Bambus Herberge - © Foto: Dominique Gauzin-Müller

Architektinnen aus aller Welt: Frauen bauen

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Ursula Schwitallas bahnbrechendes Buch „Frauen in der Architektur – Rückblicke, Positionen, Ausblicke“ präsentiert 36 Architektinnen aus aller Welt: von den Pritzker-Preis-Trägerinnen Kazuyo Sejima und Anne Lacaton bis zu weniger bekannten Neuentdeckungen.

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Ursula Schwitallas bahnbrechendes Buch „Frauen in der Architektur – Rückblicke, Positionen, Ausblicke“ präsentiert 36 Architektinnen aus aller Welt: von den Pritzker-Preis-Trägerinnen Kazuyo Sejima und Anne Lacaton bis zu weniger bekannten Neuentdeckungen.

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Vorwitzig lugt eine Haarsträhne aus ihrem Dutt, selbstbewusst breitbeinig, die Hände in die Hüften gestützt, steht sie fröhlich vor der charakteristischen Skyline von Las Vegas: Denise Scott Brown. Dieses ikonische Foto ziert das Cover des Buches „Frauen in der Architektur – Rückblicke, Positionen, Ausblicke“ von Herausgeberin Ursula Schwitalla. Es erzählt auch von struktureller Benachteiligung. Exemplarisch dafür steht die Geschichte ihres „Covergirls“ Denise Scott Brown. Sie und ihr kongenialer Partner Robert Venturi hatten den Klassiker „Learning from Las Vegas“ verfasst. Ein bahnbrechendes Buch, das die ephemeren populärkulturellen baulichen Artefakte von Las Vegas einer ernsthaften Analyse unterzog – und so auch den elitären Charakter von Architektur reflektierte. Bis heute ein Dammbruch. 1991 bekam Robert Venturi den Pritzker-Preis, Denise Scott Brown wurde er versagt – den Antrag Venturis, auch sie auszuzeichnen, lehnte die Jury ebenso ab wie 2013 die Forderung einer internationalen Petition auf eine nachträgliche Zuerkennung.

Die Geschichte von Denise Scott Brown zeigt, in welcher Selbstverständlichkeit die Leistungen von Frauen – beziehungsweise ihr Anteil bei der Zusammenarbeit mit einem Partner – noch immer unter den Teppich gekehrt werden. Diesen Aspekt streicht auch Beatriz Colomina in ihrem lesenswerten Beitrag über Eileen Gray und den vereinnahmenden Umgang von Le Corbusier mit deren Haus E.1027 sehr pointiert heraus. Besonders interessant ist auch Schwitallas Blick in die Geschichte. Margarete Schütte-Lihotzky brachte es dank ihrer wegweisenden Frankfurter Küche zu gewisser Bekanntheit. Dass es ausgerechnet die recht klischeehaft weibliche Entwicklung einer Einbauküche war, auf die ihr gesamtes Lebenswerk und ihre Geschichte als Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime verknappt wurde, hat sie selbst stets bedauert.

Julia Morgan, die 1904 als erste Frau in Kalifornien die Lizenz als Architektin erhielt, ihr eigenes Studio gründete und über 700 Bauten umsetzte, war zumindest der Autorin dieser Rezension nicht bekannt. 2014 (!) wurde ihr posthum die Goldmedaille des American Institute of Architects (AIA) verliehen. Selbst Odile Decq, die 15 Jahre mit Benoît Cornette das Büro ODBC geführt hatte, bekam nach dessen Tod den Rat, es besser zu schließen. Glücklicherweise entschied sie sich dagegen.

Nicht mehr nur eine Welt für Männer

Stets brandet bei Publikationen, die sich auf Frauen konzentrieren, das Argument auf, Geschlecht sei kein Qualitätsmerkmal. Bei Männern wird diese Frage nie gestellt. „Architektur ist nicht mehr nur eine Welt der Männer. Die Vorstellung, dass Frauen nicht dreidimensional denken können, ist lächerlich“, sagte Pritzker-Preis-Trägerin Zaha Hadid 2013 bei einer Preisverleihung. Diese Bemerkung ist bezeichnend. Bereits 60 Prozent der Architekturstudierenden sind heute Frauen, nur 17 Prozent gründen ein eigenes Büro. Odile Decq schreibt in ihrem Essay „Architektin sein“ sogar von nur zehn Prozent. Decq gründete 2014 eine eigene Hochschule, das „Confluence Institute for Innovation and Creative Strategies in Architecture“. „Oft spreche ich mit den Studentinnen und ermutige sie, selbstsicherer zu sein. Dieses Problem haben Frauen oft: dass sie nicht selbstsicher genug sind“, schreibt sie. Und: dass es Umfragen gebe, laut denen jede fünfte Architektin jungen Frauen davon abriete, Architektur zu studieren.

Bücher wie dieses sind also mehr als notwendig. Es stellt 36 Architektinnen aus aller Welt vor, die in den Wintersemestern 2016/17 und 2017/18 an der Universität Tübingen Vorträge hielten. Sie bilden eine große Bandbreite weiblicher Architekturpraxen ab. Das exemplarische Projekt, das ihre Arbeit und Haltung repräsentiert, suchten die Protagonistinnen selbst aus. Pritzker-Preis-Trägerin Kazuyo Sejima ist mit ihrem bekannten leichtfüßigen Rolex Learning Center vertreten. Ein Gebäude wie eine Landschaft, das Hügel, Innenhöfe, schattige, höhlenartige Schutzräume und mehr ausbildet. Und dabei eine präzise technische Meisterleistung ist, was in seiner Poesie untergeht.

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