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Ferien in der Grünen Mark

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Wenn einst „jenseits des Semmerings wilde Bergvölker gehaust“ haben (was immerhin lexikalisch festgehalten wurde) und damit reisendes Volk zur Vorsicht gemahnt wurde, so wohnt heute innerhalb der grünweißen Grenzpfähle ein überaus gastfreundlicher Menschenschlag. Denn nur so läßt sich erklären, warum ein immer stärkerer Ferienstrom sich in die Steiermark ergießt. Erstmals schob sich die Steiermark im Vorjahr mit über 6 Millionen Nächtigungen hinter die traditionellen Urlaubsländer Tirol, Salzburg und Kärnten an die vierte Stelle der neun Bundesländer; erstmals überflügelte sie mit rund 4,5 Millionen Inländernächtigungen das zuvor klassische Inländerurlaubsland Niederösterreich, wobei allein 3,5 Millionen Nächtigungen auf Gäste aus der Bundeshauptstadt entfielen. Sie wissen es offensichtlich zu schätzen, daß beispielsweise steirische Kleinbusgeschwader sie gewissermaßen im Haus-zu-Haus-Verkehr vom Wohn- zum Urlaubsort und zurück befördern können und daß durch den Ausbau der Straßen die Steiermark immer näher an die Bundeshauptstadt heranrückt.

Obendrein schlägt für die Steiermark zu Buche, daß sie

• als preisgünstiges und kinderfreundliches Urlaubsland,

• als Ferienparadies für die große Familie mit der kleinen Brieftasche bekannt ist und

• überhaupt durch die vielfältigen Land-schaftsformen und durch die reichhaltige Flora zum Urlaubsland geradezu prädestiniert ist.

Der Grund, warum die Steiermark immer mehr als Reiseland anvisiert wird, ist aber gleichermaßen Ergebnis gezielter fremdenverkehrspolitischer Maßnahmen, die auf eine Förderung der Familienbetriebe abzielen. Denn im Zeitalter des Massentourismus, des maßgeschneiderten Urlaubs zu Festpreisen von der Stange in Ferienkaufhäusern, in dieser Zeit der Konformität also, ist der managergeplagte Zeitgenosse wieder zu den Urlaubsvorstellungen seiner Großeltern zurückgekehrt: Erholung und Entspannung für Geist, Körper und Seele durch eine persönliche Betreuung. Und wo wird dieses Verlangen nach behaglicher Atmosphäre besser gestillt als in einem Familienbetrieb, wo sich Wirt und Wirtin um die Wünsche der Gäste kümmern.

Weil aber der Gast auf Komfort nicht verzichten will, unterstützt das Land Steiermark schon seit nahezu einem Jahrzehnt die Bestrebungen der Betriebe um bessere Ausstattung. Allein im vergangenen Jahr vergab es 109 Millionen Schilling an verbilligten Krediten an die qualitätsorientierte Fremdenverkehrswirtschaft als Initialzündung für weitere Investitionen. Außerdem verstärkte das Land die touristische Anziehungskraft der Steiermark, indem es Hilfestellung beim Bau von 200 Schwimmbädern, von über einem Dutzend Hallenbädern und von Badeseen sowie bei der Anlage von Höhenstraßen und Gondelbahnen gab.

Wenn der Freizeitmarkt für die Erbauung des Gastes da ist, so erfüllt er aber auch noch eine wichtige wirtschaftliche Funktion. Nach Untersuchungen fließt ein Großteil des touristischen Ausgabenstromes, nämlich ' über 43 Prozent, in das heimische Versorgungsgewerbe als dem Hauptlieferanten für Fleisch- und Wurstwaren, für Brot und Gebäck, für Gemüse und Genüsse — denn erfahrungsgemäß werden die Beherbergungsbetriebe vom lokalen Markt versorgt. Deshalb, und weil die Fremdenverkehrsorte entfernt von industriellen Ballungszentren in zumeist agrarischen Gebieten liegen, wirkt der Ausgabenstrom auch nivellierend auf das Einkommensgefälle. Dies bestätigte ein Vergleich der Steuerkopfquoten von steirischen Fremdenverkehrszentren und Industriestädten — sie bewegen sich auf nahezu gleicher Höhe. Damit wurde der Fremdenverkehr zu einer sinnvollen Ergänzung für die Industrie.

Und weil der steirische Fremdenverkehr vornehmlich auf den Inlandsgast ausgerichtet ist, ist er auch nicht so krisenanfällig. Während nämlich 1966/67 die westeuropäische Wirtschaft die Talsohle durchmaß und viele westösterreichische Ausländerfremdenverkehrszentren über mangelnden Besucher- und Ein-nahmeschwund klagten, konnte die steirische Fremdenverkehrswirtschaft einen Nächti-gungszuwachs von 3.3 Prozent erzielen. Wenn in diesen Tagen bereits wieder viele Autos mit Kennzeichen aus Wien und Niederösterreich, aus Oberösterreich und dem Burgenland, aus Salzburg und Kärnten, aus Tirol und Vorarlberg in der Grünen Mark zu sehen sind, wenn also in diesen Tagen schon viele Touristen quasi als Vorboten für die Sommersaison im Lande zwischen der schroffen Dachsteinsüdwand und dem sanften süd-steirischen Rebenland unterwegs sind, so signalisieren sie die Folgerichtigkeit einer Fremdenverkehrspolitik, die insbesondere auf die Belange des heimischen Gastes abgestellt ist.

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