6725681-1965_31_03.jpg
Digital In Arbeit

Am Beispiel Elsaß

Werbung
Werbung
Werbung

Diese nicht unmittelbare (wenngleich mittelbar doch als solche zu bezeichnende) Unterwanderung von ethnischen Minderheitsgebieten führt überall dort, zu einer Verformung des ethnischen Charakters der Volksgruppe, wo das Mehrheitsvolk die Staatssprache bestimmt und zugleich sein Wirtschafts- und Zivilisationspotential — sei es auch ohne Verformungsabsicht — in die Waagschale wirft. Vergleichsbeispiele bieten der Elsaß, Französisch-Flandern, Tchameria, das Aostatal und das Murtenbiet, um nur einige markante europäische Fälle zu nennen.

Angesichts dieser erst seit wenigen Jahren den Bestand der kroatischen Volksgruppe im Burgenland ernsthaft bedrohenden und von den bur-genländischen Landesbehörden keineswegs gewünschten oder gar geförderten Entwicklung müßte hier im besonderen förderndes Nationalitätenrecht angewendet werden, also Schaffung materieller statt formeller Gleichheit. Die siedlungsmäßige Aufspaltung der Burgenlandkroaten, zu deren Geschichte auf die ausgezeichnete Darstellung von Heinrich Kun-nert18 verwiesen sei, macht es notwendig — falls man in der Erhaltung von Volksgruppen, Volksbrücken und ethnischer Minderheiten in gleicher Weise eine Aufgabe österreichischer wie christlicher Gesellschaftspolitik erblickt wie der Verfasser“ —, dem Bestand dieses Inselkroatentums besonderes Augenmerk zuzuwenden. Die Siedlungsschwerpunkte der Burgenlandkroaten sind heute im Bezirk Eisenstadt (Dörfer mit kroatischer Mehrheit sind hier Klingenbach, Oslip, Siegendorf, Steinbrunn, Traus-dorf, Wulkaprodersdorf, Zagersdorf und Zillintal, mit nahezu 50 Prozent Großhöflein), im Bezirk Oberpullendorf (Frankenau, Großmutschen, Großwarasdorf, Kleinmutschen, Kleinwarasdorf, Kroatisch-Gerers-dorf, Kroatisch-Minihof, Nebersdorf, Nikitsch und Unterpullendorf, alle mit nahezu ausschließlich kroatischer Bevölkerung, sowie Weingraben mit einer größeren kroatischen Minderheit), im Bezirk Oberwart (starke kroatische Mehrheit in Podgoria, Dürnbach, Podier, Rauhriegel-' Allersgraben, Schachendorf, Schandorf, Spitzkicken, Weiden und Zuberbach, beträchtlicher kroatischer Anteil in Allersdorf, Mönchmeierhof, und Rumpersdorf) und zu geringerem Ausmaß im Bezirk Güssing (Güttenbach, Hackerberg, Heugraben,

„deutsch-kroatisch“ dem deutschen Sprachvolk zurechnen statt dem kroatischen, ist der Rückgang deutlich. Dieser Rückgang ergibt sich zweifellos vor allem daraus, daß die Industrialisierung und die Fremdenverkehrserschließung des Burgenlandes außerordentlich große Fortschritte machen, wobei den sich hier niederlassenden vielfach bundesdeutschen Firmen auch ein vorhandenes Arbeitskräftereservoir zur Ausschöpfung angeboten wurde und noch wird, das vor allem in den Kroatendörfern wirklich oder vermeintlich vorhanden ist.

Homma berichtet zum Beispiel über die Ergebnisse der Landeskonferenz des Verbandes sozialistischer Gemeindevertreter im Burgenland (1960) und gibt die Zahlen kroatischer Bauarbeitergemeinden, Landarbeitergemeinden und die Anzahl der kroatischen Gemeinden mit der größten Anzahl von Arbeitnehmern an. Man wird dabei feststellen, daß es gerade die Gemeinden mit größerer Anzahl Industriearbeitern sind, in welchen der Rückgang der Sprachkroaten in den Volkszählungszahlen am größten ist. Dabei spielt nicht zuletzt auch die Zuwanderung nichtkroatischer Arbeitskräfte in Kroatendörfer eine beträchtliche Rolle. Kroatische Gemeinden mit der größten Anzahl von Arbeitnehmern sind Antau, Siegendorf, Hornstein, Parndorf, Kittsee und Stinatz15.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung