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Idealstadt der Renaissance

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Die Leonardo da Vinci gewidmete Wanderausstellung erweckt neuerlich das Interesse für den großen Erfindergeist der Renaissance. Er machte sich nicht nur als Maler und Bildhauer, sondern auch als Architekt und Stadtplaner einen Namen. Im Jahre 1517 plante Leonardo für den französischen König Franz I. eine neue Hauptstadt namens Ramorantin, die nie realisiert wurde. Fast 80 Jahre später hat dagegen die Venezianische Republik ein kühnes Projekt gewagt - eine neue Stadtfestung wurde in der friaulischen Ebene gebaut, um die östliche Grenze der Serenissima gegen die osmanische Bedrohung zu verteidigen. So entstand im Jahre. 1595 in der Ebene zwischen Udine und Monfalcone Palmanova, das in fast unveränderter Form bis heute erhalten geblieben ist.

Dank der günstigen Naturlage konnte hier die ideale Festungsstadt in Form eines neunspitzigen Sternes (mit neun Bastionen in Dreieckform) verwirklicht werden. Palma - Palmanova heißt die Stadt erst seit der Zeit Napoleons - war im Europa des 17. Jahrhunderts die berühmteste und gefürchtetste Festung. Die Türken wagten sich nie an ihre Tore. Als die Serenissima fiel, ging die Stadt an Napoleon. Während der französischen Okkupation (1805-1814) wurde sie durch einen neuen Befestigungsring erweitert. Nach dem Sturz Napoleons blieb die Stadt bei den Habsburgern, bis sie 1866 Italien zurückgegeben wurde.

Der Gedanke planmäßiger Aufteilung der Stadt durch ein Radiennetz tauchte zuerst in der italienischen Renaissance auf. Sie drückte die Sehnsucht nach den harmonisch ausgewogenen Maßen des Zentralbaus aus. Die starre Rechtwinkeligkeit und Quadratur der römischen Castra wurde von der Renaissance in anderer Form wieder belebt: der Stadtplan als Kreis oder Polygon. Dieser Stadttypus war vor allem in der vorderasiatischen Antike bekannt; die Hethiter zum Beispiel bauten kreisrunde Mauern um ihre Städte.

Der Florentiner Architekt Antonio Averulino, genannt Filrate, zeichnete in seinem Werk über die Baukunst-(1464) eine Idealstadt - Sforzinda (zu Ehre der Sforza), in Form eines achteckigen Sternes mit einem rechteckigen Markplatz in der Mitte und acht Radialstraßen, die mit Verteidigungstürmen auf den Wällen enden. Diese festungsartige Rundstadt blieb zunächst reine Theorie. Ein erster Versuch, einen Radialgrundriß in die Praxis umzusetzen, wurde knapp hundert Jahre später, 1545, bei der Anlage des neuen botanischen Gartens in Padua gemacht. Ende des 15. Jahrhunderts kam ein neuer Anstoß von der Festungsarchitektur her. Der Senat von Venedig beschloß, an der gefährdeten Grenze zu Friaul das theoretisch ausgearbeitete System der Radialanlage als Festung zu verwirklichen.

Im Oktober 1593 wurde der Grundstein zu der Stadt Palmanova gelegt. Die Stadt ist ein Meisterwerk der Militärarchitektur der Renaissance geworden. Sie bildet eine absolute Einheit von Zweckmäßigkeit und Ästhetik. Die innere Einteilung ist noch heute in ihrer reinen Form vorhanden - ein architekturhistorisches Denkmal.

Das Zentrum der Stadt bildet ein hektagonaler Platz - die Piazza Grande mit einem Säulenfuß und drei Brunnenbrüstungen. Vom Platz her kann man das Straßennetz beobachten: von der Mitte der sechs Platzseiten geht je eine radiale Straße aus. Drei von ihnen münden in die großen Eingangstore der Stadt: Porta Aqui-leia (Marittima); Porta Cividale und Porta Udine, die übrigen drei Straßen enden auf Bastionen. Weitere kleinere Radialstraßen nehmen ihren Anfang an den Hinterfronten der sechs Häuserblöcke, die den großen Platz begrenzen. Die konzentrische Unterteilung erfolgt durch drei Ringstraßen, die parallel zu den Seiten des Platzes laufen.

Palmanova ähnelt einem Militärlager. Durch die geometrische Anlage eröffnen sich die Möglichkeiten einer raschen Übersicht des Geländes vom Zentrum aus und einer Durchsicht vom Mittelplatz zu den Toren und auf die Hauptbastionen. Der regelmäßige, harmonische Aufbau basiert auf den Zahlen sechs und neun, nach denen sich die mathematisch ausgefeilte geometrische Struktur richtet.

Der tatsächliche Schöpfer des genialen Stadtplanes für Palmanova blieb praktisch bis heute unbekannt. Die ursprüngliche Idee einer Radialanlage soll vom berühmten Architekten und General Giulio Savorgnan stammen, der im Dienste der Venezianischen Republik stand und als Intendant für die Festungen verantwortlich war. Forscher der Militärarchitektur glauben, daß Palmanova nach seinen Plänen gebaut wurde. Gegen diese These spricht aber sein damaliges Alter von 78 Jahren.

Dagegen zeichnete Vincenzo Sca-mozzi, damals meistgeschätzter Zivilarchitekt von Venedig, in seinem Werk „Dell' idea deH'architettura universale" von 1615, das Zentrum von Palmanova und wurde somit als Entwerfer des Planes interpretiert. Ihm werden auch mit großer Wahrscheinlichkeit drei Tore der Stadt und die Kathedrale zugeschrieben.

Allerdings gibt es dafür keine Beweise, da alle dem Senat von Venedig vorgelegten Pläne anonym blieben. Wir wissen nur, daß die Fünf-Personen-Kommission an Ort und Stelle über die Lage der zukünftigen Stadt entschied. Eines der Kommissions-mitglieder, Marc Antonio Barbara, fand für die Stadt - anknüpfend an die in der Nähe liegende „Villa di Palmada" - den Namen Palma.

Nach allen zugänglichen Dokumenten ist die Stadt das Ergebnis einer Gruppenarbeit von Architekten und Militärexperten. Der zuletzt akzeptierte Plan war ein Kompromiß zweier Optionen - einer zivilen und einer militärischen.

Palmanova ist bis heute eines der interessantesten Beispiele urbaner Planung der Benaissance.

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