Werbung
Werbung
Werbung

Das Filmarchiv Austria zeigt auf der Diagonale "proletarisches Kino" von Albrecht Viktor Blum.

Die Maschine, vom Menschen erfunden zu dem Zweck, dass sie dem Menschen dient, wird mehr und mehr zum Beherrscher des Erfinders." Albrecht Viktor Blum spricht über sein Werk Im Schatten der Maschine, das auf sowjetischem Dokumentarfilmmaterial beruht und 1928 uraufgeführt wurde. Die verwendeten Bilder, die im Kontext einer Begeisterung für die Technik gedreht wurden, werden durch die Montage in eine Technikkritik umgedeutet. "Viele dieser Aufnahmen von Maschinen wirken wie fantastische Geschichte; so unheimlich ist die unaufhaltsam eherne Bewegung der stummen Maschinenarme, die Kettenglied um Kettenglied hämmern, Stahlblock um Stahlblock verschlingen und wieder ausspeien. Eine gespenstische Vision der Wirklichkeit ist diese Bildsinfonie der Maschinen. Ihr Rhythmus, mitreißend wie ein gewaltiger Strom, der alle Dämme gebrochen hat, ist der Rhythmus des Lebens, der Rhythmus der Arbeit", schrieb damals der Filmkritiker der Wiener Arbeiter-Zeitung, Fritz Rosenfeld.

Mittelpunkt Arbeiterleben

Blum (1888-1959) gilt als Pionier des sozialen Dokumentarfilms und der Filmkompilation. Ihm ist im Rahmen der diesjährigen Diagonale unter dem Titel "Proletarisches Kino" eine Werkschau gewidmet. Es ist dies ein Auszug aus dem derzeit unter der Führung von Christian Dewald, wissenschaftlicher Leiter des Filmarchiv Austria, laufenden Forschungsprojekt zur Geschichte des Arbeiterfilms während der Ersten Republik. Für die Viennale 2007 ist dann in Zusammenarbeit mit dem Wiener Filmarchiv der Arbeiterbewegung ein umfassendes Special zu diesem Thema geplant.

Proletarische Filme rücken - wenig überraschend - das Leben von Arbeitern in den Mittelpunkt und drücken eine Unzufriedenheit mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen aus. Im Schatten der Weltstadt etwa, ein weiterer Film des Autorenfilmers Blum, kontrastiert die Glitzerwelt Berlins mit den trostlosen Arbeitervierteln, wo Kinder inmitten des Verkehrs spielen müssen. Der proletarische Film sollte "sich mit dem Leben des Arbeitsmenschen befassen und dem Kinopublikum das Bild der Welt zeigen, wie sie wirklich ist", so Rosenfeld. Andererseits werden auch die positiven Errungenschaften von Arbeiterparteien hervorgehoben, wurden die Werke doch meist von Sozialdemokraten, Gewerkschaften oder Kommunisten in Auftrag gegeben.

Arbeiterfilme für Wien

Auf Grund der Wirkkraft des Films diskutierte die Sozialdemokratie in Österreich schon Anfang der zwanziger Jahre, wie das Medium für die Arbeiterbewegung nutzbar gemacht werden könnte. "Es ging zum einen um den Kampf gegen den reaktionären, kriegshetzerischen Kitschfilm, und zum anderen um eine autonome Filmproduktion", erklärt Filmwissenschafter Dewald. Durch eine Zentralstelle sollten jene Filme ausgewählt werden, die sich durch pädagogischen und allgemein bildenden Wert auszeichnen. Ab 1924 stand den Veranstaltern ein Verzeichnis zur Verfügung, das zur Aufführung empfohlene "gute" Filme auflistet. Im Mai 1926 wurde schließlich ein eigenes Kinobetriebs-und Filmverleihunternehmen geschaffen, die "Kinobetriebsgesellschaft m.b.H." (Kiba). Dadurch konnten auch viele ausländische Filme gezeigt werden, wobei man sich zusehends vom weltanschaulichen Anspruch entfernte und immer mehr reine Unterhaltungsfilme den Weg ins Programm fanden.

Maifeiern et cetera

"Der proletarische Filme diente der politischen Aufklärung der Arbeiterklasse und der politischen Selbstdarstellung", so Dewald. Die eigenen Filmproduktionen der Sozialdemokratie waren Dokumentationen von Maifeiern, Kundgebungen, Parteitagen oder Großereignissen der Arbeitersportbewegung wie der zweiten Arbeiter-Olympiade in Wien. Viele auf Normalfilm gedrehte Propagandafilme wurden auf Schmalfilm umkopiert und konnten so auch in den entlegensten Winkeln des Landes in Gasthäusern oder Vereinslokalen vorgeführt werden. Geplant waren aber auch größere Vorhaben, wie die Darstellung der Geschichte der Arbeiterbewegung beginnend mit dem Revolutionsjahr 1848. Zur Realisierung kam es allerdings nie.

"Der proletarische Film wandte sich vor allem an die eigene Klientel. Die Menschen sollten in ihren Überzeugungen bestärkt werden", sagt Projektleiter Dewald über dessen Reichweite. Das Aufkommen des Faschismus läutete bald das Ende des proletarischen Films ein. Viele Protagonisten dieser Bewegung in Österreich wurden vertrieben oder ermordet. Die Erinnerung an sie will das Filmarchiv Austria mit dem Forschungsprojekt wach halten. Zudem geht es auch um eine Repatriierung der Filme, die weit verstreut vor allem in deutschen, russischen und schweizerischen Archiven liegen.

INFOS: www.diagonale.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung