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Geschichte inszeniert vonhedy grolig

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Zwei Ausstellungsteile beinhalten Urkunden und landschaftliche Vielfalt, Leistungen der Kultur und Technik, Staatssymbolik und Klischeebilder Österreichs.

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Zwei Ausstellungsteile beinhalten Urkunden und landschaftliche Vielfalt, Leistungen der Kultur und Technik, Staatssymbolik und Klischeebilder Österreichs.

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Neuhofen an der Ybbs, der in der Ostarichi-Urkunde genannte Ort im Alpenvorland südlich von Amstetten, und die Landeshauptstadt St. Pölten sind die Veranstaltungsorte der als „Namenstags"-Geschenk Niederösterreichs konzipierten Länderschau „Ostarrichi - Österreich. 996 - 1996. Menschen - Mythen - Meilensteine."

Eröffnet werden die Ausstellungsteile am 4. Mai, wozu in Neuhofen am 18./19. Mai noch ein großes Österreich-Fest kommt. Volksgruppen aller Bundesländer einschließlich einer Delegation aus dem bayrischen Frei-sing haben ihre Mitwirkung zugesagt.

Für den St. Pöltner Teil errichtet Architekt Hans Hollein im neuen Regierungsviertel eine Ausstellungshalle, die später temporären Großausstellungen dienen soll und Kasse, Garderoben, Werkstätten, Vortragssaal, Museums-Shop, Cafe und Verwaltungsräume mit dem angrenzenden Museum teilen wird. Entsprechend einem bereits 1992 gefaßten Beschluß der auch Themenbeiträge beisteuern -den Landeshauptleute werden in St. Pölten das Überregionale, die Staatssymbolik, die Glaubensvielfalt der Bevölkerung, Glanz und Niederlagen des Landes sowie die Bildung von Mythen und Klischeevorstellungen veranschaulicht.

Was im Original nicht darstellbar ist, wird mit allen technischen Finessen inszeniert: die österreichische Kaiserkrone beispielsweise als Rundum-Hologramm und die Geschichte der Bundesländer als mediales Spektakel. Die zwanzig wichtigsten identitätsstiftenden Orte Österreichs sollen die Besucher wie in einem Ballon- oder Vogelflug erleben. Dazu müssen sie über eine gläserne Brücke gehen, über deren Boden die entsprechenden raumgreifenden Projektionen flimmern. Originale werden aus allen wichtigen Museen Österreichs und Europas zur Verfügung gestellt.

In Neuhofen feiert man das Millennium sowohl in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt als auch im gegenüberliegenden Ostarrichi-Kulturhof. Er entsteht zur Zeit durch Um- und Anbauten der bescheidenen, von dem Historiker Adam Wandruszkas initiierten, Gedenkstätte aus dem Jahr 1980. Der Schöpfer des neuen Kulturhofes ist Architekt Ernst Beneder. Vor der Fassade des für einen kleinen Ort wie Neuhofen etwas zu mächtig geratenen Vierkanters, der voll verglast den Blick vom Foyer über den Atriumhof zur Kirche freigibt, wird auf einem sieben mal fünfunddreißig Meter großen Rahmen eine zarte halbtransparente Fahne in Rotweißrot gespannt. Der Tageszeit und der Kunstlichtregie gemäß soll sie in die Blicke der Ankommenden auf sich ziehen.

Und wie in St. Pölten will man sich bei der Umsetzung der mehr auf das Regionale konzentrierten Themen auch hier der Videoprojektion bedienen. Mehr noch: Bei einer raumgreifenden, fünfzehnminütigen Multimediaschau über Europa um das Jahr Tausend, die Entstehung der Länder, den Österreichbegriff in Ländergruppen Innerösterreich, Vorderösterreich, Niederösterreich und Monar-chia Austriaca will man sogar auf Dufteffekte nicht verzichten. Mittels bemalter Vorhänge, mit Hilfe von Licht und einer Toninszenierung wird außerdem in einer Guckkastenbühne die Entwicklung einer Kulturlandschaft - nämlich die des Mostviertels, des Herzstücks des alten Ostarrichi - visualisiert.

Im ersten Stock wird als Höhepunkt der Länderausstellung drei Monate lang (später durch ein Faksimile ersetzt) die Jubiläums-Urkunde vom 1. November 996 gezeigt. In ihr heißt es: „Kaiser Otto III. schenkt der Bischofskirche Freising einen Hof und 30 Königshufen in einer Gegend, im-Volksmund Ostarrichi genannt, in der Markgrafschaft des Grafen Heinrich, des Sohnes des Grafen Leopold (I.) in einem Ort namens Ninvanho-va."(= Neuhofen)

Auch ihr Vorbild von 973 wird vom Bayrischen Staatsarchiv zur Verfügung gestellt. Zu den Raritäten zählen eine byzantinische Elfenbein-tafel und eine Auswahl erlesener Stücke aus der habsburgischen Kunst-und Wunderkammer aus dem Kunsthistorischen Museum.

Einen Eindruck vom Werden Österreichs vom Herzogtum im Südosten des Reiches zum Haus Österreich, dem Kaisertum Österreich und der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bis hin zur Republik sollen ausgewählte Dokumente, Symbole, Wappen, Fahnen, Statuen, Fresken und Gemälde aus allen Bundesländern vermitteln.

Religiöse Themen werden in der spätgotischen Pfarrkirche behandelt. Einen Schwerpunkt bilden die Klöster in ihrer Funktion als geistige Zentren. Aber auch die Bedeutung heiliger Orte in Beziehung zur Gemeinde und zur Herrschaft, die der Landesheiligen und Landesfürsten, die zwangsweise Emigration oder Unterdrückung Andersgläubiger im Sinne einer „heilsnotwendigen" Vorstellung sind museal gestaltete Themen.

Die Ausstellungsobjekte stammen vorwiegend aus Kirchen und Klöstern, so entlehnt der Dom von St. Stephan Wasserspeier und eine Statue Kaiser Rudolfs IV. vom Bischofstor, die Wiener Rochuskirche einen Hl. Stephan und eine Prager Kirche einen Hl. Wenzel. Klosterneuburg schickt ein Elfenbeinrelief. Und die Salvatorkirche in Wien-Favoriten verborgt den Seitenflügel eines Marienaltars von Herbert Boeckl.

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