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Mit 30 Modellen wichtiger Bauten und Projekte wird im Wiener Ringturm das faszinierende geometrische Universum des visionären russischen Architekten Konstantin Melnikow präsentiert.

Konstantin Melnikow - Architekt" steht über der gläsernen Eingangsfront seines Ateliers in Moskau, einer Komposition aus Licht und Raum: zwei von wabenförmigen Scheiben durchbrochene Zylinder, die nahtlos ineinandergreifen. "Unser Haus erklingt stolz wie ein Solo im Lärm und Getöse der unproportionierten Bauwerke der Hauptstadt. Und es stimmt sich, wie aus einer höheren Harmonie, mit entschlossener Spannung darauf ein, den Puls der Moderne zu erfühlen." Architektur war für ihn Wesensausdruck seiner Persönlichkeit.

Am Puls der Moderne

Ihre visionäre Strahlkraft wirkt bis heute, Studenten bauten Modelle wichtiger Projekte und Bauten, 30 davon lassen nun neben Plänen und Fotos in der Schau im Wiener Ringturm räumlich anschaulich in sein geometrisches Universum eintauchen. Im Katalog kann man sich nachhaltig weiter vertiefen. Beides entstand in Kooperation mit der TU Delft (Otakar MácÇel), dem Polytechnikum Mailand (Maurizio Meriggi) und der Universtität Stuttgart (Dietrich Schmidt).

Melnikow sprengte die starren Grenzen des Internationalen Stils und verwandelte Funktionalismus in konkrete Utopie. Hell überstrahlte sein Stern in der ersten Euphorie nach der Oktoberrevolution die der anderen Konstruktivisten, wie kein anderer schuf er mit einfachsten baulichen Mitteln Architektur mit Symbolcharakter. 1937 fiel er beim Regime in Ungnade und konnte kein Gebäude mehr realisieren.

1890 als Bauernsohn geboren, führte ihn sein Talent rasch an die Moskauer Schule für Bildende Kunst und Architektur; erst studierte er Malerei, mit der er später seinen kargen Lebensunterhalt bestritt. Davor aber bescherte ihm die charakteristische Dynamik seiner Formen einen ebenso dynamischen Aufstieg. Bereits 1922 projektierte er Arbeiterwohnungen, 1924 den Sitz der "Leningrader Prawda" in Moskau - einer Ikone des Konstruktivismus. Ein filigraner, spiralförmiger Leuchtturm der Wahrheit aus Glas und Stahl, dessen segmentförmig auskragende Ebenen sich zu Terrasse und Himmel verjüngen. Melnikow schwebte vor, dass "sich jeder Redaktionsraum täglich Licht und Perspektive nachdrehen kann". Seine visionäre Idee einer beweglichen Raummaschine scheiterte an der Realität, im Modell wird sie greifbar.

Internationaler Durchbruch

Die Gabe, kostengünstiges Bauen mit expressiver Gestik zu verbinden, brachte ihm den Auftrag für den Pavillon der Sowjetunion auf der Pariser Kunstgewerbe-Ausstellung 1925 und wurde zur Architektursensation. Der leichte, verglaste Holzskelettbau aus zwei gegenschwingenden Flügeln an der Treppe unterm innovativ aufgefächerten Flugdach atmete den Geist einer aufstrebenden Nation. Doch Melnikow war viel mehr Idealist als Ideologe: "Alles in allem: die Farbgebung der Linien, die Fülle an Luft und Licht sind ungewöhnliche Elemente. Sie entsprechen dem Land, aus dem ich komme." In traumwandlerischer Sicherheit fügte er verschiedene einander durchdringende geometrische Formen zu berückenden Gesamtkompositionen, ohne Baubarkeit und Funktion aus den Augen zu verlieren.

Den Parisern, "die gern auf der Straße leben", plante er eine Garage für 1.000 Autos aus raffiniert gegenläufig geführten Schrägrampen, die sich gegenseitig im schwebenden Gleichgewicht halten und kühn eine Seinebrücke überragen. Jeder Punkt wäre hier revisionslos erreichbar. Gebaut wurde das einzigartige Projekt nie, seine vier realisierten Garagen in Moskau aber bestechen in stringenter Funktionalität und Klarheit.

Praktische Überlegungen und eine komplexe Vorstellung kollektiven Kulturlebens ließen außergewöhnliche Arbeiterklubs entstehen: eine optimale Verteilung der Schallwellen führte zu den trichterförmig auskragenden Sälen des Russakow-Klubs, sie sollten flexible Trennwände haben. Beim viertelkreisförmigen Kautschuk-Club mit der ausladend rund ums Vestibül schwingenden Freitreppe schwebte ihm ein auf die drei Galerien hebbarer Boden vor. Der extravagante Zuev-Club aus vier Zylindern, seine Planung einer grünen Stadt und viele andere Visionen blieben Utopie. Seit ihrer Erstpräsentation im Westen in Otto Mauers Galerie nächst St. Stephan 1974 haben sie nichts an Faszination verloren.

Moskau - Melnikow

Architektur und Städtebau von

Konstantin Melnikow 1921-1937

Ausstellungszentrum im Ringturm, Schottenring 30, 1010 Wien

Bis 13. 4. Mo-Fr 9-18 Uhr

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