Arche Noah Madagaskar

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Vor 160 Millionen Jahren löste sich die Insel von Afrika und driftet Richtung Osten. Seither trennt der 400 Kilometer breite Kanal von Mozambique den biologischen Einzelgänger vom ehemaligen Mutterland. Säugetiere gab es damals auf der Erde noch nicht. Sie entwickelten sich erst 100 Millionen Jahre später. Aus diesem Grund gibt es keine typisch afrikanischen Tiere wie Löwen, Leoparden, Zebras, Elefanten, Nashörner und auch keine Affen.

Von Fledermäusen und den durch den Menschen in den letzten 2000 Jahren eingeführten Arten abgesehen, lebt auf der Insel überhaupt keine Säugetierart, die anderswo zu finden ist. Die meisten hier vorkommenden Arten sind nur auf Madagaskar vertreten.

Die Vorgänger der verschiedenen Lemurenarten, die igelverwandten Würmerfresser, die kleinen Nagetiere sowie die marderähnlichen Schleichkatzen haben wahrscheinlich auf Treibgut die große Insel erreicht. Dann entwickelten sie sich zu völlig eigenständigen Tierfamilien. 64 Prozent der Vögel, 95 Prozent der Reptilien, 97 Prozent der Falter und Schmetterlinge und fast 100 Prozent der Lemuren oder Halbaffen kommen nur hier vor.

Viele Arten sind vom Aussterben bedroht, hochspezialisierte Tiere, die von ganz bestimmten Futtersorten und ökologischen Nischen abhängig sind. Der nächtlich herumstreifende Aye-Aye mit seinen knochig verlängerten Krallenfingern, übergroßen Fledermausohren und vampirartigen Nagezähnen lebt hauptsächlich von Insektenlarven in Holz und morscher Rinde.

Artenaufspaltung Die Artenaufspaltung einer einzigen eozänen Halbaffenart brachte die verschiedensten Formen hervor. Während die nachtaktiven "Waldgeister" mit markerschütternden Schreien und bellenden Lauten in der Dunkelheit ein unheimliches Konzert veranstalten, lieben zum Beispiel die Sifakas mit ihrem hellen Fell das frühmorgendliche Sonnenbaden. Ihr Lebensraum sind die Riesenkakteen und hohen Bäume im Dornenwald, wo sie von Krone zu Krone oft zehn Meter weit springen.

Aus fossilen Funden kennt man weitere Lemurenarten, die leider in historischen Zeiten ausgerottet wurden. Die Spezies homo sapiens jagte alles, was 15 oder mehr Kilo wog. So verschwand die sogenannte Megafauna von der Insel, zu der Riesen-Indris, Riesen-Fingertiere und eine Lemurenart in Gorillagröße gehörte. Ähnlich erging es den schwersten Vögeln (vier Meter groß und 500 Kilo schwer) der Erde, den Elefantenfuß-Straußen mit Eiern so groß wie Fußbälle.

"Comete" nennen die Einheimischen den gelb-orangen Nachtfalter mit einer Flügelspannweite bis zu 25 Zentimeter. Er konnte nur erhalten werden, weil sich Züchter dieser seltenen Art angenommen haben. In einem Abkommen wurde festgelegt, daß nur ein Drittel der geschlüpften Tiere verkauft werden dürfe. Falter und Orchideen gehören zusammen. Bereits Charles Darwin war fasziniert von dem Variantenreichtum der auf Madagaskar vorkommenden Arten. Einige erinnern an Insekten und Spinnen, die an dünnen Fäden hängen, andere glänzen im Sonnenlicht wie Edelsteine.

Die Reptilien und Amphibien zeigen ebenfalls eine weltweit seltene Vielfalt. Ihre auffällig leuchtenden oder tarnenden Farben sind genauso atemberaubend wie ihre bizarren Formen. Chamäleons, Verwandlungskünstler aus der Zeit der Dinosaurier gibt es von 2,5 bis 80 Zentimeter Länge. 53 Arten leben nur hier und sind durch Biotopzerstörung und Bodenerosion hochgradig gefährdet.

Leider sind wir Zeugen des Zeitpunktes in der Evolution, in dem die durch Millionen von Jahren erschaffene ökologische Stabilität verlorengeht und mit ihr die Natur.

Siehe auch den Beitrag "Rauchschwaden jenseits von Afrika" (Furche 25/1998) derselben Autorin.

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