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Das künftige Stadtbild Wiens

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Nunmehr ist der dritte Wettbewerb, den die Stadtverwaltung Wiens zur Erlangung geeigneter Entwürfe für den Wiederaufbau unserer Stadt ausgeschrieben hatte, abgeschlossen, und seine Ergebnisse sind in einer Ausstellung im großen Saale der Wiener Börse der Öffentlichkeit zur Schau gestellt.

Dieser Wettbewerb hat weitaus wertvollere Ergebnisse gebracht als seine beiden Vorgänger, vor allem deshalb, weil die teilnehmenden Archtitekten viel freier gestalten konnten, da ja in einem reinen Ideenwettbewerb der künstlerischen Gestaltungskraft nur die durch das Terrain erzwungenen Grenzen gesetzt sind. Das wichtigste Ergebnis dieses Wettbewerbes aber ist zweifellos die Feststellung der Jury, daß grundsätzlich an einer völligen Neugestaltung der beiden Kanalufer zwischen Aspern- und Augartenbrüc k e festgehalten werden solle, da nur diese neuzeitlichen Ansprüchen genügen könne, sowie daß der Donaukanal seinen unschönen Kanalcharakter verlieren und durch stellenweise Erweiterungen zu einem brauchbaren Verkehrsweg und zur Verschönerung des Stadtbildes umgestaltet werden olle. Ähnliche Forderungen wurden ja kürzlich in diesem Blatte ausgesprochen, weil nur dadurch eine alte städtebauliche Sünde wieder gutgemacht werden kann. Dem Preisgerichte, das acht Arbeiten mit je 500Ö Schilling prämiierte, gehörten unter dem Vorsitze des Bürgermeisters Dr h. c. Körner die amtsführenden Stadträte Novy und Rohrhofer, Prorektor Hofrat Dr. Holey, Universitätsprofessor Dr. Dagobert Frey, Professor Architekt R. Boltenstern, Ingenieur Dr. Kupsky der Technischen Hochschule sowie Stadtbaudirektor Ingenieur Gundacker an, zu denen sich der bekannte Züricher Architekt und Städtebauer Professor Hans Hofmann gesellte, dessen Mitwirkung besonders zu begrüßen war, weil mit ihm ein Fachmann von internationalem Rufe seine große Erfahrung in den Dienst dieses wichtigen Wettbewerbes stellte.

Obwohl die acht ausgewählten Arbeiten mit gleichen Preisen dotiert wurden, hat die Jury doch eine Reihung vorgenommen, der man fast vorbehaltlos beistimmen kann. Der Wert dieses Ideenwettbewerbes liegt vor allem darin, daß in vielen — auch den nichtprämiierten Entwürfen — eine Fülle guter und brauchbarer Ideen zu finden ist, die für die künftige Planung“dieses Baugeländes gute Anhaltspunkte liefern können.

Die Jury hat als städtebaulichen Grundgedanken festgehalten, daß das linke Donaukanalufer in das eigentliche Bild der City einbezogen werden soll, besonders dadurch, daß die Ringstraße, die bisher ein Torso geblieben ist, über breite Brücken auf das jenseitige Ufer weitergeführt und abgeschlossen wird. Dieser Gedanke bedingt es, daß das linke Kanalufer für die großzügige Planung eines neuen Stadtviertels freigelegt werden muß. Während am oberen Ende des Kais der Blick in die freie Landschaft mit Leopoldsberg und Kahlenberg erhalten bleiben soll, ist an der Einmündung der Ringstraße am Aspern-platz ein stark betonter Abschluß durch ein imposantes Bauwerk notwendig, das die anzustrebende Einheit beider Ufer augenscheinlich macht. Drei große Fahrbrücken in den Verlängerungen der Ringstraße sowie in der Achse der Rotenturmstraße würden den Durchgangsverkehr zeitgemäß regeln, während für den Fußgängerverkehr schmale Überquerungen genügen würden.

Zuglcch wäre auch an eine Sanierung und geringfügige Auflockerung der Altstadt zu denken, zum Beispiel im Griechenviertel und bei der 'Ruprechtskirche, wobei an dem intimen Grundcharakter dieser Stadtteile festgehalten werden muß; besondere Rücksiditnahme ist auch auf die herrliche Kirche Maria am Gestade zu nehmen, deren ruhige Umgebung gewahrt bleiben soll.

Natürlich ist diese großzügige Planung nicht in den nächsten Jahren durchzuführen, sie bedarf entsprechender Vorbereitung rechtlicher und finanzieller Art; aber man weiß nun doch, wie sie aussehen dürfte, und kann daher bei jedem Bauvorhaben in diesem Gebiete darauf Rücksicht nehmen, daß sich der Neubau in das geplante Stadtbild harmonisch einfügt. Durch Wegräumung zerstörter Baulichkeiten an den beiden Ufern, durch Planierung des Grundes und Bepflanzung mit Rasen und Bäumen kann gleichfalls wertvolle Vorarbeit für die Zukunft geleistet werden.

Den von der Jury festgelegten städtebaulichen Grundgedanken kam das Projekt der Linzer Architekten Dr. Matthäus Schlager und Hans Steineder am nächsten, das sich durch eine überzeugende Gesamtgestaltung mit fruchtbaren und entwicklungsfähigen Ideen auszeichnet. An zweiter Stelle wurde der Entwurf einer Arbeitsgemeinschaft der Wiener Architekten Herbert P r e h s 1 e r, Richard Winkler und Max O p r a v i 1 ausgezeichnet. Hier fallen besonders reizvolle Lösungen der Gestaltung des Griechenviertels und der Umgebung der alten Kirchen auf, sowie der gute Gedanke, auf den Baugründen der stark beschädigten Roßauer Kaserne, der Polizeidirektion und des Tandelmarktes ein Hochschulgebäude zu errichten. Der dritte Entwurf des Architekten Karl L a c h n e r zeigt gute Altstadtlösungen, während der nächste Preisträger Architekt Egon F r i-d i n g e r den ansprechenden Vorschlag macht, an Stelle der Roßauer Kaserne das dringlich notwendige Städtische Museum zu erbauen. In diesem Projekt ist auch die Verbreiterung des Donaukanals recht glücklich gelöst. Die Wiener Architektin Eugenie Pippal-Kottnig sieht als nächste Preisträgerin eine Ausweitung des Donaukanals zwischen Augartenbrücke und Brigittabrücke mit Anlage eines Freibades vo-. An sechster Stelle wurde das Projekt des Haller Architekten Lois Welzenbacher vorgeschlagen mit interessanten Möglichkeiten einer modernen Neuplanung, die jedoch die realen Gegebenheiten der vorliegenden Aufgabe nicht genügend berücksichtigt. Im Entwurf des Wiener Architekten Albert Hein herrscht das Bestreben vor, die Schönheit des Flußlaufes für das Stadtbild zur Geltung zu bringen, auch das Altstadtviertel wird mit großem Verständnis behandelt Der letzte Preisträger Architekt Rudolf Weiß aus Kaltenleut-geben bringt eine einheitliche architektonische Gestaltung des Donaukanalraumes mit Monumentalbauten.

Im großen und ganzen muß gesagt werden, daß man seine helle Freude haben kann an dem großen Können und der baukünstlerischen Phantasie fast aller 38 Teilnehmer an diesem Wettbewerbe, die, wie schon die Preiszuerkennung verrät, sich aus den verschiedensten Teilen unseres Vaterlandes rekrutieren und die so viel Idealismus an diese Aufgabe gewendet haben, daß man aufrichtig bedauern muß, daß nicht mehr Preise zur Verfügung standen, um auch weitere Teilnehmer, wenigstens für verschiedene gute Teillösungen, durch Preiszuerkennungen auszeichnen zu können.

Jedenfalls ist mit diesem Ideenwettbewerb ein wichtiger, Sdiritt vorwärts getan worden. Zumindest hat er dem Gedanken zum Durchbruche verholfen, daß in der gegenwärtigen Lage mit Teillösungen nichts getan ist, sondern daß eine großzügige Stadtplanung einsetzen muß, die nicht nur auf einzelne Stadtteile beschränkt sein darf, sondern das gesamte Gelände zwischen Innerer Stadt und Donau umfassen, gleichzeitig aber auch die südlichen und westlichen Stadtgebiete auflockern und neugestalten muß.

Wien hat jetzt eine Chance zur großzügigen Gestaltung seines Stadtbildes, die mindestens ebenso groß ift -wie zur Zeit des Falles der Stadtmauern und der damit verbundenen Ausgestaltung der Ringstraße. Daß Österreich die schöpferischen Kräfte für diese große Aufgabe besitzt, hat dieser Wettbewerb von neuem bewiesen. Es kommt nur darauf an, sie auch zu nützen.

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