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AUS MEINEM REISETAGEBUCH

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Am 29. ds, 9. in Palermo bei Regen gelandet. Mühsame Fahrt zur Kathedrale, außen enttäuschend, innen von Eindruck die Sarkophage von Friedrich II., Roger II., Heinrich VI. und Konstanze. Wir nehmen uns einen Einspänner, der uns zwei Stunden durch entsetzliche Gassen der Altstadt führt. Barocke Plätze, Paläste und Brunnen enttäuschen, schwach. Hingegen herrlich die Capeila Palatina, die Begegnung arabischer mit normannischer Kunst. Ein herrliches Museum in einer Normannenburg. Mittags fahren wir bei sich aufklarendem Himmel nach Mondello. Hotel „Torre“ in bester Lage am Meer (zum Baden!). Nachmittags fahren wir auf den Monte Pellegrinö. Wohl eine der kühnsten Bergstraßen. Ausblicke über Palermo und Strand. Abendsonne und noch ein Aussichtspunkt, „Albergo“, altes Schloß. Gunda fotografiert und ich zeichne.

Am 30. 9. vom Hotel Torre (wir hatten Pizza auf dem Volksplatz mit Fischerständen gegessen) nach Monreale. In der Nacht gab es schwere Gewitter, in Monreale kam aber wieder die Sonne, und dann gab's einen kühlen, wunderschönen Tag. Monreale, Dom und Kreuzgang von einer Schönheit in den Mosaiken und den Kosmatenarbeiten, überwältigend. Störend in der Kathedrale die monströse Orgel (wohl aus letzter Zeit), die gehört restlos entfernt. Um halb elf fuhren wir über Aleano nach Calatafini, nahe dem Tempel von Segesta. Wohl auf felsiger Höhe, aber von arkadischer Landschaft umgeben. Wir genossen das herbe Werk in der Mittagsstunde, dann Essen und Ruhen im Albergo. „Mille Pini“, aber dann wieder beim Tempel, und da war die Sonne weg. Malen mißlungen. Darauf Fahrt zum herrlich gelegenen Theater von Segesta.

Am 1. Oktober, um 9 Uhr, oben beim Theater und gemalt; ^zufrieden, weil schwierige Perspektive. Um 11 Uhr von Mille Pini über Salemi. Ort mit Burg und Wolkenkratzer, als Krönung nach Castel Vetrano durch bis zum Strand von Seli-nunte. Selinunte ist ein riesiger Trümmerhaufen, Giganten an Kapitelen und Säulenstrunken. Den großen Tempel mit den Trümmern gemalt. Den zweiten, ruinenhaften, skizziert.

Am 2. 10. nach Agrigent. Jollyhotel. Tempelterrassen gesichtet, erste Skizze verfaßt. Abends in die Altstadt, vorher noch Cästor und Pollux Tempel gezeichnet. Mit Taxi hinauf zum“normannischen Dom. Unheimlich, da uns von dem Erdrutsch vor kurzer Zeit dort berichtet wird. Abends in Barockkirche zur heiligen Messe, dann im „Gui Gui“ Restaurant zum Essen.

Am 3. 10., morgens, Tempelbezirk: Concordiatempel gezeichnet. Mittags nach Gela, Autostello, Abstecher zur römischen Villa mit herrlichen Mosaikböden in Piazza Amerina.

Am 4. 10. nach Vittoria, Ragusa, Modica, Syracus. Voller Erwartungen. Hotel „Villa Politi“ auf den Felspartien der Latomien, ehemalige Sträflingssteinbrüche. Noch abends Rundfahrt durch Zona Archäologika, Amphitheater, Römisches Theater und als schönstes das Griechische Theater aus dem Felsen gehauen, noch größer als dies von Epidauros.

Am 5. 10. schwüler, heißer Tag. Zum Griechischen Theater malen? Nein, zuerst „permesso“ bei der Superintendenza ' della antichita, Piazzo Duomo. Langes Warten, dann nur telefonisch avisiert. Dort um halb elf, zu spät, alles im Schatten, außerdem als Malmotiv von oben sehr ungut! Aufgegeben. Um 3 Uhr zurück, noch einmal ans große Theater von unten,gelungen, aber Regen verhindert Fertigstellung der Zeichnung. Auf der Insel Dom, aus Tempel aufgebaut, bewundert.

Am 6. 10. sind wir von Syracus morgens abgefahren nach Catania, Industriestadt. Dom und andere Barockkirchen von nicht großem Interesse. An der Küste dann durch fruchtbares Land, Orangen- und Mandelplantagen; sehr bald und voller Spannung in Taormina angekommen. Wir fuhren zunächst, das Hotel suchend, hoch hinauf, auf vielen Serpentinen, dann zurück durch enge Gassen (bald wären wir nicht durchgeschlüpft) endlich zum Hotel Timeo. Unmittelbar neben dem Theater. Am Abend noch Weg zum Theater, aber schon im Dämmern. Durch die Promenade zum Dom, normannisch, gut gesäubert und renoviert. Dunkel, Orgelspiel, Mozarts Ave Maria, von großer Innigkeit gespielt, und dankbar dem Herrgott für bisher so gelungene Fahrt. Hoffnung auf morgen.

Am 7. 10. in Taormina. Bald, um 9 Uhr, im Theater, um zu zeichnen. Hinauf gestiegen, noch kaum einen Strich gezeichnet, fällt der Regen ein. Es gießt; wir müssen in einem gedeckten Gewölbe unterstehen. Es strömen die Bäche von oben und von unten; wir haben alle Mühe, unsere Sachen vor der aufspringenden Flut zu schützen. Platschnaß ins Hotel zum Essen. Es kommt die Sonne, aber Mittagspause und das Theater ist geschlossen. Um 3 Uhr wieder Aufbruch zum Zeichnen, wieder ganz hinauf, diesmal regengeschützt. Kaum begonnen: wieder Regen, zurück, hinunter, nach einer halben Stunde hört der Regen auf, also hinauf und doch ohne Licht, alles im Nebel gezeichnet, halbwegs gelungen, kaum fertig, wieder Regen. Dann in die Stadt. Gewitter, Sturm und köstlichen Ätna-Wein getrunken auf unserer Zimmerterrasse. Und jetzt 10 Uhr abends Sternenhimmel, der Ätna leuchtet glühend herüber.

Am 8. 10. morgens nach hoffnungsvollen Sonnenblicken Donner und Blitz. Wir verabschieden uns bei strömendem Gewitterregen. Die Fahrt von Taormina hinunter auf kurviger Straße meistert Gunda über Sturzbäche, überschwemmten Straßenstücken, dabei Steinschlaggefahr (es lagen große Brocken Steine auf der Straße); nach 50 km strömenden Gewitterregens endlich in Messina. Dort Post (ohne Nachricht von zuhause), Benzinkarten kaufen und Kaffeetrinken, auf zur Überfahrt nach San Giovanni. Dies war die ruhigste halbe Stunde auf diesem Boot, in dem zugleich ein ganzer Eisen-bahnzug mitfuhr. Regen und Regen durch Kalabrien über die Küstenstraße. Nach etwa 240 km, wofür wir vier Stunden brauchten, ein geräumiges Autostello in „Cirella“ am Meer gelandet, weite Landschaft, herrliche Straße. Im Süden zeigt sich lichtender Himmel. Ankunft 16 Uhr; wir fuhren noch zum Tal bis Maierä, Zeichnung.

Am 9. 10. Das Autostello in Cirella lag schön am Meer. In der Nacht kam ein stundenlanges Gewitter mit anhaltendem Sturzregen. Vom Eingang überschwemmte unser Schlafzimmer das eindringende Wasser 3—i om hoch. Gunda rettete, was zu retten war. In diesem Klein-Venedig schliefen wir sohlecht. Am Morgen klarte es ein bißchen auf. Wir fuhren die herrlichen Ufer- und Bergstraßen durch Calabrien. Um halb eins in unserem geliebten Paestum. In der Früh noch Regen, aber dann ein herrlicher kühler Sonnentag. Ich zu den wohlbekannten Tempeln zum Malen (2 Bilder gut geworden).

Am 10. 10. fuhren wir bei schlecht werdendem Wetter von Paestum nordwärts. „So weit wir halt kommen“, meinte Gunda. Und dank ihrer Energie und ihrer einmaligen Fahrerkunst fuhren wir in Regen und Nebel in einem grauen Dunst an Sorrent, Neapel, Rom, Florenz, Bologna, Modena vorbei bis Verona. 900 km in 9 Stunden. Dort auch Regen.

Am 11. 10. morgens von Verona nach Bozen, dort bei Pattis zu Mittag gegessen und weiter nach Innsbruck. Grauer Bär, erlöst und glücklich wieder im Lande!

Am 12. 10. nach Salzburg und heute, am 13. 10., schließt mit einem strahlend warmen Herbsttag unsere Sizilienreise.

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