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Genossenschaftliche Selbsthilfe

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Die Baugenossenschaften haben seit Jahrzehnten im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues in Österreich zur Beschaffung von Wahnraum insbesondere für leistungsschwache Familien eine besondere Rangstel- lunig eingenommen.

Die Statistik zeigt uns für Ende 1909 in 17 Krooländem der österreichischen Reiehs- häMte 200 und schließlich Ende 1911 473 gemeinnützige Wohnbauvereiniigungen an. Ende 1914 zählte man bereits 641 gemeinnützige Wahnbauvereinigungen. Der erste Weltkrieg brachte das Ende dieser sozialen Wohnlbau- tätigkeit.

Die Not an Wohnraium nach dem Zusammenbruch der Monarchie verlangte bald nach einer wirksamen Abhilfe, die aber nur mit Hilfe der öffentlichen Hand erfolgen konnte. So kam es dann 1921 zur Ausgestaltung des bestehenden W ohnumgsfü rsorgefonids zu einem allgemeinen Bundes-Wohn- und Sied- lunigsfonds, der seither alile Regderungs- pertioden in Österreich überlebt hat und heute noch seine Tätigkeit entfaltet. Die Fondshilfe wunde in der Regel bis zu 90 Prozent der Gestehungskosten, in der ersten Nachkriegszeit sogar bis 98 Prozent der Baukosten geleistet. Sie bestand in Form unmittelbarer Darlehen und in Gestalt von verschiedent- lichen Rauvorschüssen. Das Schicksal des Bundes-Wohn- und Siedlungafonds war durch die Geldentwertung der I nfiatoonsjahre von reichlichen Schwierigkeiten begleitet. Die Finamizieirumg wechselte bei den ednizeleeen Bauvorhaben und brachte somit eine laufende Änderung der Mietzinse und damit Unruhe in die Reihen der Mitglieder der Baugenossenschaften. Es war daher damals das Bau- und Verwaltungsgeschäft der . Baugenossenschaften mit großen ‘ Schwierigkeiten verbunden. -a’f-- s.-i :

Eine Statistik’ der öffentlich geförderten Wahnibautätigkeit van 1928 bis 1938 weist insgesamt 23.793 Wohnungen im österreichischen Bundesgebiet auf. Das im Rahmen des Bun- desministeriums für soziale Verwaltung bestandene Bundes-Wohn- und Siedlungsamt wurde während der Zeit der Besetzung Österreichs durch das Großdeutsche Reich aufgelöst; der Versuch, den Bundes-Wohn- und Siedlungsfonds zu liquidieren, scheiterte, so daß dieser Fonds nach dem Wiedererstehen der Zweiten Republik seine Tätigkeit wiederaufnehmen konnte.

Die gesamtösterreichische Häuser- und Wohnungszählung vom Jahre 1961 ermöglicht es, über die Leistungen und Arbeiten der gemeinnützigen Wahnbauveireindgungen, besonders der Baugenossenschaften, Zahlen anzutführen. Zur Zeit siind in Österreich 207 Baugenossenschaften tätig, zu denen noch 113 gemeinnützige Wohnbauvereinigungen anderer Umtemehmungsformen gezählt werden können. Van diesen gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen werden zur Zeit rund 300.000 Wohnungen verwaltet. Rund 115.000 Genossenschafter erwarten in den österreichischen Baugenossenschaften die Erfüllung ihres Begehrens nach einer zweckentsprechend eingerichteten Wohnung zu tragbaren Bedingungen. Im Häusecbestand der gemeinnützigen Wohnungsvereinigungen überwiegen die ein- und zweigeschossigen Bauten deutlich (77 Prozent). Größere Bauten mit fünf und mehr Geschossen sind relativ selten (insgesamt vier Prozent). Ihr Anteil steigt aiber von Jahr zu Jahr, denn der Zug zu größeren Wohnbauten ist unverkennbar.

Nach der Zahl der Wohnungen je Haus ütaerwiegen die Meinen Häuser mit ein und zwei Wohnungen. Diese Siedlungshäuser machen mehr als die Hälfte aller im Bereich der gemeinnützigen Wohnungsvereinigungen errichteten Häuser aus. Ihr Anteil an der jährlichen Bauleistung geht aber ständig zurück. Immer mehr verlagert sich das Schwergewicht der Bautätigkeit auf Häuser mit mehr Wohnungen. Die weitaus größte Zahl der im Bau stehenden Häuser ist die mit sechs bis zehn Wohnungen. Die stärkste Zunahme verzeichnen abw die. großen Häuser mit 20 und mehr Wohnungen. ‘3f. .

Was die Ausstattung der von den Wohnungsvereinigungen erbauten Häuser anlangt, so ist davon auszugehen, daß sie vorwiegend in Städten und größeren Siedlungen liegen. Daher ist der Großteil dieser Bauten an ein öffentliches Kawalnetz angeschlossen, während nur noch ein kleiner Anteil der Häuser mit Senkgruben ausgestattet ist. Der Wohnungsbestand der Gemeinnützigen besteht zum größten Teil aus Mietwohnungen (84 Prozent). Mit einer Bauleistung von rund 10.000 Mietwohnungen pro Jahr (seit 1959) sind die ‘gemeinnützigen Wohnlbauvereini- gungen gegenwärtig die Hauptträger des Mietwohnungsbaues in Österreich. Der Anteil der Eigentumswohnungen beläuft sich im gesamten auf acht Prozent. Diese Wohnungen wunden jedoch ausschließlich nach 1945 erlichtet. Seit 1956 ist dieser Wohnungstyp durch eine verstärkte Bautätigkeit im An-’ wachsen.

Die Eigenheime machen mit 3,2 Prozent den kleinsten Teiil des WdhnungSbestandes aus. Was die Größe der Wohnungen anlangt, so verfügen die gemeinnützigen Wohnibaiu- vereinigiungen vorwiegend über mittelgroße Wohnungen (45 bis 75 Quadratmeter). Die Großwofaniungen im Ausmaß von 75 und mehr Quadratmetern sind im Wohnungsbestand der Gemeinnützligen mit einem Achtel nur schwach vertreten. „Eamüdengerechte“ Großwohnungen mit mehr als 100 Quadratmetern gibt es nur etwas mehr als ein Prozent. Die Kleinwohnungen bis zu 45 Quadratmeter machen jedoch fast ein Viertel alter Wohnungen aus. East 90 Prozent alter Gemein- mütdgkeitswohnungen verfügen über einen bis drei Wohnräume, wobei hier die Küchen nicht als Wohnräume beredinet sind. Innerhalb dieser Gruppen stellen die Wohnungen mit zwei Räumen, zu denen meist noch eine Küche kommt, den mit Abstand häufigsten Typ dar (41 Prozent). East ein Drittel aller Wohnungen besteht aus drei Wohmräumen. Größere Wohnungen mit vier und mehr Wdhnräumen .gilbt es jedoch weniger als Wohnungen mit nur einem Wohnraum. Nahezu alle Wohnungen verfügen über eine Räumlichkeit zum Kochen, lediglich 0,6 Prozent sind Einraumwohnungen ohne Kochgelegenheit. Der Anteil der Kochnischen hat in den Nachkniegsjahren stark zuganomimen, seit 1958 ist darin jedoch eine rückläufige Tendenz festzustellen. Mit einem Badezimmer sinid fast drei Viertel der Wohnungen aus- gestattet, während von den vor 1945 gebauten Wohnungen allerdings nur die Hälfte ein Bad haben.

Bei der Betrachtung der einzelnen Aus stattungsmerkmale der Wohnungen nach internationalen Richtlinien lassen die von den gemeinnützigen Wdhnbauverednigungen erbauten Wohnungen einen weit über dem österreichischen Durchschnitt liegenden Aus- stattungsgrad erkennen. Den besten Aus- statturagsgrad weisen die Eigentumswohnungen auf. Von ihnen sind 92 Prozent gut aus- gestattet. Bel den Mietwohnungen trifft dies jedoch nur für 71 Prozent und bei den Eigenheimen sogar nur für 55 Prozent zu.

Die wackeren Pioniere van Rochdale haben mit ihrer beispielgebenden Selbsthilfeieistung eiinen wirtschaftlichen Sdegeszug der genos- sen’schaftldicheni Bewegung in der ganzen Welt angeführt. In der landwirtschaftlichen, gewerblichen und Konsumgenossenschafts- bewegumg haben die Genossenschaften beispielhafte Einfolge zum Nutzen der Volkswirtschaft ihres Ländles und im Interesse der darin zusammengeschlossenen Genossenschafter erzielt. Audi in Österreich haben diese Genossenschaftsbewegungen beachtliche wirtschaftliche Erfolge erzielt, denen die Leistungen der österreichischen Baugenossenschaften ebenbürtig gleichgestellt werden können.

Die derzeitige Situation in der österreichischen sozialen Wohnungswirtschaft weist infolge der ständig ansteigenden Grundkosten und der laufend sich steigernden Baukosten eine den sozialen Charakter weithin auslöschende Situation auf. Es ist zu wünschen und zu hoffen, daß die von der Regierung in Aussicht genommene neue Öffentliche Wohnbauförderung eine echte soziale Wohnungswirtscbaft wieder gewährleistet und diämit auch den jungen Familien die Möglichkeit gilbt, für ihren Lebensraum und die gesunde Weiterentwicklung ihrer Familie einen entsprechenden Wohnraium zu tragbaren Bedingungen zu erhalten. Die Selbst- hiiilfetaisfiung der Baugenossenschafter an Eigenikapital, aber auch an Arbeitsleistungen im Eigenheimbau wird dabei besondere Beachtung finden; denn gerade im eigenen Heim des Siedlers, umgeben von entsprechendem Grünland, kann er die notwendige Ruhe und den Frieden für sich und seine Familie finden.

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