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Die kirchentreuen Kroaten

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Die ereignisreiche Geschichte des kleinen kroatischen Volkes im Burgenland, das vor 440 Jahren auf der Flucht vor dem Wüten der Osmanen in das heutige Burgenland eingewandert ist, zeigt eindeutig, daß die Kroaten seit urdenklichen Zeiten daran gewöhnt sind, für den Glauben und das Vaterland mit dem Einsatz ihres Lebens zu kämpfen. Das Ringen um Österreichs Unabhängigkeit bzw. um die Selbständigkeit und den Aufbau des Burgenlandes ist auch ein Ringen um die Freiheit, um das nationale Eigenleben der Kroaten. Zähes Festhalten am katholischen Glauben ließ sie die alte Heimat verlassen, und dieses Treustehen zum Kreuz Christi ist den Kroaten bis heute eigen geblieben.

Siedlungsmäßig bildet heute die kroatische Volksgruppe im Burgenland fünf Inseln: Im Raum Bisenstadt sind es 13, im Bezirk Neusiedl vier, Oberpullendorf 13, Oberwart 15, Güssing fünf Gemeinden; bei Ungarn verblieben 15 Gemeinden, in der CSSR (Raum Preßburg) vier Gemeinden.

Die österreichische Völkszählung 1961 zeigt hinsichtlich der Umgangssprache im Burgenland folgendes Bild: kroatisch: 24.617 (9,08%), kroatisch-deutsch: 1531 (0,57%), deutsch-kroatisoh: 2094 (0,77%). Der Prozentsatz bezieht sich auf die Gesamtbevölkerung im Burgenland. Hingegen gibt der Schematismus der Diözese Eisenstadt, Jahrgang 1965, die Zahl der Katholiken mit kroatischer Muttersprache mit 37.669 Seelen an. Die Zahl der in Wien lebenden Kroaten kann auf 5000 bis 6000 geschätzt werden.

Die Sprache der im Burgenland lebenden Kroaten bzw. der für sie erscheinenden Druckwerke und die Sprache in den kroatischen Volks(Haupt)schulen (40 öffentliche Schulen mit 3139 Kindern, 8,9%) und Kirchen ist die burgenländisch-kroatische Sprache. Sie ist nicht identisch mit der in Kroatien geltenden Schriftsprache, kommt dieser jedoch sehr nahe. Sie unterliegt der Entwicklung der modernen Zeit wie jede andere Sprache. Doch bewährt sie sich sehr gut auf Studien-, Bil-dungs-, Geschäfts- und Urlaubsreisen nach Jugoslawien.

Wenn den Kroaten heute vorgehalten wird, daß „die Burgenlandkroaten wohl die zahlenstärkste Sprachminderheit in Österreich sind, aber nicht annähernd jene Ein-flußmögliohkeiten ausüben wie die Slowenen Kärntens (Furche Nr. 27 ex 65), so möchten wir doch gerne darauf hinweisen, daß die Baumeister dieses zweiten Burgenlandes aus den Reihen der Burgenlandkroaten kommen:

Dr. Lovre Karall, der erste Landeshauptmann des wiedererstandenen Burgenlandes, hat die Selbständigkeit des Landes erkämpft und sich hineingestellt in eine Welt von Schwierigkeiten und Gefahren;

DDr. Stefan Läszlö, der erste Diözesan-bischof von Eisenstadt, durfte die Errichtung der Diözese erleben und ist nunmehr daran, die Erneuerung des kirchlichen Lebens in unserer Heimat zu verwirklichen.

Die Diözese Eisenstadt zählt 29 Pfarren mit sechs Filialgemeinden mit kroatischer Seelsorgesprache. Gemischte Seelsorgesprache (kroatisch—deutsch) haben neun Gemeinden, 15 Filialgemeinden sind einer deutschen Pfarre angeschlossen, und davon haben derzeit sieben Gemeinden Gelegenheit, von einem kroatisch sprechenden Priester seelsorglich betreut zu werden. Im Domkapitel ist ein Kanonikat mit einem Kroaten besetzt. In den kroatischen Pfart- und Filialgemeinden ist die Seelsorgesprache kroatisch. Ebenso wird in diesen Gemeinden der Religionsunterricht kroatisch erteilt In den kroatischen Hauptschulen, in gemischtsprachigen Gemeinden sowie in den letzten Sohulstufen ist es erwünscht, daß den Kindern die Beichterziehung auch in der deutschen Sprache erteilt wird, damit sie ihre Gewissenspflicht auch im deutschsprachigen Raum erfüllen können. Auf Antrag der Diözese wurde 1965 vom Bund die Stelle eines Diözesaninspektors für kroatischen Reügionsunterricht geschaffen.

Die von der Katholischen Aktion ausgeschriebenen Kurse und Exerzitien werden von Kroaten sehr gut besucht. Bei den großen Diözesanwallfahrten nach Lourdes (1958) und Rom (1961) waren 40 Prozent Kroaten.

Die Burgenlandkroaten dürfen mit Stolz und Genugtuung darauf hinweisen, daß durch die Liiturgiereform ihre burgenländisch-kroatische Sprache in den Rang einer liturgischen Sprache der Weltkirche erhoben wurde.

In der Frage des Priesternachwuchses haben sich leider Veränderungen ergeben, die nicht zum Vorteil der burgenländischen Kroaten der Gegenwart gereichen Früher einmal konnten die burgenländischen Kroaten den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, auch für die ungarischen und deutschen Pfarren den Nachwuchs zu stellen, weil es eine hohe Anzahl von Berufungen gab. Heute reichen die Berufungen gerade noch aus, um die kroatischen Pfarren zu besetzen. Derzeit befinden sich im Knabenseminar unter den 152 Zöglingen 31 kroatisch sprechende Buben, im Priesterseminar der Diözese sind fünf von 33 Theologen aus den kroatischen Gemeinden.

Es ist ein besonderes und hervorstechendes Merkmal der Geschichte der Burgenlandkroaten, daß vor allem und hauptsächlich Priester für ihr Volkstum literarisch und kulturell führend tätig waren. Das ist auch heute nooh der Fall. Um diese historische Verbundenheit zwischen kroatischem Volkstum und der Kirche auf eine zeitgerechte Basis zu stellen, hat der „Kroatische Kulturverein im Burgenland bei der Diözese die Entsendung eines geistlichen Konsulenten erwirkt. Auf diese Weise ist der Kontakt zwischen der Kirche als geistliche und moralische Kraft der kroatischen Katholiken und dem Kulturverein als dem Anwalt der Interessen der kroatischen Minderheit in der Öffentlichkeit hergestellt. Eine Frucht dieses gegenseitigen Kontaktes ist unter anderem die Abhaltung der Gottesdienstfeier vor offiziellen Veranstaltungen sowie die Unterstützung und Förderung der religiösen Publikationen und der kroatischen Pfarrbibliotheken.

Abschließend soll darauf hingewiesen werden, daß die Kroaten immer Freud und Leid mit den übrigen Burgenländern geteilt und die Verantwortung für das kirchliche Leben des Landes mitgetragen haben. Da wir in der Vergangenheit nie die Möglichkeit hatten, mit dem kirchlichen Leben unserer alten Heimat in Kroatien Kontakte aufzunehmen, freut es uns heute, daß dies nunmehr möglich geworden ist. Ein verheißungsvoller Anfang wurde im Sommer 1964 mit einer Wallfahrt der Burgenlandkroaten nach Maria Bistrica, Trsat und einem Besuch bei Kardinal Seper in Agram gemacht (fünf Priester, 53 Männer und 27 Frauen), dem mittlerweile andere, ähnliche Besuche gefolgt sind. So sind wir denn bestrebt, die bereits bestehenden kirchlichen Kontakte weiter auszubauen, weil wir auch auf diese Weise die österreichische Mittlerrolle im Herzen Europas zwischen Ost und West konkret verwirklichen und die ökumenische Sendung der Weltkirche im Hinblick auf unsere alte Heimat wahrnehmen wollen

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