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Gasometer neu: Schluß mit durchtanzten Nächten
Simmering - der große unbekannte Rezirk - und dennoch zieht es an gewissen Samstagen tausende Wiener Freaks dorthin. Die Räume der Gasometer Simmering gehören zu den großartigsten Erlebnissen Wiener Architektur. Die Events und Flieger Club-bings, die die.enormen Volumina der alten Gasometer zu einem nebelverhüllten, mystischen Klangerlebnis machten, sind Legende. Die Zeiten der durchtanzten Nächte dürften bald gezählt sein.
Am 29. November 1995 verlaut -barten Wirtschaftsstadtrat Rudolf Edlinger und Wohnbaustadtrat Werner Faymann einen folgenschweren Entschluß: die Gasometer sollen revi-Jalisiert und als Gemeindewohnungen genutzt werden. Mit der öffentlichen Ausschreibung „Gasometer Simmering^- waren die Weichen der vier* riesigen, denkmalgeschützten piemaligen Gasbehälter gestellt: Jean Nou\el, Coop Himmelblau, Manfred Wehdörh und Wilhelm Holzbauer arbeiteten Gestaltungsvorschläge aus. Allein diese hochkarätige Besetzung zeigt das Bemühen um qualitativ wertvolle Resultate. .Immerhin handelt es sich um städtebaulich sehr markante Denkmäler einzigartiger Industriearchitektur, deren Durchmesser von 60 m bei einer inneren Raumhöhe von 72,5 m locker das Rie -senrad in sich aufnehmen kann. Was auch immer nun zwecks wirtschaftlicher Nutzung in diese Räume gefüllt wird: der monumentale Eindruck von 90.000 Kubikmeter Luft geht auf jeden Fall verloren. Das äußere Erscheinungsbild soll nach Möglichkeit unverändert bleiben.
Mehr Relichtungsflächen werden jedenfalls nötig sein, und die meisten der Architekten greifen die naheliegende Möglichkeit gläserner, kuppel-förmiger Oberlichter auf. Der zukünftige Mieter braucht Luft und Sonne, begleitende Infrastrukturmaßnahmen wie eine Night-Mall, Geschäftszonen, Einzelhandel, Restaurants,
Büros, Lagerflächen in den Untergeschossen, sowie andere alternative Wohnformen. Eine Veranstaltungshalle und Überlegungen zu zukünftigen Arbeitsformen wie home- oder tele-wofking sollen für die gesamte Umgebung neue Impulse geben. Sogar eine U3 Station ist als Verbindung zu Ottakring und dem Stadtzentrum vorgesehen. Trotz der denkmalpfle-gerischen Auflagen sind die Gestaltungsvorschläge der vier Architekten sehr verschieden. Am auffallendsten ist die Lösung von. Coop Himmelblau, die frech, gläsern eingefaßt, aus dem Backsteinmäuerwerk quillt. Konventionell stellt Marifred Wehdorn unter der gläsernen Oberlichtkuppel baumkuchenartige V\ ohnungsringe, die in 18 Segmente aufgeteilt sind, in das Zytindervolumen. Der Spezialist im Umgang mit alter Substanz, der auch beim Umbau der Hofburg, Schönbrunns oder vom Palais Harrach federführt, bemüht sich vor allem um eine möglichst umfassende Erhaltung der Außen-und Innenmauern. Sogar die historische Kuppelkonstruktion soll als Identifikationsmerkmal bestehen bleiben. Das Innere des Zylinders wird mit einem „Arboretum” bepflanzt.
Jean Nouvel, der umjubelte Stararchitekt aus Frankreich ist sich gleichfalls der Bedeutung der alten Bausubstanz bewußt: er stellt 18 segmentförmige, vierzehngeschossige Wohntürme in radialer Anordnung nebeneinander. Ihre moderne, leichte Konstruktionsweise soll sich deutlich vom schweren Außenmauerwerk abheben. Die Bewohner sollen durch die Nähe der Gebäude zur alten Wand durch die originalen Fensteröffnungen des Zylinders blicken können. Von der gläsernen Haut der neuen Gebäude erwartet man sich reizvolle Licht- und Schattenspiele, die durch die vielfache Reflexion begünstigt werden. Jean Nouvel hat besonders auf die Bauweise der neuen Implantationen gesetzt: sie beruht auf industrieller Fertigung, was die Wirtschaftlichkeit des Entwurfs enorm erhöht.
Wilhelm Holzbauer entfernt sich vom Kreisringsystem am weitesten: aus einer gemeinsamen Mitte nähern sich drei Gebäude der Innenwand, die mit Grünpflanzen bewachsen und genutzt werden kann. Dazwischen entstehen drei große Innenhöfe, die Gliederung der Baukörper mit Loggien, Vor- und Rücksprüngen soll für Vielfalt, Abwechslung und Transparenz sorgen.
Dennoch sind gerade die beiden
Konzepte, die sich nicht an die Vorgaben halten, die interessantesten und wahrscheinlich auch am wirtschaftlichsten: Gustav Peichl und das Duo Hermann & Valentiny haben den Großteil der Wohnungen außerhalb der Gasometer untergebracht, um so den gigantischen Raumeindruck im Innern von zumindest drei der vier Gasometer zu erhalten. Gustav Peichl stellt einen Turm in den Gasometer und gliedert den Außenraum durch einen schlangenförmigen Baukörper, in dem Wohnungen untergebracht sind. Ein dreieckiger Sockel strukturiert die Erdgeschoßzone. Gemeinsam schaffen diese Gebäude einen strukturierten Außenraüm und bringen im Größenvergleich den monumentalen Charakter der Gasometer noch besser zum Ausdruck. Außerdem sind Belichtungs-und sonstige Probleme im Freien besser zu lösen.
Bei Hermann & Valentiny beschränkt sich der „Wohnparavent” auf eine klare, scheibenartige Form, die mit 27 Stockwerken die Höhe der Gasometer noch überragt und eine einfassende Rückwand bildet. Die Wohnungen sind als Niedrigenergiehäuser konzipiert sein. Als Nachteil dieses Projektes wäre vielleicht anzumerken, daß es eine ganz deutliche, klare Richtung besitzt und im Falle der Realisierung die Verlegung der Gasdruckleitungen erforderte. Trotzdem sollten diese beiden „Ausreißer” der Jury zu bedenken geben, ob die Erhaltung von zumindest einem der Innenräume in der jetzigen Form nicht ein zu schützendes architektonisches Anliegen wäre.
Zu sehen sind die neuen Konzepte, sowie eine umfassende Darstellung der Geschichte der Gasometer im Architektur Zentrum Wien.
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