckt, im Stehen zu schlafen. Das Gespräch mit seiner Frau läuft nur träge zwischen Fernsehen und Bett, vor Intellektuellen im allgemeinen hat er Unbehagen, wenn er mit Staatsanwälten spricht, dann treibt es ihm den Schweiß ins Gesicht. Trotzdem entgeht ihm anscheinend nichts, er löst jeden Fall, und was Zufall scheint, hat Methode.

Italienisierende Schriftsteller bedienen die Sehnsüchte der Zeit. Heute sind es jene, die gerade aus der Toskana kommen und jene, die bereits wieder auf den nächsten Urlaub zwischen Olivenbäumen und Weinbergen warten. Kultur begleitete den Geheimrat Goethe vor 200 Jahren in den Süden. Wir geben uns bescheidener und müssen die Erkenntnis schlucken, daß man zwar in Florenz leben kann, aber dabei niemals die Kunstschätze der Stadt gesehen haben muß. Wie eben der gute Wachtmeister, dessen Kommissariat im Palazzo Pitti liegt.

Diese kleinen Ernüchterungen sind es, die diese Serie von Krimis so liebenswert machen. In Venedig gibt es den romantischen Nebel, aber Florenz hat im späten Winter einen fürchterlichen Smog, als der Wachtmeister den Unfall einer berühmten englischen Schriftstellerin aufklären muß, die tot in der Badewanne gefunden wird, während ihr Mann stockbetrunken auf dem Bett liegt. Der Mord ist eigentlich Nebensache, eine Störung des Alltags, und die Nebenfiguren, in diesem Fall zwei alte Damen, Nachbarinnen der toten Schriftstellerin, spielen beinahe eine Hauptrolle, denn sie tyrannisieren den ermittelnden Beamten mit ihrem Alter: "Bei jeder Wendung des Gesprächs weisen sie einen triumphierend, aber mit vorwurfsvoller Stimme aufs neue darauf hin."

In den florentinischen Krimis gibt es immer einen Täter, der gefaßt wird, und das ist zuweilen beruhigend, denn Brunetti hat es immer mit dem Netzwerk des Bösen zu tun, und dieses ist nun einmal nicht zu zerschlagen.

Zu Magdalen Nabb sollten nicht nur all jene greifen, die nicht auf die "neue Leon" warten wollen, denn die in der Zwischenzeit in Florenz lebende Schriftstellerin läßt uns Urlaubsgegenden neu erleben und verlängert so unser Urlaubsgefühl. Für Skeptische und zur Beseitigung aller Unklarheiten gilt es noch das Urteil des Klassikers Georges Simenon zu zitieren, der die Nabb zu den "mit Abstand originellsten Krimischriftstellern" zählt.

Wer mit der Geburtstagstoten auf den Geschmack gekommen ist, dem sei bei einem Rückgriff auf bereits gelöste Fälle zum Beispiel "Der Tod in Florenz" über einen Mord in einer häßlichen, tristen Kleinstadt empfohlen, der uns auch mit der Partisanengeschichte der Gegend vertraut macht, oder "Der Tod einer Queen", wo der florierende Transvestitenstrich im Mittelpunkt steht.

Eines ist fast immer sicher: Das Wetter ist zwar nicht immer perfekt in Florenz, aber der Duft von Spaghettisauce, "deftig mit Knoblauch und Rosmarin gewürzt", streicht dem Wachtmeister - und nicht nur ihm - unwiderstehlich um die Nase.

Geburtstag in Florenz Roman von Magdalen Nabb, Diogenes Verlag, Zürich 1998, 272 Seiten, geb., öS 263,

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