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Eine Kirche für Wien, Theater für Salzburg

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Erzbischof Dr. Franz J a c h y m eröffne im Museum für angewandte Kunst, Wien I, Weiskirchnerstraße 3, eine Ausstellung sämtlicher Entwürfe, die zum Wettbewerb „Neubau der Matzleinsdorfer Kirche“ eingereicht worden sind.

Dieser Wettbewerb ist der bedeutendste, der in Wien je zum Neubau einer Kirche von der Wiener Erzdiözese veranstaltet wurde; und der erste seit 1945. Zehn Architekten, darunter namhafte Baumeister des Auslandes, wurden zur Teilnahme eingeladen: Rudolf Schwarz, Frankfurt am Main; Miguel Fisac, Madrid; Hermann Baur, Basel; Hans Schädel, Würzburg. Unter den Oesterreichern, die zum Wettbewerb geladen wurden, waren Ceno Kosak, Robert Kramreiter und die Architektengruppe 4, deren Pfarrkirche in Salzburg-Parsch bereits internationalen Ruf errungen hat. Man hätte diese Liste österreichischerseits vielleicht noch durch die Namen Karl Raimund Lorenz, Graz, und die jungen Architekten Friedrich Achleitner—Johannes Gsteu ergänzen können, deren Projekt einer Pfarrkirche für St. Martin bei Linz viel diskutiert wurde. Achleitner und Gsteu haben sich schließlich „außer Konkurrenz" am Wettbewerb beteiligt und einen sehr bemerkenswerten Entwurf vorgelegt. Zu bedauern bleibt, daß Robert Kramreiter kurz vor Ablauf der Einreichungsfrist zurückgetreten ist. Kramreiter hat sich schon vor Jahren mit dem Projekt der Matzleinsdorfer Kirche beschäftigt, und es wäre interessant gewesen, zu sehen, wie er sich gegenüber der starken ausländischen Konkurrenz behauptet hätte.

Die Jury, der an Fachleuten u. a. Clemens Holzmeister als Vorsitzender sowie Fritz Metzger, Zürich, und Willy Weyress angehörten, vergab keinen ersten Preis. Mit dem zweiten Preis wurde Rudolf Schwarz, mit je einem dritten Preis die Arbeitsgruppe 4 und die Architektengemeinschaft Hans Schädel-Friedrich Ebert ausgezeichnet. Angekauft wurden die Projekte von Ceno Kosak und Hermann Baur. Rudolf Schwarz und Hermann Baur hatten je zwei Varianten eingereicht; die zweite Variante wurde jeweils ausgeschieden. Von den Oesterreichern haben sich also nur die Arbeitsgruppe 4 und Ceno Kosak gegenüber der ausländischen Konkurrenz halten, können; hoffen wir, daß sie in Hinkunft stärker als bisher bei Vergebung kirchlicher Bauaufträge berücksichtigt werden I

Nun zu den Projekten selbst. Bei der endgültigen Vergebung des Bauauftrags für die neue Matzleinsdorfer Kirche — die nicht an die Zuerkennung der Preise gekoppelt ist — kommen wohl nur zwei Projefkteijn -Fraget daemon.Rstdojf Sphwar , uiyA'das- der Arbeitsgruppe 4.

Rudolf Schwarz sieht einen langgestreckten, rechteckigen Baukörper von schlichter Würde vor. Die Jury hob lobend hervor: „Der mächtige Kubus der Kirche erhebt sich schön über den niedrigen seitlichen Raumkompartimenten.“

Im Unterschied zu Rudolf Schwarz, der eine Prozessionskirche schuf (Betonung des Hinwegs zum Altar, der an der Rückwand der Kirche liegt), hat die Arbeitsgruppe 4 den Altar ins Zentrum der Kirche gestellt. Der Grundriß ihrer Kirche, die in sehr bescheidenen Maßen gehalten ist, hat Kreuzform. Die Außenwände sind aus Milchglas, die Gesamthöhe beträgt 15 Meter. Erzbischof Jachym hob hervor, daß dieses Projekt den gottesdienstlichliturgischen Forderungen am besten entsprochen hat.

Am dritten preisgekrönten Projekt, das gegenüber den beiden ersten weniger konsequent wirkt, hat vor allem Pfarrer Blieweis von St. Florian nicht zu Unrecht auszusetzen, daß es das Kirchenvolk über eine Rampe zu dem um ein Geschoß höher gelegenen Altar führt, was insbesondere für die älteren Gemeindemitglieder eine zu starke Beanspruchung bedeutet.

Die Jury hat vorgeschlagen, daß die ersten beiden Preisträger, Rudolf Schwarz und die Arbeitsgruppe 4 — also ein deutscher Architekt und eine österreichische Architektengemeinschaft — gemeinsam mit der Ausführung des Projektes beauftragt werden sollen. Dieser Vorschlag scheint uns einerseits sehr erfreulich, zeichnet er doch die beiden stärksten Bauideen aus; anderseits scheinen uns aber diese beiden Bauideen bereits soweit entwickelt, daß wir uns schwer vorstellen könnten, wie sich beide vereinen ließen, ohne daß es zu einem niemand befriedigenden Kompromiß kommt.

Zwei Dinge erscheinen uns aber besonders wichtig: die endgültige Entscheidung, welches Projekt durchgeführt wird, wird erst dann getroffen werden können, wenn das endgültige Schicksal der alten Pfarrkirche St. Florian, die inmitten der Wiedner Hauptstraße steht, entschieden ist. Die „Furche" hat wiederholt für die Erhaltung der alten Pfarrkirche, die nur 100 Sitzplätze umfaßt (die neue soll 2000 haben), plädiert. Es ist nicht wahr, daß sie ein Verkehrshindernis ist: die Wiedner Hauptstraße bildet an dieser Stelle eine bauchartige Ausbuchtung, um dann trichterförmig enger z werden. Ein Verkehrshindernis ist nur die links'der Kirche befindliche Straßenbahnhaltestelle, die ohne weiteres um etwa 30 Meter Richtung Gürtel verlegt werden könnte. Es ist der Architektengruppe 4 zu danken, daß sich ihr Entwurf nachhaltig für die Erhaltung der barocken Kirche ausspricht und gerade aus dem

Gegensatz von Barock und konstruktiver Moderne seine Wirkung bezieht.

Zweitens erscheint uns wesentlich, daß die Wünsche der Pfarrgemeinde zwar gehört, ihr aber auf keinen Fall das letzte Wort gegeben wird. Das Volk, befragt, für wen es sich entscheide, wird immer stürmisch verlangen: „Gebt uns den Barabbas frei f“ Das einfache Mitglied des Pfarrkirchenrates wird sicher einem lauwarmen Kompromißler den Vorzug geben. Und das wäre von Uebel.

Dieselbe Woche brachte eine zweite große Architekturausstellung. Sie befindet sich in der Akademie der bildenden Künste, Wien I, Schiller platz 3, und zeigt die Entwürfe, die der Rektor des Hauses, Architekt Prof. Clemens Holzmeister, für die Erweiterung und Erneuerung des Salzburger Festspielhauses gemacht hat. Es würde den Umfang dieses Referates bei weitem sprengen, dieses großzügige Projekt eingehend würdigen — geschweige denn kritisieren — zu wollen Die Ausstellung jedenfalls ist zugleich eine Lehrausstellung geworden. Sie führt den Umfang der Bemühungen Holzmeisters um das neue Festspielhaus vor Augen und gibt einen Ueberblick über die historische Entwicklung seiner verschiedenen Pläne. Wir wissen, daß Holzmeister seit Jahren, ja Jahrzehnten, mit großer Hingabe um die Idee eines neuen Festspielhauses gerungen hat. Die zuletzt gefundene Lösung der Lage des Fjauses einerseits (es schmiegt sich ganz an den Mönchsberg an), der Innengestaltung des Zuschauer- und Bühnenraumes anderseits scheint uns in der Tat weitaus die beste und überzeugendste zu sein.

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