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Auf Gottes Spuren in den Bergen

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„Jehova segnet die Gipfel der Welt. Begnadet und glücklich jene, die im Zeichen der Allmacht in liebt und Freiheit auf den firnen zu wandeln berufen sind.

Dieses schöne Wort fand Don Achilles R a 11 i, später Papst Pius XI., am Tage, da ihm mit einem zweiten bergfreudigen Priester, Monsignore Luigi G r a s e 11 i, und zwei Führern aus Courmayeur am 31. Juli 1888 die erste Ueberschreitung des Monte Rosa von Macugnaga nach Zermatt geglückt war. Karl D o m e n i g g hat es vor Jahren in Erinnerung gebracht, als Leitwort einer Aufsatzreihe „Oesterreichische Kirchenfürsten als Bezwinger der Hochwelt“, die den bergsteigerischen Großleistungen zweier österreichischer Bischöfe, des Gurker Fürstbischofs und Kardinals Salm-Reiffer- scheid und des Salzburger Fürsterzbischofs und Kardinals Friedrich Fürst Schwarzenberg, gewidmet war.

In diese Reihe führender Alpinisten im Priesterrock gehört auch der heutige Prälat und Inf. Domkustos am Metropolitan- und Domkapitel zu St. Stephan, Wien, Dr. Alois W i 1- d e n a u e r, der in den nächsten Tagen sein 80. Lebensjahr vollendet: Prälat Wildenauer wurde am 29. April 1877 im Wiener „Freihaus" geboren.

Bahnbrechende Touren und Erstbesteigungen, kühne Neuerschließungen und musterhafte Markierungen und Sicherungen auf den Wiener Hausbergen, aber auch den großartigsten Bergkönigen der Alpen haben seinen Namen weit über die Grenzen unserer Heimat hinausgetragen. Mit dem Ehrentitel ,,Hohe-Wand- Pfarrer“ aber hat ihn die Liebe der Bevölkerung eines engeren langjährigen Wirkungskreises belohnt, als er von 1911 bis 1921 das Dekanat in Grünbach bekleidete (zwischen damals und heute liegt das verdienstvolle priesferliche Wirken als Propst von Wr. Neustadt und Wien-VotivkircheV

„Ich hatte in meiner Jugend eine eigentümliche Scheu vor Felsen", erzählt Prälat Doktor Wildenauer gerne seinen Freunden. „Der Bann wurde erst gebrochen, als ich im Sommer 1903 mit einem kleinen Obolus, den mir die Supplen- tur auf der Universität eingetragen hatte, ins Zillertal reiste. Mit einem Führer wagte ich mich bis zur Berliner Hütte, und nicht lange darauf stand ich auf der Spitze des Schönbichler- hornes. Das war mein erster Dreitausender."

Von da ab beginnt die imposante Reihe schwieriger Touren, Hochtouren und kühner Erstbegehungen. Eine kleine Auslese davon: 1904 Wildspitze, 1905 Großglockner, Dolomiten, 1907 Order, 1908 und 1911 Dolomiten, 1913

Brentagruppe. Fünfmal, und zwar 1909, 1915, 1916, 1919 und 1920, geht es auf den Wildea Kaiser; dabei gelingt Dr. Wildenauer 1916 eine Zweitbegehung des enorm schwierigen Scharschmidtkamins, 1920 eine Erstbegehung in der Pred’gtstuhlwestwand. Dazwischen liegen immer wieder Touren in das Gesäuse und auf die Wiener Hausberge. 1924 bis 1927 bringt die Krönung: die Bergriesen des Westens, Breithorn, Monte Rosa, Matterhorn, Jungfrau, Montblanc, Rimpfischhorn, Dome de Gouter, Dent du geant und andere Viertausender.

Im Hohe-Wand-Dezennium hat Dr. Wildenauer mehr als 100 Steige gefunden, markiert und beschrieben („Kletterführer“, schon 3. Auflage!). Ein beliebter Steig auf der Hohen Wand hat von dieser beispiellosen Tat seines Entdeckers den Namen erhalten: der „Wildenauersteig“ (I), früher Hochfall-Abseiltour (o). Er wurde am 25. März 1915 von Dr. Wildenauer alleingehend zum erstenmal als Abseiltour durch eine romantische Höhle bezwungen, aber erst vier Jahre später in mühevoller zweimonatiger Arbeit mit reichlichen Klammern und Stiften zu einem richtigen Klettersteig verwandelt und am 28. September 1919 feierlich eröffnet.

Auch auf der Rax kündet das „Wildenauer- Gamseck" (I—II) den Namen seines Entdeckers. Auf dem Schneeberg war begreiflicherweise die schaurige Stadelwand der Liebling Dr. Wildenauers, wo ihm im unteren Teil eine sehr schwierige Erstbegehung gelang. Weitere Erstbegehungen glückten ihm auf dem Novembergrat (12. November 1920), Fluch-Christi-Grat (15. Oktober 1919) u. a.

Die Wärme, die abgeklärte Weisheit und der feine Humor, die kühne Kraft und die fromme Demut, mit der Dr. Wildenauer von sich und seinen Bergen erzählt, zeichnet auch seine zahlreichen alpinistischen schriftstellerischen Arbeiten (sein Lebensbuch nennt er „Ruf der Berge“) aus. Hier blickt man ins Herz des Mannes. Hier offenbart sich die ganze Reinheit und Lauterkeit seines Bergdranges, die in wohltuendem Gegensatz zu dem häßlichen Ungestüm manches Kletterers von heute steht.

Auf den schneeigen Gipfeln des Glöckners sind diese seine Gedanken entstanden:

„Mit heiligem Schauern fühlt man in solchen Augenblicken Gottes erhabene Größe. Und doch ist all die Majestät der hehren Alpenwelt, durch die wir Gottes Unendlichkeit zu ahnen vermeinen, ją die ganze Erde nur ein winziges Sandkörnchen, das dieser große Gott erschuf.“

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