Antreten gegen die Gratismentalität

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Eine neue Plattform kämpft um mehr Bewusstsein für geistige Leistungen. Die EU will die Schutzfrist bei Tonträgern auf 95 Jahre verlängern.

Harald Knabl, Vizepräsident des Verlegerverbandes (VÖZ), war um ein klares Wort nicht verlegen: "Wir treten gegen die Gratismentalität an. Es ist zu wenig, wenn einige Rechtsanwälte das Urheberrecht kennen. Wir wollen das öffentliche Bewusstsein schärfen." Die Öffentlichkeit solle den Wert geistiger und kreativer Leistungen kennen, erkennen und vor allem honorieren. Denn Copyright-Piraterie - der Diebstahl geistigen Eigentums - verursache weltweit einen Schaden von 20,12 Milliarden US-Dollar, berichtet Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbandes der österreichischen Musikwirtschaft (ifpi) und einer der Initiatoren der Plattform. Die "Plattform Geistiges Eigentum", gebildet von VÖZ und ifpi, unterstützt von Persönlichkeiten des Geistes- und Kulturlebens, überreicht ihr diese Woche präsentiertes "Manifest zum Schutz geistigen Eigentums" am Donnerstag - der 23. April ist der Welttag des Urheberrechtes - der Präsidentin des Nationalrats, Barbara Prammer. Und setzt auf weitere Initiativen und Unterstützung.

Die geistigen Leistungen sollen im Wege freien Zugangs der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, heißt es in dem Manifest. Dies erlaube jedoch nicht kostenloses Kopieren, Verbreiten und Verwenden. Genau darin liege aber das Problem, wie Knabl und Medwenitsch in einer gemeinsamen Präsentation mit der Komponistin Johanna Doderer, dem Vorstand der Wiener Philharmoniker, Clemens Hellsberg, und dem ehemaligen EU-Kommissar Franz Fischler erläuterten. Gegenwärtig glaube man, "Musik ist etwas, das immer gratis verfügbar ist", so Doderer. Die Technik erlaube dem Markt "willkürliche Verwendungen", dabei sei die Situation zeitgenössischer Komponisten stets schwierig gewesen. Als Künstler habe man, so Hellsberg, keinen Einfluss mehr darauf, "in welchem Umfeld man sich wiederfindet". Ihm gehe es daher um mehr Respekt vor der kreativen Leistung. Die österreichische Kreativwirtschaft erziele, so Medwenitsch, eine Wertschöpfung von acht Milliarden Euro, beschäftige 180.000 Personen. Alleine die Musikbranche erwirtschafte mit rund 45.000 Personen etwa zwei Milliarden Euro jährlich. Für die Medienbetriebe des Landes sei die "Gratismentalität" jedenfalls "existenzbedrohend", erläutert Knabl. Nur weil Wissen via Internet frei zugänglich sei, sei es noch nicht unbedingt kostenlos.

Debatte mit IG Autoren

Die IG Autoren quittierte die Gründung der Plattform mit Kritik. Deren Geschäftsführer, Gerhard Ruiss, vermutet dahinter einen "mehrfachen Etikettenschwindel". Der Plattform gehe es nicht um den Schutz der Urheber-, sondern um jenen der Produzentenrechte. Die Begünstigten einer Verlängerung der Fristen für den Schutz von Leistungen seien in erster Linie die Produzenten.

Genau diese Verlängerung debattierte in dieser Woche das Europäische Parlament bei seiner Plenartagung in Straßburg. Der Rechtsausschuss begrüßte den Vorstoß der Kommission, die Schutzdauer des Urheberrechtes bei Tonträgern von 50 auf 95 Jahre zu verlängern. Allerdings verpflichtete das Parlament die Kommission, dafür zu sorgen, dass die ausübenden Künstler und Studiomusiker nicht durch vertragliche Vereinbarungen mit Dritten, etwa Plattenfirmen, dazu verpflichtet werden, die sich aus der Verlängerung ergebenden Einnahmen diesen Dritten zu übertragen. Dass genau dies passieren könnte, ist aber nicht der einzige Kritikpunkt von Ruiss.

Die Plattform solle mit den Verwertungsgesellschaften die Interessen der Urheber vertreten, fordert Ruiss. Das sei nicht vorgesehen, kontert Medwenitsch. Die Verwertungsgesellschaften befassten sich mit den Erträgen aus Urheberrechten bzw. Lizenzen. Die Plattform hingegen arbeite für den Schutz geistigen Eigentums in dessen gesamter Bandbreite.

Die Plattform ( www.geistigeseigentum.com) lädt jedenfalls für 3. Juni in Wien zu einer Enquete mit Justizministerin Bandion-Ortner und am 25. August in Alpbach zu einer Debatte mit Medientheoretiker Norbert Bolz über Urheberrechte und Copyright-Piraterie.

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