Antibiotika: Bald nur noch stumpfe Waffen?

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Antibiotika, bisher wirskame Mittel gegen bakterielle Infektionen sowohl in der Human-, wie in der Tiermedizin wirken kaum mehr gegen manche Krankheitserreger, die mittlerweile resistent geworden sind.

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Antibiotika, bisher wirskame Mittel gegen bakterielle Infektionen sowohl in der Human-, wie in der Tiermedizin wirken kaum mehr gegen manche Krankheitserreger, die mittlerweile resistent geworden sind.

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Über mögliche negative Folgen des übermäßigen Einsatzes von Antibiotika wird schon seit den achtziger Jahren diskutiert. Durch die Medien ging vor allem die steigende Resistenz von Krankheitserregern: So versagten etwa in Japan und anderen Ländern Vancomycine, die sonst bei schweren Infektionen eingesetzt werden. Eine vermutete Ursache: der übermäßige Einsatz von "Leistungsförderern" in der Landwirtschaft, von denen einige aus der- selben Gruppe wie die Vancomycine stammen.

"Der Einsatz von Leistungs- und Wachstumsförderern in der Landwirtschaft, die dem Futter zugemischt werden, ist im Rückgang", meint allerdings Franz Krispel, Präsident der Kammer der Tierärzte Steiermark. In Schweden ist ihr Einsatz seit über zehn Jahren, in Dänemark seit Jahresbeginn verboten. Die Schweiz überlegt ein Verbot, die EU-Komission zumindest Einschränkungen. In Österreich kommen diese Mittel kaum noch in der Qualitätsproduktion vor. Allerdings macht diese bei Schweinen nur 20 Prozent der Gesamtproduktion aus. Gänzlich verpönt sind Antibiotika übrigens in der biologischen Landwirtschaft.

Worin unterscheiden sich die Leistungsförderer von den Antibiotika, die bei Erkrankungen eingesetzt werden? Erstere werden nicht resorbiert, sondern über den Kot ausgeschieden. Sie geraten über die Gülle auf das Feld und ins Grundwasser. So können sie in den Nahrungsmittelkreislauf kommen. Ein Problem dabei: Selbst wenn man den Einsatz der Mittel sofort verbieten würde, der Abbau mancher Wirkstoffe zieht sich über Jahre hinweg.

Eine Wiesbadener Forschungsgruppe konnte im Vorjahr Antibiotika in Oberflächengewässern und Kläranlagenabläufen nachweisen, etwa Makrolid-Antibiotika, die sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin eingesetzt werden. Konzentrationen von bis zu fünf Mikrogramm pro Liter wurden bei Kläranlagen und bis zwei Mikrogramm in Oberflächengewässer nachgewiesen.

Wie sieht nun der Verbrauch von Antibiotika in der Humanmedizin in Österreich aus? 1996 wurden 5,4 Millionen Packungen Antibiotika um 1,2 Milliarden Schilling auf Rechnung der Krankenversicherungsträger in Apotheken abgegeben. Jede 17. ärztliche Verordnung betraf Antibiotika. Von den 16 Milliarden Schilling Arzneimittelkosten lag der Anteil für Antibiotika bei 7,5 Prozent. Damit rangieren Antibiotika 1996 sowohl bezüglich der Häufigkeit der Verordnungen als auch der Kosten an siebenter Stelle in der "Hitliste" der Arzneimittelgruppen.

Die Verordnungen für Makrolide, die zu den eher hochpreisigen Antibiotika zählen, stieg seit 1992 übrigens um mehr als 50 Prozent.

Ende 1997 lagen die Ergebnisse des "Alexander-Projekts" vor: Medizinische Zentren in den USA und Europa sammelten seit 1992 Daten über die häufigsten Erreger von Infektionen der Atemwege: Das Ergebnis: In Spanien und Frankreich, wo der Antibiotika-Verbrauch am höchsten ist, sind nur mehr 40 Prozent der Pneumokokken - sie verursachen z. B. Bronchitis, Lungen- oder Mittelohrentzüdungen - voll sensibel gegenüber Antibiotika. Ähnlich groß ist die Resistenz gegen Penicillin in Ungarn. In Österreich liegt dieser Wert bei etwa 10 Prozent. Besonders gefährdet sind im Falle von Resistenzen Menschen mit schwachen Immunsystemen, also HIV-Infizierte oder Patienten einer Chemotherapie, aber auch chronisch Kranke und ältere Personen.

Sünden beim Antibiotika-Gebrauch Beim Gebrauch von Medikamenten werden aufgrund von Wissensdefiziten oder auch in guter Absicht nach wie vor so manche "Sünden" begangen. Die häufigsten sind: * Arzneimittel dienen als "Ersatz" für sonst notwendige Änderungen des Lebensstils.

* Es werden weniger oder mehr Arzneimittel, als vom Arzt empfohlen, eingenommen.

* Es wird leichtfertig ein hochwirksames Mittel eingenommen, weil es einem Bekannten angeblich "so gut half".

Im Bereich der Landwirtschaft gibt es zum gezielteren Einsatz von Antibiotika verschiedene Ansätze: "Es wird immer mehr auf Immunprophylaxe durch Impfungen gesetzt", berichtet Krispel. In der Steiermark gibt es einen Tier-Gesundheitsdienst - bei diesem sind Landwirtschaftskammer, Züchterverbände, Tierärzte und Landwirte eingebunden. Solche Kooperationen soll es kurzfristig in ganz Österreich geben. Ein Ziel der Arbeit ist die Erarbeitung von Richtlinien, auch zum Einsatz von Medikamenten. "Dieser wird zudem genau dokumentiert: Von der Verordnung, bis zum Absetzen sowie bis zu den vorgeschriebenen Wartefristen für eine Schlachtung, wenn es um die Produktion von Nahrungsmitteln geht", ergänzt Krispel.

Der Einsatz von Antibiotika soll auch dadurch gesenkt werden, daß Tiermediziner schon bei der Stallplanung einbezogen werden und es auch prophylaktische Untersuchungen gibt.

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