Die Kunst der Schräge

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Ein imposanter Bildband dokumentiert Zaha Hadids unbeirrbaren Weg zum Erfolg.

Es geht darum, die Grenzen nicht nur zu erfahren, sondern über sie vorzustoßen." So lautet das künstlerische Credo der 1950 in Bagdad geborenen Architektin Zaha Hadid, die über zwei Jahrzehnte schon den männerdominierten Bereich Architektur gewaltig aufrührt. Mit der gleichen Dynamik, die für ihre Bauten und Projekte so typisch ist, positionierte sie sich seit der Gründung ihres eigenen Büros 1979 in London zielsicher im Spitzenfeld der Architektur. Im Mai 2004 wurde ihr als erste Frau der Pritzker-Preis, gleichsam der "Nobel-Preis" der Architektur, verliehen.

Visionäre Einzigartigkeit

Dass die Architektin das Privileg genießt, die exklusive Luft des Architekturolymps zu atmen, hat viele Gründe. Verantwortlich ist zum einen wohl die Innovation, die ihre Entwürfe für das Sehen und Erleben von Raum gebracht haben, so meinten die Pritzker-Juroren. Zum anderen sicherlich ihre Fähigkeit, eine großartige Balance von Extremen zu halten. Kurzum ihre "visionäre Einzigartigkeit und Konsequenz" sind beispiellos, wie im Vorwort der kürzlich erschienenen Monografie nachzulesen ist. Analog zu Hadids Bauten präsentiert sich auch das vierbändige Werk als ein Kunstwerk: Konzipiert als Gesamtkomposition, konzise durchdacht von der Verpackung über die inhaltliche Aufteilung bis hin zur grafischen Aufbereitung. Elegant, spannend an Text- und Bildmaterial, einzigartig.

Zacken, Pfeile, Bänder

Hadids Erfolg bedeutete jedoch nicht, dass ihr Weg ein einfacher geradliniger war. Längst schon war sie in internationalen Fachkreisen auf Grund ihrer spektakulären Wettbewerbsentwürfe zur Kultfigur aufgestiegen. Kein Auftraggeber wollte sich jedoch finden, der die Kühnheit besaß, Hadids unkonventionelle architektonische Haltungen zu realisieren. Da half auch nicht, dass ihr erstes, 1993 fertig gestelltes Gebäude, das Feuerwehrhaus in Weil am Rhein, augenblicklich zu einem Meilenstein in der Architekturgeschichte erklärt wurde.

"Bewegte Architektur erstarrt im Raum", "Raumschiff Enterprise gelandet" oder ähnliche erstaunte Kommentare liefen durch die Medien. Erst gegen Ende der 1990er Jahre verdichtete sich die Auftragslage. Mittlerweile entscheidet Hadid weltweit regelmäßig Wettbewerbe für sich, oftmals außergewöhnliche, volumenmäßig umfangreiche Projekte. Im Lauf all dieser Jahre begannen Hadids zackige, pfeilschnelle Projekte zusehends in amorphe, bandartige Manifeste überzugehen. Subtiler wurde auch die intensive Auseinandersetzung mit der spezifischen Örtlichkeit. Ihre Bauten sind nun gleichsam urbane Schnittstellen, die auf das Umfeld reagieren, in die Umgebung fließen und sie beleben. So zum Beispiel das Contemporary Arts Center in Cincinnati/Ohio, das 2003 eröffnet wurde. Oder die Gebäude, die sich zur Zeit in Bau befinden, wie ein Zentrum für zeitgenössische Kunst in Rom, oder ein Wissenschaftszentrum für Wolfsburg und das Zentralgebäude der bmw in Leipzig. Vielleicht wird ja auch das für die Olympischen Spiele 2012 geplante Olympische Dorf in New York City Hadids exzentrische Handschrift tragen?

Österreich im Bann

In Österreich kann man zur Zeit beinahe schon von einer landesweiten "Vereinnahmung" der Architektin sprechen. Zeugen sind die Sprungschanze am Berg Isel bei Innsbruck, die Auftragserteilung zum Bau der neuen Nordkettenbahn und die Entscheidung für ein Hadid-Projekt in Graz inmitten der Altstadt. In Wien wird mit Spannung auf die Eröffnung ihres Wohnbaus an der Spittelauer Lände diesen Sommer gewartet: Bizzare Baukörper, die sich über die Stadtbahnbögen stülpen, zeichnen sich bereits ab. Eine ungewöhnliche Kombination aus Wohnen, Arbeit und Freizeit wird angeboten, die die gut versteckten Potenziale des Donaukanalufers wecken soll. Dass Österreich so reges Interesse für Hadid zeigt, hängt sicherlich nicht nur von der Erkenntnis ab, dass mit dem Import international renommierter ArchitektInnen eine gewisse marktwirtschaftliche Rentabilität einhergeht. Vielmehr besticht Zaha Hadid durch ihren unbeirrten Einsatz für eine neue Architektur, die trotz ihrer Grenzwertigkeit doch etwas Nachvollziehbares, dem Ort Abgeschautes in sich birgt.

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