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Bäume: lebenswichtig für das Stadtklima

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Bäume bringen Leben in die Stadt, egal ob sie großen Alleen und Straßen ihre freundliche Note geben oder ob sie frisches Grün in traurige Hinterhöfe bringen. Stadtbäume helfen, unsere Lebensqualität zu verbessern.

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Bäume bringen Leben in die Stadt, egal ob sie großen Alleen und Straßen ihre freundliche Note geben oder ob sie frisches Grün in traurige Hinterhöfe bringen. Stadtbäume helfen, unsere Lebensqualität zu verbessern.

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Wir vergessen jedoch allzu gerne und zu oft, daß wir uns als Gegenleistung um die „Lebensqualität” der Bäume Sorgen machen sollten, wie oft kann man verantwortungslosen Umgang mit Bäumen bei Straßenarbeiten beobachten. Wie oft werden Wurzeln offengelegt, abgerissen oder gebrochen? Immer wieder zieht das Verlegen von Kanälen und Kabelgräben oder das Errichten von Wegbefestigungen und Einfriedungen mit Fundamenten oder Sockeln das Wurzelwerk der Stadtbäume . schwer in Mitleidenschaft.

Ol, Benzin und Waschwasser vergiften den Boden und die darin lebenden Mikroorganismen. Sehr häufig werden die Stämme beschädigt, indem Schilder angenagelt, Lei tun -gen befestigt oder Drähte festgemacht werden. Oft auch wird die Rinde des Baumes wundgescheuert, wenn der Autofahrer absichtlich oder unabsichtlich mit seiner Stoßstange dagegen fährt.

Verletzungen der Bäume werden leider allzu oft ohne entsprechende Wundbehandlung zugestampft oder eingepflastert. Aber selbst kleine Wunden öffnen einem Heer von Eindringlingen wie Insekten oder Fadenwürmern, Bakterien oder Pilzen einen neuen Lebensraum.

Das Holz beginnt unter solchen Umständen zu faulen, der Baum erleidet einen langsamen aber viel zu frühen Tod.

Wenn man sich demgegenüber den unschätzbaren Wert eines Stadtbaumes ins Bewußtsein ruft, so wäre hier ein Nachdenken dringend nötig: ■ Der Stadtbaum ist mehr als nur ein grünes Feigenblatt für städtische Betonwüsten.

■ Stadtbäume sind Staub- und Schad-stoffilter. Ein Kubikzentimeter Stadtluft enthält bis zu vier Millionen feste Staubpartikel, an die sich Schad- und Giftstoffe anlagern. In der Nähe von Parks oder in baumbestandenen Straßen beträgt die Zahl der Staubteilchen nur ein Sechstel der Staubmenge von baumfreien Straßen beziehungsweise Stadtzentren.

■ Stadtbäume verbessern das Kleinklima. Unsere Städte sind bekanntermaßen überhitzt. Im Jahresmittel sind die Stadtkerne 0,5 bis 1,5 Grad Celsius wärmer als das Umland. Im Einzelfall kann die Temperatur im Stadtinneren sogar um zehn bis 15 Grad höher liegen als in Stadtrandgebieten. Eine Grünfläche von 50 bis 100 Quadratmetern senkt die Temperatur an heißen, windstillen Tagen bis zu 3,5 Grad Celsius gegenüber dem anschließenden Häusermeer.

25 Quadratmeter Blattfläche geben an einem Sonnentag ebenso viel Sauerstoff ab, wie ein Mensch pro Tag verbraucht

■ Stadtbäume schaffen bessere Atem-luft. Innerhalb einer Stunde nimmt ein mittelgroßer Baum den Kohlendioxidgehalt von fast 5.000 Kubikmetern Luft auf. Eine Blättfläche von 25 Quadratmetern gibt an einem Sonnentag ebensoviel Sauerstoff ab, wie ein Mensch im selben Zeitraum verbraucht. Eine freistehende Buche hat beispielsweise eine Blattfläche von zirka 1.600 Quadratmetern, das gibt Sauerstoff für mehr als 60 Menschen.

■ Stadtbäume machen froh. Bäume sind wichtig für Psyche und Psychohygiene des Menschen. So zeigen Untersuchungen, daß ein naturarmes Großstadtmilieu bei zirka zwei Drittel der Befragten negative psychische Stimmungen auslöst

Allen diesen Funktionen wird aber nur der einigermaßen intakte Stadtbaum gerecht. Abgase, Staub und Hitze sind auch für Bäume gewaltige Streßfaktoren, die nicht unbegrenzt und ohne Schaden geschluckt werden.

Dazu August Stanzl, Ijeiter des Baumschutzreferates im Wiener Magistrat: „In Wien gibt es seit Juli 1974 das sogenannte „Baumschutzgesetz”, in dem der Wert des einzelnen Baumes heute genau festgelegt ist. In diesem Gesetz heißt es unter anderem, daß das Entfernen von Bäumen immer behördlich bewilligt sein muß. Wer einen Baum umschneidet, muß entweder 8.000 Schilling zahlen oder für einen- Ersatz sorgen. Für jeden Baum mit mehr als 15 Zentimeter Durchmesser, der gefällt wird, muß ein Ersatz gepflanzt werden.”

Außerdem gilt ja nun auch ein grundsätzliches Salzstreuverbot in der Stadt. Bei Infrarotaufnahmen der Wurzeln konnte nämlich festgestellt werden, daß etwa im Bereich von Haltestellen, wo ja besonders viel gestreut werden muß, die Schädigungen am größten waren.

Ein positives Beispiel für Baumschutz ist die Wiener Ringstraße, in der die Gemeinde Wien für Räume ein relativ teures und effizientes Sanierungsprogramm geschaffen hat. Die Alleebäume am Ring werden heute durch eine sogenannte Unterflurbewässerung (das sind unterirdische Tropfschläuche, durch deren Bewässerungsrohre Wasser austreten kann) optimal versorgt und verpflegt.

Die Lebenserwartung von gut versorgten Stadtbäumen kann auf 60 bis 100 Jahre geschätzt werden

Die Lebenserwartung von gut versorgten Stadtbäumen kann auf 60 bis 100 Jahre geschätzt werden. In anderen Stadfalleen, wie zum Beispiel der Praterstraße, wurden äußerliche Beregnungsanlagen angebracht, die den Baum von oben her mit Wasser versorgen. Nach wie vor sind es: Linde, Ahorn und Kastanie, die bevorzugt in Städten zu finden sind.

Es werden aber auch „neue” Baumtypen gepflanzt. Beispiel: In der Hernalser Hauptstraße wird derzeit der gesamte Baumbestand erneuert und mit den sogenannten „Baumhaseln” neu bepflanzt. Schädlingsbefall und Bodenermüdung waren Anlaß. und Grund für diese Erneuerungsmaßnahme.

Im Zuge des neuen Umweltbewußtseins unserer Zeit und im Hinblick darauf, daß der ortsgebundene, wehrlose Baum besonderen Schutzes bedarf, sollten die Bedürfnisse und die Pflege unserer Stadtbäume stets gewissenhaft wahrgenommen werden.

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