Bauten für die Menschen – zeitlos gültig

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Vom Sessel bis zum Städtebau: Roland Rainer plante in jeder Dimension mit derselben Sorgfalt. Am 1. Mai wäre er hundert geworden – seine Ideen sind immer noch jung. Stets war der Mensch im Mittelpunkt. Bis heute blühen seine Gartenstädte von Linz bis St. Pölten. Öffentliche Bauten wie das ORF-Zentrum schrieben Architekturgeschichte.

In Wien war die Hochhausdebatte gerade am medialen Gipfel, die freie Journalistin wollte für die FURCHE ein Interview mit Roland Rainer führen. Der Architekt war stets zuvorkommend, als Autorität unangefochten und ein Verfechter des verdichteten Flachbaus. Der Besuch im Atelier verlief nicht wie erwartet, Rainer musste ins Krankenhaus. Kurz darauf erreichte sie frühmorgens im Bett ein Anruf, der Professor persönlich, direkt aus dem AKH. Das Interview erfolgte sofort und telefonisch, drehte sich um Hochhäuser und städtebauliche Grundsatzfragen, wurde in der FURCHE gedruckt und ist in seinem letzten Buch „Das Werk des Architekten 1927–2003“ nachzulesen. Es erschien im Springer-Verlag und bündelt die Essenz eines erfüllten Architektenlebens auf 255 Seiten. „Vom Sessel zum Stadtraum: geplant errichtet verändert vernichtet“: Der kritische Untertitel verweist auf verunglückte Umbauten (die Bremer Stadthalle), aber auch auf die Sorgfalt, die Rainer jeder Bauaufgabe angedeihen ließ. „Der Sessel ist die Erholung von der Strenge der Architektur durch die Hingabe an das, was das Leben verlangt.“

Roland Rainer wurde am 1. Mai 1910 in Klagenfurt geboren, studierte an der Technischen Hochschule in Wien, war Architekt mit Leib und Seele und ein begnadeter Fotograf der eigenen Bauten. So nahm er den abgetreppten Weg der Ökosiedlung Mannersdorf (1951), den Garten vor einem Wohnzimmerfenster der Siedlung „am Maurerberg“ (1962–63), das Sommerhaus im Römer-Steinbruch (1957) auf, als die Bäume in voller Blüte standen. Auf seinen Bildern werden das einfallende Sonnenlicht und die umgebende Landschaft zu Hauptprotagonisten einer Architektur, die am Menschen und seinen Bedürfnissen Maß nimmt.

Kinder, Bäume, Gemeinschaft

Rainer baute im Einklang mit der Natur, weil es ihm richtig schien und wurde so zum Pionier ökologischen Bewusstseins. Das äußert sich auch im Bekenntnis zum verdichteten Flachbau. Er plante Wohnungen mit eigenen geschützten Freiräumen und lichtdurchfluteten Zimmern, die keinem Nachbarn in der Sonne stehen und auf vielschichtige Weise miteinander und ihrem Umfeld in Beziehung treten. Hier können Kinder unbesorgt spielen, Bäume und Gemeinschaft wachsen.

Die Gartenstadt Linz-Puchenau wurde zwischen 1965 und 2000 in mehreren Etappen realisiert. 1965 stellte man möblierte Haustypen aus, zu denen das Publikum befragt wurde. Später konnten Besucher zu sechs weiteren möblierten Musterhäusern mit Gärten ihre Meinung abgeben. Dieses Feedback floss in die Planung vieler Grundrisse ein. Der Kosmos Linz-Puchenau besteht aus 984 Wohnungen, Fußwegen, Plätzen, Parks, Kindergärten, Schulen und einer Kirche. Einige leben dort schon in dritter Generation glücklich. Rainers Bebauungsstudie für Linz-Pichling bildete die Basis für die heutige „solarCity Pichling“. Er publizierte und lehrte viel, war Mitglied des CIAM Austria, leitete eine Meisterklasse an der Akademie der Bildenden Künste in Wien und war von 1958–63 als Stadtplaner von Wien tätig. Beide Töchter, Eva Rubin und Johanna Rainer, sind Architektinnen. Mit Johanna Rainer und dem Büro Wallner & Partner realisierte er seinen letzten Bau: die „Rainer Siedlung“ in St. Pölten, eine blühende Gartenstadt an der Traisen (2003–2005).

Repräsentation, Kommunikation, Technik

„Ein Meisterwerk“, urteilt Johanna Rainer über das ORF-Zentrum (1968–76) am Küniglberg. Das Flaggschiff des heimischen Fernsehens bringt mit seinem Wasserbecken, den Atrien, viel Aussicht und technischer Infrastruktur den damaligen Aufbruchsgeist auf den Punkt und bildete die perfekte Symbiose aus Repräsentation, Kommunikation und Technik. Heute ist es ein Sanierungsfall unter Denkmalschutz. Die Zukunft wird zeigen, wie sehr man es schätzt. Der Wiener Stadthalle (1954–58) wurde ein neuer Zubau von Dietrich Untertrifaller beigestellt. Das Stadthallenbad (1971–74) wird nun von Georg Driendl saniert. Er ist ein Schüler Roland Rainers. „Mich hat immer seine Polarität sehr fasziniert: einerseits diese Einfachheit beim Bauen, wo es dem Menschen dienlich ist, also beim Wohnen“, so Driendl „Dann gibt es aber auch die andere Seite, wo das Spektakel beginnt. Also Kirchen, Museen, Stadthallen. Wo die Notwendigkeit einer Architektursprache besteht, hat er einen expressiven Ausdruck für die Form gefunden.“ Am Stadthallenbad beeindruckt Driendl, wie unproblematisch es zu adaptieren ist. „Es lässt sich mit wenigen Eingriffen in ein hypermodernes Bad verwandeln. Auch die Stadthalle ist phänomenal. Die funktioniert nach 50 Jahren wie am ersten Tag.“

Am 1. Mai gibt es in der MAK-Säulenhalle ein Fest für Roland Rainer. Carl Pruscha, Friederike Mayröcker und viele Wegbegleiter werden seinen hundertsten Geburtstag feiern.

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