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Die Statd als Kirchenpatron

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Daß die Wiener Stadtverwaltung eine sehr vielseitige Institution ist, hat sich bereits herumgesprochen. Weniger bekannt dürfte sein, daß sie neben ihren hunderterlei Verpflichtungen gegenüber der Öffentlichkeit auch „Patronatsherrin“ einiger Wiener Kirchen ist.

Nach mittelalterlichem Recht wurde jeder Grundbesitzer, der auf seinem Grund und Boden eine Kirche errichten ließ, der Eigentümer des Gotteshauses und besaß auch das Recht, den Seelsorger zu bestellen. Da es bekanntlich keine Würde ohne Bürde gibt, müssen die Kirchenpatrone für die Erhaltung des Gotteshauses sorgen.

Das Patronat geht jeweils auf den Eigentümer des Grundstückes über, und so ist auch die Stadt Wien Patron einiger auf ihrem Gebiet gelegener Kirchen geworden. Es sind dies die Kirche St. Josef zu Margareten in der Ramperstorffergasse, die Kirche St. Leopold in der Großen Pfarrgasse und die Kirche St. Oth-mar am Kolonitzplatz. In den ehemaligen Randgemeinden sind die Kirchen St. Petrus in vinculis in Kalksburg und St. Erhard in Mauer Patronatskirchen der Stadt Wien. Diese hat für die Erhaltung der Kirchengebäude zu sorgen und übt das „Präsentationsrecht“ bei der Neubesetzung von Pfarrstellen aus. Heute kommen die Besetzungsvorschläge vom Erzbischöflichen Ordinariat, und der Wiener Stadtsenat „präsentiert“ die vorgeschlagenen Geistlichen nur noch pro forma dem Erzbischof.

Die Patronatskirchen sind aber nicht die einzigen Gottesdienststätten, die die Gemeinde Wien errichtet hat und erhält. Fünf städtische Krankenhäuser und Heime haben Anstaltskirchen. Daneben gibt es in den Kranken- und Wohlfahrtsanstalten der Stadt Wien 21 Kapellen — davon zwei Klausurkapellen, die nur für Ordensangehörige bestimmt sind — und vier Beträume. Auch im Neubau des Allgemeinen Krankenhauses ist die Errichtung von Gottesdiensträumen für verschiedene Konfessionen geplant.

Interkonfessionelle Kapellenräume, die mit verdeckbaren Altären für christliche Einsegnungen ausgestattet sind, gibt es in den meisten der 46 städtischen Friedhöfe. Im Zentralfriedhof steht die 1910 von Max Hegele errichtete Dr.-Karl-Lueger-Kirche.

An der Schaffung von drei Zeremonienräumen in der Feuerhalle wird gegenwärtig gearbeitet. Der Einbau von Altären wird auch hier römisch-katholische Einsegnungen ermöglichen. Alle baulichen Maßnahmen werden dabei im Einvernehmen mit dem Erzbischöflichen Ordinariat vorgenommen.

Es ist bekanntlich seit langem das Bestreben des Erzbischöflichen Ordinariats, die Anzahl der Pfarrgemeinden zu vermehren und ihre Seelenanzahl dafür zu verringern. Als Idealzustand erscheint den kirchlichen Behörden dabei eine Kopfzahl von etwa 10.000 pro Pfarrgemeinde. Dies bedeutet natürlich die Errichtung neuer Pfarr- und Gotteshäuser. Die Kirche steht bei den diesbezüglichen Bemühungen vor denselben Schwierigkeiten mit der Baulandbeschaffung wie die Stadt Wien. Die Stadtverwaltung weiß dies und ist bestrebt, der Kirche nach Kräften zu helfen. Zwischen dem Bauamt des Erzbischöflichen Ordinariates und der Magistratsabteilung für Stadt- und Landesplanung bestehen dauernde enge Kontakte mit dem Ziel, in neuerschlossenen Wohngebieten auch geeignete Baugründe für katholische oder auch evangelische Gemeindezentren vorzusehen. Bisher ist es noch immer gelungen, den Kirchen zweckentsprechende Bauplätze für ihre Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Das jüngste Projekt dieser Art betraf das katholische Schulzentrum in Strebersdorf, für das die Stadt Wien ein großes Areal bereitgestellt hat.

Die Stadt Wien steht der katholischen Kirche aber keineswegs nur in der Rolle des Gebenden gegenüber; sie ist in einem sehr entscheidenden Punkt auch der nehmende Teil: Derzeit sind in Kranken- und Wohlfahrtsanstalten der Stadt Wien rund 600 geistliche Schwestern und 40 Rudolfinerinnen tätig. Jeder, der einmal von Ordensschwestern gepflegt wurde oder der mit Ärzten spricht, denen geistliche Schwestern zur Seite stehen, weiß, wie wertvoll und unersetzlich deren Dienste sind. Leider bringen die Nachwuchsschwierigkeiten der Orden mit sich, daß die Anzahl der geistlichen Krankenschwestern zurückgeht. So mußten die geistlichen Schwestern aus dem Sofienspital im Vorjahr abgezogen werden, weil man sie in anderen kirchlichen Werken dringend brauchte. Noch immer aber machen die Ordensschwestern mehr als zehn Prozent des qualifizierten Pflegepersonals in den Wiener Gemeindespitälern aus.

Das Jugendamt der Stadt Wien steht mit einer ganzen Reihe kirchlicher Heime in einem Vertragsverhältnis, das sich oft als sehr nützlich erweist. Auch in den Jugendheimen gibt es eine Art Spezialisierung, das heißt, man stellt sich besonders auf Kinder ganz bestimmter Prägung ein. Das städtische Jugendamt, das auf eine möglichst individuelle Betreuung der ihm anvertrauten Kinder Wert legt, bringt alljährlich einige hundert Jugendliche in kirchlichen Heimen unter, sei es deshalb, weil diese Anstalten der Eigenart des Kindes besonders entsprechen oder weil sie örtlich günstig liegen.

Umgekehrt hat auch die Gemeinde Einrichtungen anzubieten, deren sich katholische Jungendorganisationen bedienen können. Vor allem sind hier die drei „Häuser der Jugend“ zu nennen, die es derzeit in Wien gibt. Diese kulturellen Jugendzentren stehen allen Jugendgruppen ohne Unterschied der Weltanschauung und Konfession- offen und werden auch von katholischen Organisationen gerne und häufig in Anspruch genommen.

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