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Die Größe verkraften

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Bereits dreihundert Millionen Menschen fliegen jährlich, und zwar aus verschiedensten Gründen. Schon heute ist der Flugtauristenverkehr ebenso bedeutend wie der Geschäftsverkehr. Der Anteil jener Fluggäste, die Vergnügungsreisen unternehmen, wird von Jahr zu Jahr größer. Immer neue Bevölkerungsschichten stoßen auf Flugreisen, und wenn man den Prognosen glauben darf, wird auch die L/uftf.racht in den nächsten Jahren explosionsartig zunehmen.

Um diesem Massenansturm gewachsen zu sein, treffen die führenden Luftfahrtgesellschaften die letzten Vorbereitungen für die Ausrüstung Ihrer Flotte mit Großraumflugzeugen. Denn die Flugerprobung des ersten Großraum-Jets, der Boeing 747, ist bereits in das Endstadium getreten. Schon ab April 1970 wird die Lufthansa, als erste europäische Luftverkehrsgesellschaft, zwei Maschinen dieses Typs aiuf der Strecke Frankfurt—New York einsetzen.

Der Flugverkehr der siebziger Jahre wird sich immer mehr auf Jumbo-Jets, auf die Maschinen der „Dickrumpfgeneration”, mit ihren an das Unvorstellbare grenzenden Ausmaßen verlagern. Allein der Rumpfdurchmesser beträgt 6,20 Meter, die Flügelspannweite nahezu 60 Meter, die Länge von der Nase bis zum Leitwerk, das wie ein mehrstöckiges Haus hoch in die Luft ragt, 70 Meter. Rund 400 Passagiere faßt die Boeing 747, die vier Triebwerke mit je 20.000 kp Schubkraft verleihen ihr eine Geschwindigkeit von 940 Stundenkilometer.

Ein neues Raumgefühl

Maschinen dieser Größenordnung kennzeichnen das Zeitalter der Jumbo-Jets und damit die neue Konzeption der Luftverkehrsgesellschaften. Mit diesen neuen Jets können viele Passagiere wirtschaftlicher als bisher über weite Strecken befördert werden. Beispielsweise sind die Triebwerke wesentlich leichter konstruiert, so daß der Treibstoffver- brauch infolge des geringeren Gewichtes gegenüber den herkömmlichen Düsenmaschinen um nahezu ein Viertel gesenkt werden konnte. Das nahezu vierfache Passagierfassungsvermögen erweckt allerdings leicht Verstellungen von Mas- sentranisporten bei geringerem Komfort: weit gefehlt. Im Vergleich zu den heutigen Flugzeugen wird es keine Einbuße an Bequemlichkeit geben. Im Gegenteil. Die Gesellschaften haben keine Mühen und Kosten gescheut, um den Reisekomfort in der Luft anziuheben. Bei einer Sitzanizahl von 365, wie sie bei den Lufthansa-Jumbos vorgesehen ist — 333 Sitzplätze in der Economy- Klasse und 32 in der ersten Klasse —, verfügt der Fluggast über weit mehr Platz als bisher. Selbst in der Economy-Klasse ist der Abstand zwischen den Reihen jetzt größer. Besonders fällt ins Gewicht, daß die Sitze gegenüber den herkömmlichen verbreitert wurden. Die Querreihen, bestehend aus acht Sitzen, wurden in Doppelzweier- und zwei Dreiergruppen angeordnet.

Zu einem völlig neuen Raumgefühl tragen auch die verhältnismäßig hohe Decke und die Unterteilung der Kabine in vier Abteile bei. Für die Fluggäste der ersten Klasse hat man einen Barraum eingerichtet, und wer „Höhenluft” genießen will oder keinie Lust hat, sich durch Filmvorführungen oder eines der zur Auswahl stehenden Musikprogramme unterhalten zu lassen, kann über eine Wendeltreppe in die Oberdeck- Lounge gehen. Dieser Raum ist behaglich ausgestattet und eignet sich für geschäftliche Besprechungen. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche andere Verbesserungen, um den Komfort au zeigen.

Für die Betreuung der Fluggäste werden insgesamt 15 Stewards und Stewardessen pro Maschine eingesetzt. Ein Steward wird vorwiegend Aufsichtsfunktionen haben, das Service überwachen und überall dort einspringen, wo eine besondere Betreuung erforderlich ist. Die breiten Gänge schaffen die Voraussetzungen für ein gepflegtes Bordservice, da das Flugbegleitpersonal die Passagiere aus fahrbaren Containern bedienen kann.

Der bevorstehende Einsatz der Großraumflugzeuge bereitet den Gesellschaften und den Fluigplatz- betriebsgesellschaften in verschiedener Hinsicht Schwierigkeiten. Am meisten fürchten die Gesellschaften, die viele Organisationsprobleme bereits gelöst haben, die ungenügend ausgebauten Flughäfen und die langwierigen Zufahrten zu den Stadtzentren, da die Fluggäste dazu neigen, die Fluglinie für die Zeitvergeudung bei den Zu- und Abfahrten verantwortlich zu machen. Auch schreitet der Ausbau der Flughäfen nicht rasch genug voran. In Amerika müssen die Flugbewe- gungen bereits kontingentiert werden. Daher drängt man auf den Ausbau der Flugsicherungsanlagen, damit dichtere Start- und Landefolgen erzielt werden können.

Die Techniker des Wartungsdienstes wurden wegen der ganz neuen Dimensionen dieses Flugzeugs mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Sie wurden jedoch bereits gemeistert. In Frankfurt nähert sich die größte Flugzeugwartungshalle der Welt ihrer Fertigstellung. Dieses Flugzeugdock von 270 Meter Länge und 100 Meter Breite wird erstmalig mit Fahrstühlen ausgestattet sein, damit die Mechaniker alle Stellen des Plugzeugriesen schnell erreichen können. „Wir glauben nicht, daß die B 747 Schwierigkeiten mit sich bringt”, erklärten die verantwortlichen Techniker, „das einzige, was wir verkraften müssen, ist die Größe des Jets, die uns zwingt, in Maßstäben zu denken, die vorher unvorstellbar waren.”

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