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Der Süd-Ost-Bahnhof, Planung und Fehlplanung

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Sehr geehrter Herr Minkrterl

Sie haben am 9. März in der Wiener Akademie der bildenden Künste eine Ausstellung der Wettbewerbsentwürfe für den von Ihnen geplanten Wiener Süd-Ost-Bahnhbf eröffnet. Gestatten Sie einem Wiener, drmi SteÄang zu nehmen.

Wie die Ausstellung zeigt, wurden vor rund 110 Jahren auf dem,freien Feld vor der Belvederelinie zwei Bahnhöfe erbaut, der erste für die Brucker Bahn, in radialer Richtung von der Stadt wegstrebend, der zweite senkrecht dazu für die Gloggnitzer Bahn, die in tangentialer Richtung den damaligen StacJtrand begleitete. Vor 80 Jahren wurden beide Bahnhöfe, dem erweiterten Verkehrsnetz der Monarchie entsprechend, umgebaut und, dem Zeitgeschmack entsprechend, mit prächtigen Empfangsgebäuden im Tempelstil versehen. Vor 60 Jahren wurde die Verbindungsbahn erbaut, die den Ostbahnhof unterquert. In den folgenden Jahrzehnten blieben diese drei Anlagen im wesentlichen unverändert, nur das Häusermeer, das inzwischen inner- und außerhalb der neuen Gürtelstraße angewachsen war, wurde dichter. Während der Fernverkehr durch das Heranrücken der neuen Grenze Österreichs in die 60-km-Entfernung absank, schwoll der Innenverkehr der Stadt durch Straßenbahn und Auto gewaltig an. Während aber die radiale Trasse der Ostbahn diesen Stadtverkehr in keiner Weise behinderte, wurde der tangentiale Damm der Südbahn zu einem Stauwehr, an dessen wenigen Schleusen (Südtiroler und Matzleinsdorfer Platz, Philadelphiabrücke) sich gefährliche Verkehrsstrudel bildeten.

Die Verbindungsbahn erwies sich bald als Fehlplanung: statt mehrerer Radiallinien hatte man eine Rundlinie erbaut, nach welcher kein Bedürfnis bestand. Sie geriet in Vergessenheit. Im Jahr 1945 wurden alle sieben Wiener Kopfbahnhöfe zerbombt und damit die längst erwünschte Möglichkeit zu einer Neuordnung des chaotischen Verkehrsnetzes gegeben.

Pur diese Neuordnung im großen lagen zahlreiche Projekte sowohl in Ihrem Ministerium wie auch im Planungsamt der Stadt Wien. Weitere Vorschläge wurden veröffentlicht, darunter auch vom Verfasser*. Die Aufgabe war folgende: Der Ha 19. Jahrhundert in sieben Kopfbahnhöfe zerteilte Fernverkehr wer außerhalb der Stadt zu sammeln und gebündelt in eine oder zwei von den alten Bahnhofsanlagen zu leiten. Die frei werdenden übrigen Geleise waren dem Nahverkehr durch die elektrisch Stadtbahn beziehungsweise Schnellbahnen zu überlassen, damit die städtebauliche Hauptaufgabe in Wien billig gelöst werden kann: die Errichtung gesunder Neusiedlungen im Grünen und die Verbindung solcher bestehender Siedlungen mit der Stadt, die jetzt nur durch stundenlange Straßenbahnfahrten erreichbar sind (Möd-lffeg, Aspern...!). Solange solche radiale Schnellbahnen nicht bestehen, werden auch die künftigen Wiener in den arten Zinskasernen vegetieren!

Im Falle des Süd- und Otrtbahnhofes war die Aufgabe denkbar einfach: die von Stadlau, Bruck an der Leitha, Pottendorf und Baden gegen Wien ziehenden Geleise waren in Simmering zu sammeln und vereint bis zum Kopfbahnsteig eines neuen Süd-Ost-Bahnhofes auf dem Baugrund des alten Ostbahnhofes zu leiten. Eine neue Verbindungskurve südlich von Mödling und die Südbahnzüge können über das Aspanger Geleise nach Simmering fahren, das alte Südbahngeleise von Mödling über Meidling bis unter den neuen Süd-Ost-Bahnhof (Station Arsenal) wird für den elektrischen Schnellbahnverkehr frei, und diese Züge körinen über Hauptzollamt und Nordbahnhof nach Floridsdorf fahren; im Bahnhof Hauptzollamt kann man auf die bestehende Stadtbahn umsteigen; baut.man noch die Stadtbahn von der Gumpendorfer Straße bis zum Wiedner Gürtel aus (die Projekte dafür hat der Leiter der Stadtplanung, Prof. B r u n n e r, soeben fertiggestellt), dann ist auch die notwendige kurze Stadtbahnverbindung zwischen Süd-Ost- und Westbahnhof hergestellt. Das neue Aufnahmsgebäude könnte, bis diese Bauten durchgeführt sind, die Form einer einfachen Holzhalle haben, sobald wir es uns leisten können, wäre dann ein neuer Süd-Ost-Bahnhof zu errichten. Seine Gesamtanlage wäre sehr einfach: vor dem Kopfbahnsteig eine Empfangshalle mit den dazugehörigen Räumen, vor der Kopffront die Schleifen der Straßenbahnen, an den beiden Längsseiten die Autozufahrten, alles in gehöriger Entfernung von der GÜTtelstraße mit ihrem bahnfremdsn Durchzugsverkehr.

Diese Lösung würde eine Kettenreaktion weiterer günstiger Möglichkeiten nach sich ziehen: die Südbahnhalle wird für die Bahn entbehrlich und könnte zum Beispiel den Naschmarkt aufnehmen, der seinerseits wieder der Wientalstraße den Plate freigibt. Wird die Stadtbahn am Wdedner Gürtel schrittweise in den beim Arsenal beginnenden Einschnitt verlegt, dann kann der gesamte Südbahndamm mindestens bis zum Frachtenbahnhof abgetragen werden, die Staumauer fällt samt ihren Schleusen, am Südtiroler und Matzleinsdorfer Platz können Kreisverkehre eingerichtet werden, und die von Prof. Brurmer geplanten Unterführungen werden unnötig. Der zehnte Bezirk könnte eine neue schöne Stadtfront hinter Vorparks bekommen und würde von dem Odium der „üblen Viertel hinter dem

Bahnhof“ befreit. Zwei große Zubringerstraßen zur Autobahn könnten später nahe dem Süd-Ost-Bahnhof “und nahe dem Reumann-Hof nach Süden geführt werden.

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