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Die Kunst Europas, bunt gemixt
„Netz Europa" in Linz stellt Ergebnisse der Auseinandersetzung junger Künstler mit den Fragen der Zukunft vor.
„Netz Europa" in Linz stellt Ergebnisse der Auseinandersetzung junger Künstler mit den Fragen der Zukunft vor.
Eigentlich schwebte ihm ein ganz anderes Thema vor. Mit einer Ausstellung „Identität einer Stadt“ wollte Professor Helmuth Gsöllpointner im Vorjahr das zwanzigjährige Bestehen der Linzer Kunsthochschule feiern, der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung, wie sie offiziell heißt.
Aber schon während der ersten Vorbereitungen schien ihm das Thema zu eng gefaßt, zu sehr auf die Gegenwart allein bezogen in einer Zeit des Hineinwachsens in den größeren Raum, das uns Jahrzehnte hindurch als Ziel vor Augen stand und uns nun, da die unverbindliche Utopie Realität zu werden beginnt, eine Auseinandersetzung mit der ganzen Problematik dieser Realität abverlangt. Gsöllpointner knüpfte Kontakte, knüpfte ein Netz, dessen Knoten Linz und Salzburg, Köln und Düsseldorf, London, Barcelona, Mailand und Prag sind.
„Netz Europa“ ist ein internationales Konzept, das Kunsthochschulen und -akademien miteinander verbindet und als gemeinsames Ziel die wissenschaftliche und künstlerische Stellungnahme zu den veränderten gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen im Europa der Zukunft hat. Daß wir dabei Haare lassen müssen, ist allen bewußt; denen nicht wie Frischverliebten der Himmel über Europa voller Geigen hängt, die prüfen, bevor sie sich ewig binden, damit das Wort „Ehe“ nicht aus den Initialen von „Errare humanum est“ besteht: Haare lassen, aber dem totalen Haarausfall entgegenwirken. Man ist sich einig darüber, daß die Intentionen nicht auf ein Einheitssystem ä la McDonalds abzielen, auf eine Esperantokultur, wie der Maler ja auch nicht die Farben in einen Kübel schüttet und so lang umrührt, bis sie zu einer trüben Suppe geworden sind, sondern sie in ihrer bunten Vielfalt in den Dialog miteinander treten läßt.
STUDENTENAUSTAUSCH
Koordiniert wurde das Projekt von der Meisterklasse Metall (Helmuth Gsöllpointner), unterstützt von den Meisterklassen Visuelle Gestaltung und Werkerziehung mit den Professoren Herbert Lachmayr und Wolfgang Stifter. Von österreichischer Seite wird es mitgetragen von der Johannes-Kepler-Universität Linz (Franz Pichler) und der Sommerakademie Salzburg (Laurids Ortner).
„Netz Europa“ wurde als einziges von Österreich ausgehendes Vorhaben mit internationalem Studentenaustausch vom Erasmus-Büro genehmigt. „Erasmus“ ist die Abkürzung von „European Community Action Scheme for the Mobility of University Students“, doch ist ein Anklang an den großen Humanisten aus Rotterdam in Brüssel zumindest nicht unwillkommen, sonst hätte man sich ja für das Kürzel „Eurasmus“ entschieden.
Das eigentliche Projekt besteht freilich vorrangig nicht in der Gestaltung einer Ausstellung und der Herausgabe einer Publikation, sondern in der Auseinandersetzung junger Menschen, die schon bald als Künstler eine mehr als nur seismographische gesellschaftspolitische Funktion haben werden, mit den Fragen der Zeit: Der Weg ist das Ziel.
Nun werden — bis 15. Oktober — die Ergebnisse dieser Aktivitäten vorgestellt. Die zum Teil raumfüllenden Installationen sprengen den Rahmen jeder Ausstellung im herkömmlichen Sinn. Neben dem Oberösterreichischen Landesmuseum Francisco Carolinum mit seinen zwei Stockwerken wurde der Behrens-Bau der Austria-Tabakwerke einbezogen, unweit des Donauparks beim Brucknerhaus, wo noch heute die Skulpturen des Forums Metall stehen. Manche Objekte können nur in Form von Fotografien vorgestellt werden, wie der Turm, der nahe Kremsmünster in Oberösterreich beim „Baum mitten in der Welt“ errichtet wurde, dem Nullpunkt im Koordinatensystem der K. K. Landvermessung. Ein Zusammenhang mit dem Nullmeridian von Greenwich bot sich natürlich an.
Im Francisco Carolinum werden im ersten Obergeschoß Designarbeiten vor allem aus Barcelona und Linz gezeigt. Hier liegt der Schwerpunkt auf der regionalen Identität. Gerade Barcelona, das als Metropole Kataloniens sich seit Jahrhunderten für die Betonung des Eigenen innerhalb eines größeren Raumes in besonderem Maß engagierte, hat in diesem Bereich Wesentliches einzubringen.
Die Arbeiten der Projektgruppe Pascal Schöning, London, tragen den Titel „Drawing the line of thought“. Im zweiten Obergeschoß sind jene Beiträge zu sehen, die ursprünglich unter dem Titel „Mythos Europa“ in der Meisterklasse Metall entstanden. Arbeiten aus Prag und der Meisterklasse für Visuelle Gestaltung in Linz setzen sich mit der politischkulturellen Szene Europas auseinander.
DESIGN-PROJEKTE AUS MAILAND
In den Austria Tabakwerken sind im ersten Stock vorwiegend Installationen und Objekte von Düsseldorfer Studierenden ausgestellt, während im zweiten Stock Design-Projekte aus Mailand, Köln, Linz und Salzburg gezeigt werden. „Auf der Piazza“ heißt eine Rauminstallation der Scuola Politecnica di Design in Mailand. Die regionale und europäische Identität ist im Untertitel auf den Punkt gebracht: „Was die Liege des Psychiaters dem Amerikaner, ist die Piazza dem Italiener.“
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