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Die alte Stadt und der Zauberer

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MAX REINHARDT UND SALZBURG. V Franc Hadamowsky. Residenz-Verlag, Salzburg. 124 Seiten. Mit Tiden Illustrationen (Bilderteil). Preis 48 S.

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MAX REINHARDT UND SALZBURG. V Franc Hadamowsky. Residenz-Verlag, Salzburg. 124 Seiten. Mit Tiden Illustrationen (Bilderteil). Preis 48 S.

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Dieses Buch, das ein wichtiges Kapitel nicht nur österreichischer, sondern europäischer Theatergeschichte behandelt, gibt mehr, als der Titel verspricht: nämlich — in seinem ersten Teil — eine detaillierte Darstellung des Werdeganges von Max Reinhardt, der, 1873 in Baden bei Wien geboren, als Schauspieler begann und das erste von ihm gegründete Theater in Berlin leitete. Die Stationen dieses Weges heißen: Volkstheater Rudolfsheim, Preßburg, Salzburg (als Schauspieler unter der Direktion Lechner) und Deutsches Theater Berlin. Mit der innerlichen Loslösung vom Naturalismus erfolgte auch die Trennung von Otto Brahm. Hier in Berlin begann Reinhardt mit der Bildung eines eigenen Ensembles. Die Künstlergemeinschaft „Die Brille“ trat zunächst unter dem Namen „Schall und Rauch“ auf; später erhielt der umgebaute Saal im ehemaligen Hotel „Arnim“ den Namen „Kleines Theater“ (1901), der ja in die Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts eingegangen ist.

Die Idee der Salzburger Festspiele entsprang keineswegs, wie Pallas Athene dem Haupt des Zeus, dem Kopf ihres Mitbegründers. Mehrere, größtenteils nicht realisierte Projekte waren ihr vorausgegangen. Schon 1903 erwog Reinhardt, der in seinem Bruder Edmund einen ebenso tüchtigen wie bescheidenen „Bürochef“ und finanziellen Berater hatte, Konzernpläne, heute würde man sagen: Koproduktionen (etwa der Bühnen von Berlin, Wien, Hamburg und München). Reinhardt plante schon damals für Salzburg eine Serie „Romantisches Theater“ und Shakespeare-Spiele, gab dieses Projekt zugunsten von Ibsen-Spielen auf, die in Weimar stattfinden sollten. Aber auch daraus wurde nichts.

Inzwischen reifte in Salzburg und Wien, von anderen initiiert, der Salzburger Festspielgedanke, der Plan zum Bau eines großen Festspielhauses und anderes mehr, das dann in den von Hofmannsthal verfaßten Aufrufen und programmatischen Erklärungen formuliert wurde. Im Frühjahr 1917 reichte Max Reinhardt der k. k. Hoftheaterintendanz eine Denkschrift mit grundsätzlichen Ausführungen über Festspiele in Salzburg ein, die am 25. April von einem maßgeblichen Hofrat ad acta gelegt wurde. Die folgenden Etappen sind bekannt. Halten wir nur zwei Daten fest: 1920 wird zum erstenmal vor dem Domplatz Hofmannsthals „Jedermann“ gespielt; 1937 will Reinhardt mit dieser Inszenierung nach Paris gehen — aber da war es schon zu spät. Im letzten Abschnitt gibt Hadamowsky eine Übersicht aller Salzburger Stücke und der wichtigsten Inszenierungen, unter denen „Das Salzburger Große Welttheater“ (erstmalig 1922), Vollmöllers „Mirakel“ (1925) und „Faust“ in der von Clemens Holzmeister erbauten Faust-Stadt einen besonderen Platz einnehmen.

Voraus geht das interessanteste Kapitel dieses Buches: Reinhardt als Herr von Leopoldskron. Das Schloß war von dem Benediktinerpater Bernard Stuart von Regensburg für den Fürsterzbischof von Salzburg, Leopold Anton Graf Firmian, erbaut worden. Reinhardt erwarb es (von einem Herrn Paul Wolf) im Jahre 1918 und hat bis zu seiner Emigration, also 20 Jahre lang, in und an diesem Schloß gebaut, hat es umgestaltet, möbliert und es gewissermaßen immer neu inszeniert. Garten und Park waren natürlich in diese Arbeiten einbezogen. Weder ein Tierpark noch die Gartenzwerge wurden vergessen. Hier gab Reinhardt seine berühmten Feste, die, wenn es das Wetter gestattete, durch Freilichtaufführungen in einem von Staketen und Laubenkulissen eingefaßten Gartentheater gekrönt wurden. Oskar Strnad sollte für das Schloß ein kleines barockes Haustheater schaffen, aber dazu ist es, wie zu so vielem, was Reinhardt plante, nicht mehr gekommen. Die vielen schönen und zum größten Teil unbekannten Bilder, mit denen das solide und instruktive Buch Hadamowskys ausgestattet ist, geben eine Vorstellung von dem, was war. Das Persönlichste, was uns von Reinhardt erhalten ist, sind seine wenigen Reden und die Regiebücher (Proben daraus befinden sich auf Seite 39 und 40 dieses Buches). Reinhardt, von seinen Mitarbeitern und den Schauspielern respektvoll „der Professor“ genannt, war ein großer Schweiger. Er ließ bei Proben zunächst jeden auf seine Fasson sprechen und agieren. Er hörte aufmerksam zu, und bereits diese Aufmerksamkeit, ja seine Anwesenheit, wirkte suggestiv und war „schöpferisch“. Er liebte seine Schauspieler, und aus Liebe zu ihm gaben sie ihr Eigenstes und Bestes. Und er respektierte sie als Künstler und als Menschen — was vielleicht noch mehr ist.

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