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Gluck ab - gut Land!

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DER SÜDOSTEN WIENS war schon einmal — die älteren Wiener werden sich noch gut daran erinnern — der Schauplatz eines wichtigen Ereignisses der kaum ins Leben getretenen modernen Fliegerei. Es war am 23. Oktober 1909, als Louis Bleriot auf der Simmeringer Heide seine Maschine vorführte. Er hatte bekanntlich im gleichen Jahre als erster den Ärmelkanal mit seinem selbstgebauten Eindecker überflogen. Das war eine fliegerische Großleistung allerersten Ranges, die uns heute, rückschauenden Geistes, wie der Flug eines Kinderdrachens erscheinen mag, wenn man ihm das heutige Flugwesen entgegenstellt. Drei Jahre später wurde der Flughafen Aspern eröffnet, welcher, jenseits der Donau gelegen, bis zum Ende des zweiten Weltkrieges Wiens Verkehrsflughafen war.

Dort, wo heute der imposante Flughafen Wien-Schwechat liegt, der einer der modernsten und schönsten Flugplätze Europas ist, wurde im Jahre 1938 der Bau eines Jagdfliegerhorstes und später eines Flugzeugwerkes der Firma Heinkel begonnen. Diese Anlagen sind während des letzten Krieges durch Luftangriffe zum größten Teil unbrauchbar geworden. Die britische Besatzungsmacht übernahm im Jahre 1945 den in der russischen Zone gelegenen Flughafen. Nach Durchführung der notwendigen Instandsetzungsarbeiten benützte sie ihn als Feldflugplatz.

DIE FLIEGEREI HATTE AUCH durch den zweiten Weltkrieg, wenn auch im zerstörerischen Sinne, einen mächtigen Aufschwung erfahren, und so nahm denn die britische Luftverkehrsgesellschaft BEA (British European Airways) im Jahre 1947 den ersten regelmäßigen Flugdienst nach Schwechat auf. Nun entschlossen sich nach und nach verschiedene internationale Luftverkehrsgesellschaften zum Anfluge Wiens.

Erst sechs Jahre später — am 11. Dezember 1953 — fand die Gründung der „Flughafen-Wien-Betriebsgesellschaft m. b. H.“ statt, die ab 1. Jänner 1954 die Verwaltung des Flughafens übernahm. An dieser Gesellschaft sind die Republik Österreich mit 50 Prozent, die Stadt Wien und das Bundesland Niederösterreich mit je 25 Prozent beteiligt. Nun wurde sogleich mit den vordringlichsten Aufbauarbeiten begonnen, wobei auch die Planung des weiteren Ausbaues der Anlagen vorgenommen wurde. Die bestehende Betonpiste von 1500 Meter Länge und 60 Meter Breite konnte bis zum Jahre 1955 auf 2000 Meter verlängert werden. Ein Jahr darauf wurden die Bauarbeiten an dem neuen Abfertigungsgebäude begonnen. Die ganze Anlage wurde großzügig erweitert, dergestalt, daß heute ein Vorfeld — das sind die Abstelloder Parkflächen — von 135.000 Quadratmeter für den Luftverkehr benutzbar ist. Die Betonstart- und -landebahn ist 3 Kilometer lang und 60 Meter breit, die Rollwege haben eine Breite von 23 Meter.

Am 17. Juni 1960 konnten die neuen Anlagen in einem feierlichen Akte ihrer Bestimmung übergeben werden. Bei der Konstruktion des Flughofes wurde das modernste bautechnische Verfahren zur Anwendung gebracht (Hängedach aus Spannbeton, Verwendung von Sichtbeton und Gußformen sowie neuartige Glaswandkonstruktionen). Das mächtige Gebäude ist in drei Teile gegliedert: Der mittlere Trakt ist für die Abfertigung vorgesehen, die beiden Seitentrakte umschließen das Restaurantgebäude beziehungsweise den Büroflügel, an dessen Ende sich der imposante Kontrollturm anschließt, der 40 Meter hoch ist und acht Stockwerke aufweist. Er beherrscht die ganze Anlage und bildet einen wesentlichen Teil des Flugsicherungsdienstes. An der Vorderfront des Flughofes läuft im ersten Stock ein grandios angelegter, freistehender Besuchersteg, mit Terrassen versehen, der an der Seite des Restauranttraktes zu einem mehrstöckigen Turme führt, von dem man eine großartige Aussicht auf das stets belebte Flugfeld und dessen Umgebung genießt. Auch am Dache des Flughofes ist eine ausgedehnte Terrasse für die Besucher vorgesehen. Es gibt wohl kaum einen anderen Flughafen, der einen derartig weitläufigen Steg, der längs der ganzen Front des Flughofes eingerichtet ist, für die Benützung seitens der Besucher und Fluggastbegleiter zur Verfügung hat.

IM JAHRE 1960 HAT ALSO die erste Ausbaustufe ihren Abschluß gefunden. Der bis zu jener Zeit als Abfertigungsgebäude benützte Hangar wurde geräumt und steht nun nach erfolgter Renovierung den Austrian Airlines als Wartungshangar für Überholungen zur Verfügung. Daran schließen sich die verschiedenen Gebäude, die zum Teil noch am alten Flugplatz standen, wie Verwaltungs- und sonstige Betriebsgebäude und kleinere Hangars, an.

Es gibt für den Besucher des Flughafens Wien-Schwechat derart viel zu sehen, daß man einen ganzen Tag dort verbringen kann, ohne daß einem die Zeit zu lang vorkäme. Immer wieder blickt man gebannt auf die an- und abfliegenden Flugzeuge, verfolgt mit gespanntem Interesse ihre Wartung, das Auftanken, die Kontrollen sowie die Passagier- und Gepäcksbewegung. Es ist eine kleine Stadt für sich — Flughof und Flughafen —, deren Luftstraßen so gut wie zu allen Nationen der Erde führen. Derzeit sind es 20 Luftverkehrsgesellschaften, die im planmäßigen Linienverkehr Wien-Schwechat anfliegen. Zudem gibt es viele Chartergesellschaften, die den Flugplatz benützen.

Waren es im ersten Jahr nach Übernahme des Flughafens durch die österreichische Gesellschaft (1954) insgesamt 3319 Bewegungen mit 64.263 Fluggästen, so zählte man acht Jahre später (1962) in Schwechat im gewerbsmäßigen Luftverkehr 21.051 Bewegungen — davon 450 von Chartergesellschaften — mit insgesamt 520.054 abgefertigten Passagieren. Der Frachtumschlag betrug im gleichen Jahre 6828 Tonnen, der Postverkehr 1772 Tonnen. Am 15. Juni 1963 wurden im Flughafen Wien-Schwechat erstmals an einem Tag mehr als 3000 Fluggäste registriert. Bereits am 20. Juli 1963 wurden diese Zahlen weit überboten: Bei 99 Starts und Landungen — davon 35 im Charterverkehr — konnten 4144 Passagiere verzeichnet werden. Am 3. August desselben Jahres waren es bereits bei 111 Bewegungen — davon 46 im Charterverkehr — 4281 Fluggäste. Und die Zahlen steigen weiterhin an. Dem Generalausbauplan zufolge rechnet man im Jahre 1975 mit einem Jahresaufkommen von 2,000.000 Passagieren und einer stündlichen Frequenz von 30 Bewegungen und 900 Fluggästen.

TATSÄCHLICH HABEN SÄMTLICHE Luftverkehrsgesellschaften des Ostblocks den Flughafen Wien-Schwechat in ihr Streckennetz aufgenommen, und auch die Austrian Airlines haben ihre Verkehrsplanung auf Verbindungen zwischen West- und Osteuropa über Wien ausgerichtet. Zudem strahlen viele Fluglinien von Wien nach den Zentren des Nahen und Mittleren Ostens aus. Auch die Rund-um-die-Welt-Kurse der Pan American Airways gehen über Schwechat.

Der österreichische Fremdenverkehr, so ungemein wichtig für die Wirtschaft unseres Vaterlandes, wäre trotz dem noch immer stärker werdenden Autoverkehr ohne den Lufthafen Wien-Schwechat schlechtweg undenkbar. Seit einiger Zeit ist bekanntlich auch der Binnenflugverkehr in Österreich ausgebaut worden, so daß die internationale Bedeutung des Lufthafens Wien-Schwechat noch durch den nationalen Binnenverkehr der Austrian Airlines verstärkt wurde.

ES IST NATÜRLICH VOR ALLEM der Flugverkehr selbst, der immer wieder das höchste Interesse des Besuchers fesselt. Eigene kleine Flugplatzzüge führen die Besucher am Flugplatz umher und lassen in ihnen wohl den Wunsch rege werden, auch einmal ein modernes Flugzeug zu besteigen, dessen wahrhaft ohrenbetäubender Lärm, seinen Düsentriebwerken entwellend, die Luft erfüllt. Wie mag das erst einmal werden, wenn die Uberschallflugzeuge im Verkehr sein werden, die uns angeblich schon gegen Ende des laufenden Jahrzehntes mit 2000 bis 3000 Stundenkilometern über Meere und Kontinente hinweg tragen werden? Auch Rundflüge können hier absolviert werden, die ihrerseits wieder die noch bei manchen bestehende Angst vor dem Fliegen bannen und zu größeren und weiteren Flügen führen können. In einem eigenen Kinosaal werden dem Besucher Flugfllme vorgeführt und Vorträge über das Flugwesen gehalten, die dem breiten Publikum Geschmack am Fliegen beibringen wollen und ihm den hohen Sicherheitskoeffizienten bei Flugreisen vor Augen halten.

Doch nicht nur der Flugplatz, das Flugfeld allein, hält das Interesse des Publikums wach. Auch der Flughof, die großartigen Gebäudekomplexe, sind an sich schon eine Sehenswürdigkeit. Freilich hat man in die flugtechnischen Abteilungen nicht so leicht Zutritt, dort wo der Wetter- und Flugsicherungsdienst beheimatet ist. Man verstünde ja auch nicht viel von dem komplizierten Apparat dieser Dienstzweige. Man hört jedoch, daß der Flugsicherungsdienst, so eminent wichtig für die Fliegerei, in Schwechat auf hoher Stufe steht, so daß das „Blindfliegen“ bei schlechter Sicht zufolge des ILS (Instrument Landing System) eine nahezu vollautomatische Landung gewährleistet.

SO GIBT ES GENUG AUCH im Fluggebäude selbst zu sehen. Schon beim Eintritt, beim Betreten des Bodens, öffnen sich durch Kontaktauslösung die beiden Flügeltüren wie von Geisterhand, als ob einem ein unausgesprochener, herzlich zuvorkommender Willkommgruß der Flughafenverwaltung geboten würde. Welch lebhaftes Treiben herrscht in der großen Halle des Abfertigungsgebäudes! Jede Fluggesellschaft hat ihre Vertretung dort, und die Stewardessen sind bemüht, alle Wünsche der Fluggäste zu erfüllen. Überall sind Kaufläden und alle sonstigen Einrichtungen vorhanden, wiederum eine kleine Stadt in der Großstadt des Gesamtflughafens. Dann die Gepäcksabfertigung! Alles geht wie am Schnürchen, und der Passagier wird von den Hostessen, die immer schmuck und lächelnd ihren Dienst versehen, entweder zu Fuß oder mit Autobussen zum Flugzeug geleitet, während auch dem zusehenden Besucher dabei die Zeit wie im „Fluge“ vergeht. Groß angelegte Restaurationsräume sind im Westteil des Flughofes im ersten Stock für die Transitpasaagiere, im zweiten Stock für die Besucher. Auch für die Bordverpflegung wird im Restaurant gesorgt.

Die „Flughafen-Wien-Betriebsgesellschaft m. b. H.“, die zur Zeit etwa 550 Mitarbeiter zählt, ist keine reine Verwaltungsgesellschaft. Sie unterhält auch einen Werftbetrieb für Sportflugzeuge und nimmt aktiv am Luftverkehr teil, indem sie den sogenannten Ramp-Service (technische Bodenabfertigung) für sämtliche Wien anfliegende Luftverkehrsgesellschaften und die kommerzielle Abfertigung (Passagier-, Fracht-und Luftpost) für 13 Luftverkehrsgesellschaften sowie für sämtliche Chartergesellschaften durchführt.

Durch die verkehrstechnisch günstige Lage des Lufthafens ist die Bedeutung Wiens im internationalen Luftverkehr bestimmt. Bekanntlich wird Wien gerne als „Luftkreuz Südost“ bezeichnet, welches die Stadt zum Mittler zwischen Ost und West macht.

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