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Die Rechnung geht nicht auf

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Der Besitzer eines Kraftfahrzeuges, das seinen Zweck voll erfüllen soll, benötigt zum Parken rund 100 Quadratmeter, in der Nähe der Wohnung, seiner Arbeitsstätte (Arbeitsstätten!), des von ihm besuchten Gotteshauses, Arztes, Theaters und Kinos, seiner Einkaufsstelle und Gaststätte — immer einschließlich des nötigen Zwischenraumes und der zum ungehinderten Zu- und Wegfahren erforderlichen Fläche. Die im Mai 1958 in Wien gezählten 165.785 Kraftfahrzeuge benötigen daher eine Parkfläche von 16,578.500 Quadratmetern, das ist um rund eine Million Quadratmeter mehr als die 15,448.417 Quadratmeter umfassende Oberfläche sämtlicher von der Gemeinde instandgehaltenen Fahrbahnen!

Glücklicherweise benötigen aber die Kraftfahrzeuge diese 100 Quadratmeter Fläche nicht gleichzeitig, sondern fallweise immer nur etwa 20 Quadratmeter, also nur etwa ein Fünftel der Fahrbahnfläche Wiens. Die Rechnung ginge also noch auf — vorausgesetzt, daß alle Wagen gleichmäßig über alle Straßen der Stadt verteilt parken. Das ist aber leider an verschiedenen Orten und zu bestimmten Stunden nicht der Fall.

Angesichts der Zunahme der Kraftfahrzeuge in Oesterreich — allein in der Zeit vom 31. Oktober 1948 bis zum 31. März 1958 von 185.181 auf 732.328 — muß vielmehr mit einer weiteren starken Zunahme solcher Ballungen und Stockungen gerechnet werden. Dazu kommt, daß die Motorräder immer mehr durch Autos ersetzt, die Wagen immer länger gebaut und jeweils von immer weniger Personen gleichzeitig benützt werden, so daß für die Beförderung von einem Menschen immer mehr Straßenoberfläche in Anspruch genommen wird. Kein Wunder, daß unter diesen Umständen die eben erwähnte Rechnung so oft nicht mehr aufgeht und in Hinkunft immer seltener aufgehen wird.

Eine Lösung muß aber doch gefunden werden, da ja das Leben der Großstadt ohne die reibungslose und rasche Beförderung von hunderttausenden Menschen täglich einfach nicht denkbar ist.

Einen Weg ging Brüssel. Durch den großzügigen Ausbau der Hauptstraßen, der nur mit den Boulevardbauten in Paris durch Hausman in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts verglichen werden kann, können auf dem Außenring gleichzeitig acht Reihen Autos nebeneinander nahezu ohne jede Stockung verkehren, da die Kreuzungen durch Uhtertunne-

Jungen und Ueberfahrungen überwunden wurden. Andere Straßen erhielten auf Viadukten zusätzliche Fahrbahnen, und der Parkplatz vor dem Haupttor der Weltausstellung vermag 50.000 Autos aufzunehmen. (Daneben nimmt sich der für 7000 Autos bestimmte, wegen seiner“ Weiträumigkeit berühmte Parkplatz vor dem Warenhaus Northland in De'troit lächerlich Idein aus.)

Die deutschen Städte haben bei ihrem Wiederaufbau von einem ähnlich großzügigen Ausbau der Straßen von vornherein abgesehen, und in der Erkenntnis, daß der Privatwagen infolge seines Raumbedarfes je Fahrgast nicht in der Lage ist, den Bedürfnissen des großstädtischen Verkehrs gerecht zu werden, dem Großraumwagen der Straßenbahn die Hauptlast des“ Verkehrs übertragen. (Nur in den schmalen Straßen der Altstädte werden wendigere Autobusse eingesetzt, in denen freilich auf den Fahrgast die dreifache Fläche wie im Großraumwagen entfällt!)

In einigen nordamerikanischen Städten ist man mit der Verdrängung des Autoverkehrs aus der Innenstadt noch weiter gegangen. Man errichtete an den Umsteigstellen der Untergrundbahn große Parkplätze und berechtigt den Wagenbesitzer auf Grund seiner Parkkarte zur beliebigen freien Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel. (Damit wurde der Gedanke des Polizeipräfekten von Paris aus dem Jahre 1818 in die Tat übersetzt, der unter dem Eindruck der ersten größeren Verkehrsstockungen ein allgemeines Einreiseverbot für Postkutschen in das Stadtinnere erwog.)

In H a m b u r g hat man eine dem „Park and ride system“ im Wesen ähnliche Lösung gefunden. Außer den Großraumwagen der Straßenbahn verkehren von den Parkplätzen aus kleine City-Autobusse, die die Fahrgäste mit wesentlich geringerer Inanspruchnahme der Fahrbahn an ihr Ziel bringen.

Diese Lösung scheint noch die beste zu sein.

Die Rechnung, wie das Verkehrsproblem mit den bei uns in Wien heute zur Verfügung stehenden Mitteln gelöst werden kann, geht also nicht auf. Nur durch noch stärkere Forcierung der Straßenbahn-Großraumwagen, besser noch durch Untergrundbahnen, durch Parkplätze am Rande des Stadtkernes und schließlich durch City-Autobusse dürfte es gelingen, der Schwierigkeiten einigermaßen Herr zu werden.

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