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Der Weg zum Europäer und Weltbürger

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„Die eine Welt und Europa” -so lautet der Titel der Salzburger Hochschulwochen, die heuer von 24. Juli bis 5. August stattfinden.

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„Die eine Welt und Europa” -so lautet der Titel der Salzburger Hochschulwochen, die heuer von 24. Juli bis 5. August stattfinden.

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Altbundeskanzler Ignaz Seipel in Wien, Landeshauptmann Franz Rehrl in Salzburg, Kardinal Friedrich Gustav Piffl, Erzbischof von Wien, Erzabt Petrus Klotz - die Liste der „Protektoren” der ersten „Salzburger Hochschulwochen” vom 3. bis 22. August 1931 liest sich wie das Personenverzeichnis einer „Geschichte und Kirchengeschichte der Gegenwart”. Dem damaligen Präsidium stand Ignatius Rieder, Fürsterzbischof von Salzburg und Primas von Deutschland, vor.

„Ein Engländer sprach in tadellosem, wenn auch merkwürdigerweise leicht sächsisch gefärbtem Deutsch auf österreichischem Boden über den großen christlich-abendländischen Dichter Italiens”, schrieb Balduin Schwarz, ehemals Professor für Philosophie an der Universität Salzburg, in seinen „Erinnerungen an die frühen Jahre der Salzburger Hoch-schulwochen”. Der „abendländische Charakter” der Hochschulwochen, den Balduin Schwarz so erfreut etwa darin realisiert sah, daß in Salzburg Professor Bullough aus Cambridge über „Dante und die europäische Kultur” sprach, ist den Hochschulwochen nicht nur erhalten geblieben, er hat sich inzwischen zu einem geradezu „internationalen Charakter” weiterentwickelt. Wie erfreut wäre Professor Schwarz wohl zu hören, wie heuer Francis Xavier DnSa aus Indien über ein „Weltethos aus Beligion” oder der aus dem Kamerun gebürtige Sozialwissenschafter Bonny Duala-M'bedy über „Menschenrechte — ein europäischer Export?” spricht.

Ein Systemanalytiker auf dem ehrwürdigen Podium der ehemaligen Benediktiner-Universität? Auch das ist möglich: Wolfgang Lutz wurde in Bom geboren, hat in München, Wien und Helsinki Philosophie, Theologie und Statistik studiert, an der Univer-sity of Pennsylvania promoviert und sich an der Universität Wien habilitiert. Heute ist Lutz Leiter des „Population Project” am „Internationalen Institut für Systemanalyse” in La-xenburg. „Internationaler” und „interdisziplinärer” kann ein Hoch-schulwochen-Beferent wohl kaum mehr gewünscht werden.

Ein weiteres „Kennzeichen” der frühen Hochschulwochen war für Balduin Schwarz eine religiöse Erneuerung, getragen vor allem von der

„liturgischen Bewegung”. Die allmorgendliche „Missarecitata” sei für „damalige liturgische Gewohnheiten 'eine unerhörte Neuerung”, liest man in Schwarz' Erinnerungen.

Das dritte „Kennzeichen” war eine „kulturell künstlerische Note”, die sich ebenfalls halten konnte - denn nicht nur die „Hochschulwochen”, auch die „Festspiele” blicken auf eine lange - mittlerweile 75jährige - Geschichte zurück. 1931 wurden besonders viele sakrale Werke aufgeführt. Schon damals wurde von den Organisatoren Mitarbeit bei der „Kartenbeschaffung” angeboten. In das kulturelle Rahmenprogramm der ersten Huchschulwochen gehörte eine Ausstellung von „Handzeichnungen deutscher und italienischer Meister des 16. bis 19. Jahrhunderts” im Ständesaal der Landesregierung.

Bemühen um katholische Universität

Im Programm 1995 werden den Bewuchern Führungen durch die Sonderausstellung des Dommuseums „Der Barockmaler Michael Angelo Unterberger” angeboten. Dazu kommen heuer aber ein Gesprächskonzert über „Folklorismus und Exotismus in westlicher Kunstmusik” mit Klaviermusik von Mozart bis Cage” und, bereits zum zweiten Mal, eine Filmvorführung mit Diskussion.

Unabhängig von den vermittelten Inhalten, gehört zu den interessanten Phänomenen der Hochschulwochen die Kontinuität auch in den Rahmenangeboten und in der äußeren Form, ohne daß dabei „Neuerungen” ausgeschlossen wären: Die heutigen Hochschulwochen spielen sich noch immer im gleich strukturierten, liebenswürdig altmodischen „Stundenplan” ab, im vertraut ehrwürdig-akademischen Rahmen, wie in den frühen Jahren.

„Die Anfänge der Salzburger Hochschulwochen reichen weit in das 19. Jahrhundert zurück. Sie waren aufs engste verknüpft mit den Bemühungen, die

1810 durch die bayerische Begierung aufgehobene Benediktiner-Üniver-^sität wieder zu errichten”, schreibt Franz Padinger in seiner „Geschichte der Salzburger Hochschulwochen”. „Pädagogisch katechetische Kurse” und, von antiklerikaler, national-liberaler Seite veranstaltete, „Salzburger Hochschulkurse” wurden im Vorfeld angeboten. 1923, zum 300-Jahr-Jubiläum der Gründung der Salzburger Benediktiner-Universität, wurde durch Erzabt Petrus Klotz (St. Peter) die „Salzburger Benediktinerkonföderation” ins Leben gerufen, die die Wiedererrichtung der Universität unterstützen sollte. 1928 sprach sich der Akademikerverband für die katholische Universität in Salzburg aus. 1930 wurde beschlossen, alljährlich, zur Unterstützung der Universitätspläne „Hochschulwochen” zu veranstalten. Die Görres-Gesellschaft, die sich „um die Geltung der katholischen Weltanschauung an staatlichen Universitäten verdient gemacht hat”, berichtet Franz Padinger, wurde als Mitträger gewonnen. So konnte 1931 von Köln und Salzburg zum Besuch der Hochschulwochen eingeladen werden. Das Echo war überwältigend: Statt der 150 erwarteten Teilnehmer kamen 900.

Fünf Schilling, beziehungsweise drei Mark, zahlten die Teilnehmer in geistlichen Häusern pro Übernachtung in Schlafsälen und für die Verpflegung. Sechs Schilling (3,60 Mark) war der Preis für ein Einzelzimmer. Die Unterkunft in Privatzimmern, allerdings ohne Verpflegung, kostete von vier Schilling (2,40 Mark) aufwärts.

Die Teilnahmegebühren betrugen für den Besuch aller Vorlesungen zwölf Mark. Für die achttägigen Vorlesungen acht Mark, für die sechstägigen sechs Mark und für die dreitägigen vier Mark. Teilnehmer aus Österreich bezahlten die gleichen Sätze in Schilling: zwölf, acht, sechs oder vier Schilling, Studierende jeweils die Hälfte.

Neben dem bereits erwähnten Engländer mit dem sächsisch-gefärbten Deutsch, sprachen bei den ersten

Hochschulwochen Bomano Guardini über „Die religiöse Existenz in Dostojewskis großen Bomanen”, Ildefons Herwegen über „Antike, Germanentum und Philosophie” oder Agostino Gemelli über „Experimentelle Wissenschaft und Philosophie”. Diese Vorlesungen wurden aneinandergereiht und erstreckten sich vom 3. bis 22. August. Im zweiten Jahr wurden drei Kurse (Theologie, Philosophie, Staatswissenschaft) nebeneinander abgehalten. Auch das Projekt „Benediktiner-Universität” ■ kam wieder verstärkt zur Sprache. In den Jahren 1931 bis 1948, sowie 1951 gab es noch kein Generalthema.

Ende Mai 1933 verhängte Hitler die 1.000-Mark-Sperre für die Einreise nach Österreich. Die deutschen Teilnehmer an den dritten Hochschulwochen waren damit weitestgehend ausgesperrt. Für Dozenten aus Deutschland mußte in letzter Minute Ersatz gefunden werden. Dennoch kamen zu dieser Tagung 600 Teilnehmer. „Nirgends läßt es sich so schön katholisch und gesamtdeutsch denken wie in Österreich, und niemand kommt eher und klarer zum Reichsgedanken als der fanatische Österreicher, gerade aus der Leidenschaftlichkeit seines Österreicher-tums heraus”, verkündete der damalige österreichische Unterrichtsminister Kurt von Schuschnigg beim Festakt, der 1933 zum erstenmal stattfand.

Aus NS-Sicht „staatsfeindlich”

Kurz vor Beginn der Hochschulwochen 1934, am 25. Juli, wurde Bundeskanzler Dollfuß erschossen. Wieder tauchte die Frage auf, ob die Veranstaltung abgehalten werden sollte (auch die 1.000-Mark-Sperre bestand noch). 1936 schickte bereits regelmäßig ein Vertrauensmann der SS, Studienassessor Franz Feierlein, Berichte nach München. Die Hochschulwochen 1937 waren die letzten vor dem Einmarsch Hitlers in Österreich. Karl Bahner sprach in diesem Sommer in einer 15stündigen Vorlesungsreihe über seine „fundamentaltheologische Anthropologie”, nach der es wesenskonstitutiv für den Menschen sei, der Offenbarung Gottes gegenüber aufgeschlossen zu sein.

Nach dem Einmarsch wurde von der Gestapo ein Betätigungsverbot für den Universitätsverein erlassen. Die Hochschulwochen 1938 durften nicht mehr stattfinden und am 15. November wurde „wegen staatsfeindlicher Tätigkeit” die Auflösung der Hoch-schulwochen formalrechtlich verfügt.

1939 wurden nationalsozialistische „Wissenschaftwochen” abgehalten -eine kriegsbedingte „Einjahrs”-fliege. Der Versuch, die Hochschulwochen im Krieg in der Schweiz abzuhalten, scheiterte.

Die ersten Hochschulwochen nach dem Krieg, die achten insgesamt, fanden im Oktober des Jahres 1945 statt. „Die Not der unmittelbaren Nachkriegszeit ermöglichte nur eine improvisierte einwöchige Veranstaltung”, schreibt Franz Padinger. „Bereits 1946 wurden die Hochschulwochen wieder in ihrer alten Form weitergeführt, stark beeinträchtigt allerdings durch Einreiseschwierigkeiten ausländischer Dozenten.”

Struktur und Dauer der Hochschulwochen wandelten sich mit den Jahren. Ab 1950 wurde die Dauer auf zwei Wochen beschränkt, und ein zentrales Leitthema in den Mittelpunkt gestellt. Das war 1956 und 1959 - wie heuer - der Europagedanke. Die katholische Universität Salzburg wartete noch vergeblich auf ihre Gründung. Im Jahr 1961 wurde das „Internationale Forschungszentrum” auf dem Mönchsberg eröffnet, dem katholischen Universitätsverein übergeben und von Erzbischof Andreas Bohra-cher geweiht. 1962 wurde schließlich eine staatliche Universität in Salzburg errichtet und die Hochschulwochen aus den „engen Verflechtungen mit den Universitätsbestrebungen gelöst”.

Den Festvortrag des Jahres 1967 hielt Kardinal Franz König. Er sprach über die „Vollendung des Menschen in der Gesellschaft”. Im Jahr darauf, als die Studentenunruhen die Universitäten stärker ins Licht der Öffentlichkeit rückten, forderte der Berliner Politologe Alexander Schwan in seinem Festvortrag die Demokratisierung der Universitäten.

Die am 29. Juli veröffentlichte Enzyklika „Humahae Vitae” brachte zusätzlichen Gesprächsstoff. Wie im vergangenen Jahr stand auch 1972 Jesus von Nazareth im Zentrum. Mit 1.400 Teilnehmern war damals ein Bekord-Jahr zu verzeichnen. In diesem Jahr referierten ausschließlich Theologen. Von 1980 bis 1993 stand der Benediktiner Paulus Gordan dem Direktorium vor. Ihm folgte Heinrich Schmidinger, Professor für christliche Philosophie an der Universität Salzburg.

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