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Baukunst, die Räume zum Erlebnis macht

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An der Baukunst kann niemand vorbei.” Wolfgang Kapfhammer, Johannes Wegan und Gert Koßdorff verstehen Architektur als die am meisten erlebbare Kunstform. „Sie kann Menschen motivieren, gesund oder krank machen.” Und so sind auch die Gebäude, die aus ihrem Grazer Büro stammen, nicht irgendwelche Bauten. Die Architekur ist von der Persönlichkeit und vom Werdegang der Architekten nie zu trennen, und in diesem Fall handelt es sich um sehr interessierte, neugierige Menschen.

„Fachtrotteln” waren Wolfgang Kapfhammer, Johannes Wegan und Gert Koßdorff nie. Ersterer veranstaltete Mitte der siebziger Jahre Kreativwochenenden, bei denen Wolle gefärbt, Abfallholzkreuze gebaut, Zelte aufgerichtet, über Menschen-Körper-Tier- oder Gebäudehäute meditiert, nächtliche Lagerfeuer veranstaltet und Dinge gestartet wurden, von denen man in den lifestylegeprägten, emotionsarmen Neunzigern nur träumen kann. Auch Theaterspielen, Malen, Musik machen und Feste feiern gehört zum Standardrepertoire dieser Architektengruppe, deren Markenzeichen es ist, Ausstellungen zu festartigen, kulturellen Ereignissen auszubauen.

Besonders die Eröffnung des Neubaus eines wesentlichen Teils der Grazer Universität blieb Hubert Hoffmann vom Institut für Städtebau und Entwerfen in reger Erinnerung, die meisten Studenten dürften solch eine Art der Präsentation gleichfalls geschätzt haben. Diese rege Anteilnahme an allem, was auf dem Kunstsektor oder zwischen Menschen rundherum vorgeht, führt zu einer umfassenderen Wahrnehmung, bei der Architektur immer beginnt.

„Räume erlebt man.” Wolfgang Kapfhammer denkt an das Elternhaus, den Garten, das kulturelle und räumliche Umfeld, in dem er aufgewachsen ist. Schon hier beginnt Ärchitektur, jede Erinnerung ist eingebettet in ein Raumerlebnis.

Das Grazer Architektenteam hat immer sehr offen gearbeitet: beeinflußt von Le Corbusier, Otto Frey und Conrad Wachsmann, von der Technologiebegeisterung der siebziger Jahre, der Suche nach Strukturen, emotionalen Architekturformen, oder einfach fasziniert, ein neues Material bis an die Grenzen des Möglichen auszureizen, spürt man die Freude am Entwerfen, Suchen und Entdecken der möglichst richtigen Baukunstform in den meisten der realisierten Gebäude. Manchmal waren allerdings aufgrund von fremden Vorplanungen, wie beim Hotel Ta-verna in Budapest oder der UNI-COMBank in Bußland dem Team die

Hände ziemlich gebunden. „Betten, was zu retten ist”, war bei diesen Aufträgen das Motto, doch auch solche Erfahrungen wollen die Architekten nicht missen. Einen Bau unter desolaten russischen Bedingungen anständig zu Ende zu führen, ist gleichfalls eine Leistung. Und das Hotel Balt-schug-Kempinski, ein Umbau, erhielt sogar 1992 den Kunstpreis der Stadt Moskau und stieg zur ersten Adresse für betuchte, stilbewußte Moskau-Reisende auf. Trotz großer Offenheit, einer breit gefächerten Palette verschiedenster Bauaufgaben, die von Wohnbauten, Schulen, Kirchen über öffentliche Bauten bis hin zum Industriebau reicht, und der nie versiegenden Neugier, immer Neues zu entdecken, gibt es im Werk der Architekten gewisse Raumerfahrungen, die sie immer wieder weiterentwickelt, an die neue Situation oder Bauafgabe adaptiert und verbessert haben: das Motiv der allgemein aufschließenden Stiege, die in verschiedener, den Ansprüchen möglichst gerecht werdenden Ausführung meist diagonal durch eine große Halle schwebt, findet sich häufig.

Mit diesem Element spielen die Architekten gerne: so wird die Stiege in der Universität in Graz gleichsam inszeniert: eine Lichtorgel betont sie zusätzlich, und man kann sich eifrige Studiosi in regem Kommen und Gehen animiert plaudernd wunderbar in dieser architektonischen Kulisse vorstellen.

Auch im Styria Verlagsgebäude, das als Industriebau besonderen funktionellen, fertigungstechnischen Abläufen und Ansprüchen zu genügen hat, findet sich eine Stiege als aufschließendes Element in der Mittelachse. Dieses Gebäude, das mit Architekt Gross gebaut wurde, hat 1992 den Staatspreis für industrielle und gewerbliche Bauten in Gold für Industriebauten gewonnen. Das liegt sicher auch an dem fruchtbaren

Dialog, der während der Entwurfsund Bauzeit zwischen dem Verlagsleiter Sassmann und den Architekten geführt worden ist.

Wenn das Verhältnis zum Bauherrn stimmt, wird plötzlich viel mehr möglich: Materialien und Bäume können ausgereizt werden, und das Ergebnis spiegelt diese angenehmen Arbeitsverhältnisse wider. Baukunst ist eben vom Menschen in keiner Phase zu trennen.

„Architektur lebt von den Mäzenen,” meint Wolfgang Kapfhammer humorvoll. Die gab es beim Mitbestimmungsprojekt „Wohnen im Steinbruch Stattegg” natürlich nicht, und in zeit-und nervenaufreibenden Prozessen lernten die Planer vor allem praxisorientierte Soziologie. „Über technische Dinge kann man nicht demokratisch abstimmern,” lautet das Besümee dieses Pilotversuchs, der für die Architekten trotz allem eine interessante, positiv emanzi-patorische Erfahrung darstellte.

Das Endergebnis ist eine baubiologische Wohnanlage, die Menschen sicher nicht krank werden läßt. Und dieses Resultat läßt auch den teilweise ermüdenden Planungsprozeß, bei dem „man den Bleistift nicht mehr aus der Hand gibt” leicht vergessen. Welches von ihren „Kindern” haben die Baukünstler nun, nach dreißig Jahren Tätigkeit am liebsten? „Das jüngste”, ist die spontane Antwort, doch dann wird man den „älteren” auch gerecht. Ein Gebäude, das nach mehreren Jahren immer noch angenehm sympathisch, und nicht unpraktisch oder altmodisch geworden ist, hat seine Feuerprobe bestanden.

Die Landwirtschaftliche Fachschule in Stainz, die 1966 den 1. Preis bei einem Wettbewerb gewonnen hatte, gefällt Architekt Kapfhammer auch noch nach dreißig Jahren.

Auch das mit Partner Wegan 1971-73 gebaute römisch-katholische Seelsorgezentrum in Graz-Kroisbach zählt nach der geschätzten Meinung des renommierten Architekturkritikers Friedrich Achleitner zu den bemerkenswertesten Kirchen dieser Zeit.

Der Umbau der Landwirtschaftlichen Fachschule in Bründl, St. Martin, Graz markiert einen damals noch neuen Trend: er ist einer der ersten Umbauten, der es wagt, etwas deklariert Neues in alte Bausubstanz zu stellen.

Im Baujahr 1980 haben die Architekten damit einen radikalen Weg beschritten. Blättert man das Buch „30 Jahre Kapfhammer-Wegan-Koß-dorff” (Verlag Styria) durch, scheint das Trio unter einem sehr guten Stern zu stehen: gewonnene Wettbewerbe, Preise und Auszeichnungen pflastern den Lebensweg dieser Architekten. Scheinbar setzt sich die ehrliche Suche nach dem richtigen Baum für den richtigen Ort, die zu einem gesunden, zufriedenen Menschen führt, doch durch.

Für die Zukunft befürchten Kapfhammer-Wegan und Koßdorff allerdings aufgrund immer schnellerer Planungs- und Bauzeiten, daß die Maschine sich-zumindest beim Bauen in den Vordergrund drängt. „Pragmatiker gewinnen die Oberhand. Die raschen Bauzeiten korrumpieren das Nachdenken.” Daß das Grazer Architektentrio weiterhin auf soziale und geistige Konzepte setzen wird, versteht sich.

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