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Bildung: Konzept und Bedarf

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Österreich er sucht mehr Akademiker — diese Forderung ist avium su einer selbstverständlichen Feststellung geworden, Br, Johann Jfehtuabl untersucht in einem leitrag, ob es genügt, ein langfristige Bildimqskonzppt allein aufndieser Feststellung 8 errichten. * *

In der nationaiekohomischen Wachstumstheorie gibt es neben der anbetserientiierten Richtung die meineg Eraehtens zuwenig beachtete ergänzende, naehfrageerien tierte Richtung! Die Wirksamkeit der unter Aspekten der Wachstufflgför-derung getroffenen Maßnahmen, etwa der Investition, hängt nicht aliein vom Dargebet an sachlicher und humaner Kapazität ab, sondern auch davon, wieweit die zusätzlichen Kapazitäten gefragt werden und die vergenommenen Investitionsaufwendungen nicht nur technisch, sondern auch ökonomisch Wirksam sind.

Die Investitionen im Bereich der beruflichen Ausbildung müssen unter ähnlichen Aspekten gesehen werden wie die nur-technischen Investitionen in der Regien der unmittelbaren Produktion. Die Organisation der Bildung auf der Ebene einer wissensehafifllehefl Hochschule kann daher nicht als eine Bildung an sieh, als eine Produktion für einen unbekannten „Markt“, verstanden werden, sondern nur als Ausbildung für einen abgefrenaten Berufs-bereieh. Die Nachfrage nach Akademikern erfolgt nicht auf einem abstrakten Markt, sondern auf einem fachlich begrenzten Tellmarkt. Die vom UnteMehtsministertum aufgenommene Forderung der Rekteren-konfereng nach einem öenemVplm für den Augbau der Hochschulen nimmt daher nicht so sehir auf regionale, senaem mehr auf fachliche Gesichtspunkte und auf den Bedarf an Akademikern, Bedacht,

Wenn von „Plan“ die Rede ist, soll darunter nicht eine direkte Lenkung der Studierwilligen verstanden Werden, sondern eine selektive Förderung von Studienrichtungen und Institutionen Wie sie die französische Pianiflkatien für die Wirtschaft versieht,

Die Hochsehüipianung muß auf den Künftigen Bedarf an Akademikern bezogen sein. Daher sind die

Planer mit sequentiellen Entschei dungspreblemen befaßt, glelehiedtig aber mit dem Problem der Fragwürdigkeit auch kurzfristiger Prognosen und mit der Tatsache, daß viele Prognosen die Naehfragesituatiön der Hochkonjunktur zur Grundlage haben, in der Akademiker auch außerhalb ihres erlernten Berufes angemessene Beschäftigung finden,

In einer Art von Kanungseuphorle wird heute von nicht Wenigen daven ausgegangen, daß unsere Gesellschaft jederzeit in der Lage sein werde, das Anbet an jungaka-demikern, wag immer sie an akademisch-beruflichem Wissen vorzuweisen haben, 'aufzunehmen. Nun iind aber die Anbetsstrukturen, die von Hochschulen heute geschaffen werden, einigermaßen auf die vor hersehbaren Nachfragestrukturen von morgen abzustellen.

• Die Verwissenschaftlichung der wirtschaftlich-administrativen Prozesse und der Anstieg des durch-echnlttlichen Realeinkommens (mit der Vermehrung der Nachfrage nach qualitativen Dienstleistungen) läßt einen permanenten Anstieg der Nachfrage nach Akademikern vermuten, nicht aber einen gleichförmigen Nachfragezuwachs. In einzelnen Sparten stagniert die Nachfrage oder bildet sich zurück. Über diesen Sachverhalt kann uns auch eine Scheingenauigkeit mancher Prognosen nicht hinwegtäuschen. Die vor einiger Zeit veröffentlichten Untersuchungen des Unterrichtsministeriums (Abteilung MR Dr. Novotny), die den international bekannten Nationalökonomen Dr. Steindl zum Autor haben, zeigen uns jedenfalls, daß der Bedarf an Diplomingenieuren, Lehrern an Höheren Schulen und an Betriebswirten ganz beachtlich steigen wird (von 1961 bis 1980 um zirka 34.000), wobei die Ausbildung der Ingenieure und Lehrer die Errichtung neuer Studienstätten erforderlich macht, während für die Heranbildung der Betriebswirte die bereits vorhandenen Hochschulen völlig ausreichen.

• Die Hochschulplanung muß nicht nur auf die Entwicklung der Nachfragestrukturen Rücksicht nehmen, sondern auch auf die Studienbeddn-gungen bei Fachgruppen, für deren Abgänger ein relativ gleichbleibender Bedarf besteht: Bei den Medizinern gibt es noch immer unwürdige Kämpfe um Arbeits- und Hörplätze. Von einer optimalen Kooperation zwischen Lehrenden und Lernenden kann keine Rede sein. Daher sollte nicht allein der künftige Bedarf an Absolventen, sondern auch der relative Belag der Hochschulen geprüft werden, der bei den Sozialwissenschaften, deren Studium in einer vorbildlichen Weise neugeordreet wurde, einer der Beweggründe für die nun beendete regionale Dezentralisierung gewesen Ist.

• Eine ernste Betrachtung verdient die progressive Überfremdung unserer Wirtschaft, deren Folgen von Interessenten und honorierten Literaten verniedlicht werden. Für den Arbeitsnuarkt der Akademiker ist die Überfremdung eine exogene Größe, die nicht übersehen werden darf. Die ausländischen Unternehmungen besetzen die Führungsspitzen fast ausschließlich mit Angehörigen des Eigentümerlandes. Professor Simons (Manchester) errechnete, daß von 3733 Führungskräften der 150 im Ausland angesiedelten US-amerikanischen Großkonzerne nur 59, das sind 1,6 Prozent (!) Einheimische, also „Eingeborene“, sind. Die niederen Dienste dürfen freilich die Einheimischen versehen. Das bedeutet aber: Gerade jene Posten in der sogenannten Privatwirtschaft, welche überwiegend von akademisch Gebildeten besetzt werden, bleiben für Ausländer reserviert. Die von seiten der Regierung und der Gremien der Selbstverwaltung der Wdrtschaft zumindest geduldete, wenn nicht geförderte Überfremdung (die nichts mit einer internationalen Arbeitsteilung zu tun hat) erweist sich auch als eine Überfremdung des Arbeitsmarktes der Akademiker und ist geeignet, deren Deklassierung oder ihre Auswanderung zu beschleunigen. In der BRD sind bereits 85 Prozent der Büroelektronik und 50 Prozent der Mineralölwirtschaft in den Führungsspitzen den Einheimischen weitgehend verschlossen. In Österreich liegen die Verhältnisse noch schlechter und werden lediglich durch ein Verschweigen der Verantwortlichen überdeckt. Denn zur Überfremdung kritisch Stellung nehmen wäre gleichbedeutend mit Nationalismus. Auf diesen haben nur die Großen einen Anspruch ... • Für die Nachfragestruktur bei Akademikern sind im Bereich der Administration vor allem die Dienstpostenpläne der Gebietskörperschaften von Bedeutung. Von den sieben Studienrichtungen, welche nunmehr im Bereich der Sozialwissenschaften eingeführt worden sind, sind sechs auf die Administration bezogen. Vorläufig läßt aber — von einzelnen Hinweisen des Kanzleramtes abgesehen — nichts darauf schließen, daß der Staat mit gutem Beispiel vorangehen will und in Hinkunft jenen Studenten, deren Ausbildung er nachdrücklich gefördert hat, ausreichend Posten anbieten wird.. Man darf nur hoffen, daß sich die Tragödie mit den Diplomkaufleuten nicht wiederholt und weiterhin Posten im öffentlichen Dienst, die von Sozialwissenschaftlern besetzt werden müßten, von solchen eingenommen werden, die sich ihr fachliches Wissen erat im Beruf aneignen müssen. • Die neuen Studienrichtungen der Sozialwissenschaftler sehen eine Zweiteilung des Studiums in ein praktischwissenchaftliches

Magisterstudium und in ein abstrakt-wissenschaftäiches Studium (Doktoratsstudium) vor. Noch sind keine Anzeichen vorhanden, daß die weise Selbstbeschränkung der Hochschulen, die nicht jeden Studenten bis zum Doktorat führen wollen, auch von der sogenannten „Praxis“ in entsprechende Maßnahmen übersetzt wird. Das gilt wieder für den öffentlichen Dienst. In drei Jahren werden die ersten Sozialwissenschaftler, mit dem Titel eines Magister rer. soc. oec. — als Voll-akademiiker — dekoriert, die Hohen Schulen verlassen. Werden die Behörden die neuen Magister mit dem Hinweis erwarten, daß sie erst dann im öffentlichen Dienst auf volle Klassifikation als Akademiker rechnen können, wenn sie auch das Doktorat vorweisen? Ein Doktorat, dessen Erwerb bei den Sozialwdssen-schaftlern außerordentlich schwierig und für die Ausübung eines praktischen Berufes nur in wenigen Fällen sachlich notwendig sein wird.

Die Errichtung und Förderung von Hochschulen sollte nicht allein auf Grund enthusiastisch formulierter Kalküle erfolgen oder weil Bildungsplanung eben jetzt große Mode äst, sondern auch die Entwicklung des spezifischen Arbeitsmarktes der Akademiker beachten. Nichts wäre gefährlicher als eine Schichte von Akademikern im Land, die unterhalb ihres Bildungs- und Ausbildungsniveaus beschäftigt und schlechter bezahlt ist als Hilfsarbeiter. Die politischen Krisen nach dem ersten Weltkrieg waren nicht nur ein Reflex der allgemeinen wirtschaftlichen Depression, sondern auch der besonderen Notlage der jungen Akademiker, die sich schließlich in einer Flucht nach vorne in den untersch i edlichen Radikalismen engagierten. Die Verhältnisse in den sogenannten jungen Staaten zeigen uns, wie sehr qualitativ unterbe-. schäftigte Akademiker, wenn sie nicht in Resignation absinken, geeignet sind, den Verhaltensstil der Politik ungünstig zu beeinflussen und das Eingreifen des Militärs zu provozieren. Im Einzelfall aber ist ein akademisches Studium, dem kein angemessener Bedarf entspricht, auf der einen Seite eine Fehlinvestition und auf der anderen Seite eine psychologische Hypothek, an der ein Akademiker fur die Dauer seines Lebens zu tragen hat.

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