6654875-1959_23_09.jpg
Digital In Arbeit

Es geht um Alt-Gmunden

Werbung
Werbung
Werbung

1

Die Herzlandschaft des Landes Oberösterreich ist ohne Zweifel der Traunsee. Der Traunstein, der ihn überragt, schaut weit ins Land und bestimmt dessen Bild. Wer immer, vom Norden kommend, dem Salzkammergut zustrebt, wer Ischl, Goisern, Aussee besuchen möchte, der muß am Traunsee vorüber, am Gmundener See, wie er auch heißt.

Die Reisenden, die im Wagen kommen, von Linz und Lambach, sie müssen alle über die Brücke, .die sich über die Traun spannt an deren Ausfluß aus dem See, sie alle müssen durch das Trauntor, durch die enge Kammerhofgasse, am Hauptplatz mit dem herrlichen Renaissance- rathaus vorüber, durch die schmale Theatergasse hinaus aus der alten Salzstadt.

Nun ist die Traunbrücke erneuerungsbedürftig. Seit etwa Anfang März wird an einer Notbrücke gebaut, südlich der jetzigen, an deren Stelle eine neue, leistungsfähigere Brücke gebaut werden soll. Mit schweren Opfern, wie später gesagt werden soll. Begreiflich, daß die Frage aufgeworfen worden ist, ob nicht die Gelegenheit zu nützen sei, die Bundesstraße, die über die Brücke, durch da.s Trauntor und die engen Straßenzüge der Kammerhof- und der Theatergasse zieht, aus der Altstadt zu verlegen. So wie ja der Durchgangsverkehr in. anderen Städten aus dem Stadtkern herausgelöst worden ist: in Krems, in Stein,- in. Wels. Denn, wenn auch — wie beabsichtigt — aas Trauntor abgerissen und breiter wiederaufgebaut würde, das über ihm sich erhebende Haus zerstört, die Häuser zur Rechten (An der Traunbrücke 3 und 1) vernichtet und die. Neubauten an ihrer Stelle zurückgesetzt würden, wenn auch der Kammerhof zur Linken (Kammerhofgasse 8 und 10) zum Teil abgerissen und die Neubauten mit Arkaden versehen würden — dies alles nur mit schwersten Opfern an Denkmal- und Stadtbildwerten erkauft —, selbst dann würde für den Verkehr nichts gewonnen werden, da er sich nach wie -vor durch die engen Gassen der Altstadt zwängt.

Selbst eine Umfahrungsstraße könnte keine wirkliche Entlastung bringen, da durch die Zunahme des Kraftverkehrs auf jeden Fall mit einem dichteren Verkehr in diesem Teile Alt- Gmundens gerechnet werden muß. Es würde vielleicht mit der Zerstörung des Trauntores, der Häuser An der Traunbrücke 1 und 3 und der teilweisen des Kammerhofes gar nicht sein Bewenden haben.

Denn in einem Architektenwettbewerb wurde ein Entwurf preisgekrönt, der außer deren Vernichtung noch die Aufführung eines Hochhauses an dieser Stelle vorsieht. Es ist fraglich, ob zumindest diese Gefahr gebannt ist.

2

Läßt sich kein Weg finden, der die Verkehrsnot für immer beseitigen und keinen Verlust an Baudenkmälern bringen würde? Gewiß! Und er ist schon gefunden. Es gibt eine Planung, wonach die Bundesstraße, ohne die Altstadt zu berühren, parallel zum Seeufer und zur Esplanade geführt wird.

Man muß nur, spät, aber nicht zu spät, zugreifen, und man hat eine dauernde Gesamtlösung Uebrigens - und das ist des Pudels Kern — ist dieser Gegenentv/urf wesentPch wirt schaftlicher als der andere. Auf jeden Fall könnten dann die auf nahezu ein Million .Schilling angesetzten Kosten der Notbrücke erspart werden. Die Kosten des Umbaues bis zur Franz- Schleiß-Gasse am westlichen Ende des Kammerhofes betragen nach vorsichtiger Schätzung rund 17 Millionen Schilling, bis zum Stadtplatz 22 Millionen. Der’ Bund würde die reinen Brückenbaukosten von 7 Millionen Schilling übernehmen, die Stadt mit der restlichen Summe von 15 Millionen belastet werden. In diesem Betrag sind durchaus nicht alle Kosten für Ablösen und Entschädigungen enthalten. Glaubt man wirklich, daß diese Riesensumme wird aufgebracht werden können? Dabei muß auch noch die enge Theatergasse „ausgeweitet” werden Wir dürfen also keine Verkehrslösung erwarten: Denn die Brücke soll 13 Meter, deren Fahrbahn 8,30 Meter betragen, die Fahrbahnbreite in der Kammerhofgasse aber müßte etwa in der Mitte des Kammerhofes um fast 3 Meter eingeschnürt werden; also würde bis zum Stadtplatz ein gefährlicher „Flaschenhals” entstehen.

Keine Verkehrslösung und dazu schwere Verluste an Denkmal- und Stadtbildwerten und ungeheure Kosten!

Man sieht: eine sehr planlose Planung! Wir können nicht begreifen, daß man trotz des Vor handenseins einer verständigen Planung den starken Verkehr in die engen Altstadtgassen pressen möchte. Bedenkt man denn gar nicht, was der unerträgliche Lärm des Verkehrs, der erstickende Gestank der Benzindämpfe in den engen Gassen und vollends in den Arkaden für Bewohner und Geschäftsleute “und schließlich auch für die Kurgäste bedeuten würde? Bedenkt man nicht, wie umgekehrt die Kammerhof- und die Theatergasse eben durch die Befreiung vom Durchgangsverkehr sich zu gerne benützten Einkaufsstraßen entwickeln würden? Will man ein Stadtviertel für den Geschäftsverkehr gewinnen, so muß man es vom Durchgangsverkehr befreien. Man muß doch wirklich aufs Ganze sehen und nicht nur die Vorteile einiger weniger im Auge haben!

3

Uebrigens ist noch nicht aller Tage Abend! Vor uns liegt die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 18. März 1959 bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, WoR-3-1959, über das Ansuchen der Stadtgemeinde Gmunden und der Frau K. R. auf Feststellung, daß die Abtragung und der Ersatz der Gebäude An der Traunbrücke 1 und 3, Kammerhofgasse 8 und 10 und Linzer Straße 1 im öffentlichen Interesse liegen. Danach haben die zahlreichen Mieter der abzureißenden Häuser mancherlei Einwendungen formaler und sachlicher Natur erhoben. So sei es nach dem heute vorgewiesenen Plan der Stadtverwaltung nicht einmal klar, welche Teile der Häuser Kammerhofgasse 8 und 10 abgerissen werden müßten; der Beschluß der Stadtgemeinde Gmunden, jenes Projekt zu verwirklichen, das den Abbruch der Häuser voraussetze, sei nicht rechtskräftig und werde bestimmt angefochten werden; daher könne sehr wohl ein anderes Projekt verwirklicht werden. Um Baubewilligung sei nicht einmal noch angesucht, geschweige denn eine solche erteilt worden. Erst aber müsse doch die Baubewilligung rechtskräftig geworden sein, ehe festgestellt werden könne, ob der Antrag auf Abreißung der Häuser und deren Ersatz im öffentlichen Interesse gelegen sei. ln keiner Weise habe die Stadtverwaltung nachgewiesen, daß die Mittel für Abbruch und Neubau sicher gestellt seien. Für die Geschäftsinhaber sei es aber eine Lebensfrage, ob sie neue Geschäftsräume erhalten würden. Wie, wenn der Plan an Geldmangel scheiterte? Das öffentliche Interesse sei also in keiner Weise gegeben, im Gegenteil, schwerstens gefährdet. Das sozial sehr harte Vorhaben werde aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen nicht verwirklicht werden können. Habe doch die Gemeinde Gmunden seit 1945 kein einziges Wohnhaus bauen können!

Die Verhandlung wurde schließlich auf Antrag der Stadtgemeinde Gmunden auf unbestimmte Zeit vertagt.

4

Unter, solchen Umständen, angesichts so starken Widerstandes der Gmundner selbst, muß man fragen, wem denn so daran gelegen sei, daß auf ein so ungewisses Ziel hin ungeheure öffentliche Mittel verschwendet und eine schöne alte Stadt zum nicht geringen Teil zerstört werden Söll. Genug! Muß wirklich Alt-Gmunden zerstört werden, obwohl es eine verständige Lösung aller Fragen gibt?

Betrachten wir das Vogel- schaubild. Was sehen wir?

Die neue, dem Gegenprojekt entsprechende Brücke, fast genau dort, wo zur Zeit an der Notbrücke gebaut wird, schneidet die aus dem See aus- fließende Traun in leicht schrägem Winkel und erreicht däs Gmundner Ufer unmittelbar südwestlich des Kammerhofes, also derart, daß die freie Sicht vom Rathausplatz auf den See nicht im geringsten beeinträchtigt wird. Eine Freitreppe verbindet den Platz. Die anmutig gekrümmte Kammerhofgasse, der Kammerhof selbst, das Torgebäude und die Häuser An der Traunbrücke 1 und 3 — alles bleibt erhalten. Der Rathausplatz mit dem herrlichen Rathaus und dem berühmten Seeblick wird wesentlich von den parkenden Kraftwagen befreit und diese teils auf dem gewonnenen Gelände vor den Hotels „Austria” und „Schwan”, teils an der Ausmündung der neuen Straße abgestelk werden können. Alt-Gmünden wird ein neues, durchaus gefahrloses Einkaufszentrum gewinnen, und das alte Rathaus mit seinem entzückenden Rokokoschmuck wird in Ruhe betrachtet werden können. Die im Westen ein mündende verkehrsreiche Gra- benstraße wird nun nicht mehr mit dem Durchgangsverkehr der engen Theatergasse zu rechnen haben.

Was in so vielen österreichischen Städten verwirklicht worden ist, die Umfahrung des

Stadtkerns, sollte auch hier möglich sein!

Freilich, das Schicksal nimmt seit einiger Zeit schon seinen Lauf, dėnn man hat mit dem Bau der Notbrücke Anfang März begonnen. Nun aber lasse man es wirklich dabei bewenden, man kehre um, man lasse sie nicht zur Not Gmundens werden!

LEGENDE ZUM FLUGBILD: Fast genau an derselben Stelle, wo die endgültige Brücke des Gegenprojekts gebaut werden soll, wird zur Zeit an der Notbrücke gearbeitet. Die Gmundner werden sich schon jetzt fragen, warum man denn nicht ebenda gleich die richtige Brücke baut.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung