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Wir braAten in der letzten Nummer der „FurAe” aus der Feder eines ständigen Mitarbeiters einen Aufsatz, der dem GedäAtnis František Palackys gewidmet war. Im NaA- stehenden sei der mit einem Satze oft zitierte und trotz seiner historisAen Bedeutsamkeit wenig bekannte Brief wiedergegeben, den Palacky am 11. April 1848 als Antwort auf die vom Präsidenten Soiron ergangene Einladung zum Frankfurter Parlament an diesen riAtete. Eingangs des SAreibens lehnte er die Einladung mit dem Hinweis ab, daß er als TsAeAe keinerlei ReAt habe, an den Beratungen, die der Einigung DeutsAlands gewidmet seien, teilzunehmen, im zweiten Teil legt er darüber hinaus Sinn und europäisAe Funktion des österreiAisAen Gesamtsraates in Gedankengängen dar, die vielfaA bis heute Aktualität bewahrt haben.

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Wir braAten in der letzten Nummer der „FurAe” aus der Feder eines ständigen Mitarbeiters einen Aufsatz, der dem GedäAtnis František Palackys gewidmet war. Im NaA- stehenden sei der mit einem Satze oft zitierte und trotz seiner historisAen Bedeutsamkeit wenig bekannte Brief wiedergegeben, den Palacky am 11. April 1848 als Antwort auf die vom Präsidenten Soiron ergangene Einladung zum Frankfurter Parlament an diesen riAtete. Eingangs des SAreibens lehnte er die Einladung mit dem Hinweis ab, daß er als TsAeAe keinerlei ReAt habe, an den Beratungen, die der Einigung DeutsAlands gewidmet seien, teilzunehmen, im zweiten Teil legt er darüber hinaus Sinn und europäisAe Funktion des österreiAisAen Gesamtsraates in Gedankengängen dar, die vielfaA bis heute Aktualität bewahrt haben.

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„Die Furche”

Sie wissen, welAe MaAt den ganzen großen Osten unseres Weltteils inne hat; Sie wissen, daß diese MaAt sAon jetzt zu kolossaler Größe herangewaAsen, von Innen heraus mit jedem Jahrzehend in größerem Maße siA stärkt und hebt, als solAes in den westliAen Ländern der Fall ist und sein kann; daß sie, im Innern fast unangreifbar und unzugängliA, längst eine drohende Stellung na A außen angenommen hat und wenngleiA auA im Norden aggressiv, den- noA, vom natürliAen Instinct getrieben, vorzugsweise naA dem Süden zu siA auszubreiten suAt und suAen wird; daß jeder SAritt, den sie auf dieser Bahn noA weiter vorwärts maAen könnte, in besAleunigtem Lauf eine neue UniversalmonarAie zu erzeugen und herbeizuführen droht. Das ist ein unabsehbares und unnennbares Übel, ein Calamität ohne Maß und Ende, welAe iA, ein Slave an Leib und Seele, im Interesse der Humanität deshalb niAt weniger tief beklagen würde, wenn sie siA auA als eine vorzugsweise slavisAe ankündigen wollte. Mit demselben UnreAt, wie in DeutsA- land als DeutsAenfeind, werde iA in Rußland von Vielen als Russenfeind bezeiAnet und angesehen. Nein, iA sage es laut und offen, iA bin kein Feind der Russen, im Gegenteil. IA verfolge von jeher mit Aufmerksamkeit und freudiger Teilnahme jeden SAritt, den dieses große Volk innerhalb seiner natürliAen Gränzen auf der Bahn der Civilisation vorwärts thut: da iA jedoA bei aller heißen Liebe zu meinem Volke die Interessen der Humanität und Wisseu-

sAaft von jeher noA über die Nationalität stelle, so findet sAon die bloße MöghAkeit einer russisAen UniversalmonarAie keinen ent- sAiedeneren Gegner und Bekämpfer als miA; niAt weil sie russisA, sondern weil sie eine UniversalmonarAie wäre.

Sie wissen, daß der Süd-Ost von Europa, Ae Gränzen des russisAen ReiAes entlang von mehren in Abstammung, SpraAe, GesAiAte und Gesittung merkliA versAiedenen Völkern bewohnt wird — Slaven, WalaAen, Magyaren und DeutsAen, um der GrieAen, Türken und SAkipetaren niAt zu gedenken — von welAen keines für siA allein mäAtig genug ist, dem übermäAtigen NaAbar im Osten in alle Zukunft erfolgreiAen Widerstand zu leisten; das können sie nur dann, wenn ein einiges und festes Band sie alle mit einander vereinigt. Die wahre Lebensader dieses notwendigen Völkervereines ist Ae Donau; seine Centralgewalt darf siA daher von diesem Strome niAt weit entfernen, wenn sie überhaupt wirksam sein und bleiben will. WahrliA, existierte der oster- reiAisAe Kaiserstaat niAt sAon längst, man müßte kn Interesse Europas, im Interesse der Humanität selbst siA beeilen, ihn zu sAaffen.

Das VölkerreAt ist ein wahres NaturreAt, kein Volk auf Erden ist bereAtigt, zu seinen Gunsten von seinem NaAbar die Aufopferung seiner selbst zu fordern, keines ist verpfliAtet, siA zum Besten des NaAbars zu verläugnen oder aufzuopfern. Die Natur kennt keine herr- sAenden sowie keine dienstbaren Völker. Soll das Band, welAes mehrere Völker zu einem politisAen Ganzen verbindet, fest und dauerhaft sein, so darf keines einen Grund zu Be- fürAtung haben, daß es durA Ae Vereinigung irgendeines seiner Aeuersten Güter einbüßen werde, im Gegentheil muß jedes die siAere Hoffnung hegen, bei der Centralgewalt gegen allenfällige Übergriffe der NaAharn SAutz und SAirm zu finden; dann wird man siA auA beeilen, diese Centralgewalt mit so viel MaAt auszustatten, daß sie einen solAen SAutz wirksam leisten könne. IA bin überzeugt, daß es für ÖsterreiA auA jetzt noA niAt zu spät ist, diesen Grundsatz der GereAtigkeit, die sacra ancora beim drohenden SAiffbruA, laut uni rüAhaltslos zu proklamieren und ihm praktisA allenAalben NaAdruA zu geben: doA die AugenbliAe sind kostbar, möchte man doA um Gottes willen niAt eine Stunde länger zögern! MetterniA ist niAt bloß darum gefallen, weil er der ärgste Feind der Freiheit, sondern auAdarum, weil er der unversöhnlichste remd aller slavisdien Nationalität in Österreich gewesen.

Sobald idi nun meine Blicke über die Gränzen Böhmens hinaus erhebe, bin idi durdi natürliche wie geschichtliche Gründe angewiesen, sie nicht nach Frankfurt, sondern nach Wien hin zu richten, und dort das Centrum zu suchen, welches geeignet und berufen ist, meines Volkes Frieden, Freiheit und Recht zu sichern und zu schützen. Ihre Tendenz, meine Herren! scheint mir aber jetzt offen dahin gerichtet zu sein, dieses Centrum, von dessen Kraft und Stärke ich nicht für Böhmen allein Heil erwarte, nidit nur, wie gesagt, unheilbar zu schwächen, son- dern sogar zu vernichten. Oder glauben Sie wohl, die österreichische Monarchie werde noch länger Bestand haben, wenn Sie ihr verbieten, innerhalb ihrer Erblande ein eigenes, von dem Bundeshaupt in Frankfurt unabhängiges Heer zu besitzen? Glauben Sie, der Kaiser von Österreich werde sich auch dann noch als Souverain behaupten können, wenn Sie ihn verpflichten, alle wichtigeren Gesetze von Ihrer Versammlung anzunehmen und somit das Institut der österreichischen Reichsstände sowie alle durch die Natur selbst gebotenen Provinzial-Ver- fassungen der verbundenen Königreiche illusorisch zu machen? Und wenn dann zum Beispiel Ungarn, seinem Triebe folgend, von der Monarchie sich ablöst, oder, was beinahe gleichbedeutend ist, zu ihrem Schwerpunkt sich gestaltet — wird dieses Ungarn, das von einer nationalen Gleichberechtigung innerhalb seiner Gränzen nichts wissen will, in die Länge sich frei und stark behaupten können? Nur der Gerechte ist wahrhaft frei und stark. Es kann aber von einem freiwilligen Anschluß der Donauslaven und der Walachen, ja der Polen selbst, an einen Staat, der den Grundsatz aufstellt, daß man vor allem Magyare und dann erst Mensdi sein müsse, nicht die Rede sein; und von einem gezwungenen noch weniger. Um des Heils von Europa willen darf Wien zu einer Provinzialstadt nicht herabsinken. Wenn es aber in Wien selbst Menschen gibt, die sich Ihr Frankfurt als Kapitale wünschen, so muß man ihnen Zurufen: Herr! vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie wollen! Endlich muß ich noch aus einem dritten Grunde Anstand nehmen, bei Ihren Beratungen mitzuwirken: ich halte nämlich alle bisherigen Projekte zu einer Reorganisierung Deutschlands auf Grundlage des Volkswillens für unausführbar und in die Länge unhaltbar, wenn Sie sich nicht zu einem echten Kaiserschnitt ent schließen — ich meine die Proclamierung einer deutschen Republik — wäre es auch nur als eine Übergangsform. Alle versuchten Vorschriften von Theilung der Gewalt zwischen halb ouve- rainen Fürsten und dem souverainen Volk erinnern mich an die Theorien der Phalanstere, die gleichfalls von dem Grundsätze ausgehen, die Beteiligten werden wie Ziffern in einem Rechenexempel sich verhalten und keine andere Geltung in Anspruch nehmen, als welche die Theorie ihnen anweist.

Möglich, daß meine Ansicht unbegründet sei — aber diese Überzeugung ist da, und ich darf diesen Compaß keinen Augenblick aus der Hand geben, wenn ich in den Stürmen des Tages nicht haltungslos mich verlieren will. Was nun die Einführung einer Republik in Deutschland betrifft, so liegt diese Frage so ganz außerhalb des Kreises meiner Competenz, daß ich darüber nicht einmal eine Meinung äußern will. Von den Gränzen Österreichs muß ich aber jeden Gedanken an die Republik in vorhinein entschieden und kräftig zurückweisen. Denken Sie sich Österreich in eine Menge Republiken und Republickchen aufgelöst — welch ein willkommener Grundbau zur russischen Universalmonarchie!

Um endlich meine lange und doch nur flüchtig hingeworfene Rede zu schließen, muß ich meine Überzeugung in kurzen Worten dahin aussprechen, daß das Verlangen, Österreich (und mit ihm auch Böhmen), soll es sich volkstümlich an Deutschland anschließen, das heißt in Deutschland aufgehen, eine Zumutung des Selbstmords ist, daher jedes moralischen und politischen Sinnes ermangelt; daß im Ge- gentheil die Forderung, Deutschland möge sich an Österreich anschließen, das heißt der österreichischen Monarchie unter den oben angedeuteten Bedingungen beitreten, einen ungleich besser begründeten Sinn hat. Ist aber auch diese Zumuthung dem deutschen Nationalgefühl gegenüber unstatthaft, so erübrigt nichts, als daß beide Mache, Österreich und Deutschland, nebeneinander gleichberechtigt sich constituieren, ihren bisherigen Bund in ein ewiges Schutz- und Trutzbündnia verwandeln und allenfalls noch, wenn solches ihren beiderseitigen materiellen Interessen zusagt, eine Zolleinigung untereinander abschließen. Zu allen Maßregeln, welche Österreichs Unabhängigkeit, Integrität und Machtentwicklung, namentlich gegen den Osten hin, nicht gefährden, bin ich mitzuwirken immer freudig bereit.

Genehmigen Sie, meine Herren! den Ausdruck meiner aufrichtigen Verehrung und Ergebenheit.

Prag, 11. April 1848

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