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Im Geist der alten „Bauhütten“

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An die Seelsorgeanlage Haid (Oberösterreich), die in diesem Jahr erstehen soll, werden zwei Hauptforderungen gestellt: Sie soll die Aufgaben einer Pfarre für eine in Gründung begriffene Trabantenstadt von Linz erfüllen und zweitens soll sie — da nur wenige hundert Meter von der Autobahn entfernt — ein Zeichen von Gottes Nähe auch in der Betriebsamkeit der Autobahn darstellen und den Autofahrern die Möglichkeit bieten, ohne großen Wegverlust die Kirche besuchen und auch die Sonntagsmesse an der Straße zwischen Salzburg und Wien mitfeiern zu können.

Die städtebauliche Lösung schien durch die Zufahrt von der Autobahnabzweigung sich ergebende Achse und die wünschenswerte Ost-West-Orientierung der Kirche selbst als vorgegeben. Dadurch war auch wiederum eine organische, funktionell richtige Gliederung des Baugrundes ermöglicht. Diese bedingt gleichzeitig eine rhythmische, reizvolle Anordnung von Höfen, die einerseits die Kirche unmittelbar aus dem alltäglichen Leben gewidmeten Bereichen heraus und über sie wachsen lassen, anderseits aber doch wiederum bewußt durch die Grünzonen vom Straßengetriebe und Lärm distanzieren. Nur der Turm reckt sich, den durch Pfarrheim und ihn gebildeten Kirchenvorplatz abgrenzend, knapp an der Straße stehend, in einer grazilen Konstruktion in die Höhe.

Die in sich geschlossene Anlage bietet durch die parallel gestellten, nord-südlich sich öffnenden Baukörper Möglichkeiten, nach Norden zu, abseits von der Straße, einen großen Spielplatz, zwischen Pfarrheim und Pfarrhaus einen internen, kleineren Hof für Sing- und Tanzspiele oder kleine Freilichtaufführungen zu errichten. Ganz abgeschlossen, als eigener ruhiger Bezirk ist der Pfarrgarten gedacht. Dem Schwerpunkt des Wohngebietes am nächsten gelegefi !wirtf der Kindergarten geplant; vpri. 1?jneip.,..kisin|nf Stichweg aus zugänglich, schmiegen sich die offenen und geschlossenen Räumlichkeiten mit einem schönen S p i e 1 h o f an die Kirche an, so daß die Kleinen Gott am nächsten sind Eine Lärmbelästigung scheint ausgeschlossen, da der Kindergarten zu anderen Zeiten in Verwendung steht, als heilige Messen zelebriert werden. Außerdem ist das Kinderlachen und

-weinen durch die dicke Verglasung in der Regel ohnehin weniger zu vernehmen als etwa der Straßenlärm.

Auf einem 4,5 Meter hohen, quadratischen Quader mit 36 Meter Seitenlänge ist eine 20 Meter hohe, tetraederähnliche, als Faltwerk aus- gebildete Pyramide mit einer abgesenkten Dreiecksfläche aufgebaut. Damit ist es gelungen, neben einer sehr guten Raumbewältigung im Kircheninneren, die durch eine vorzügliche Lichtführung noch unterstrichen wird, in einer einfachen, aber bisher noch nicht verwendeten Form den Sakralbau (für 1600 Gläubige) zu betonen und aus allen Bauten der Umgebung trotz der neuen Formensprache klar und allgemein verständlich zu betonen.

An der Südwestecke des großen Grundstückes ersteht, in Verbindung mit Kirche und Pfarrhaus durch einen überdachten Gang, ein mehr als 40 Meter hoher Turm, der im Hinblick auf die ganz nahe vorbei führende

Als Im Frühjahr 1959 die Diözese Linz einen öffentlichen Architektenwettbewerb für eine Kirche mit mehreren Nebengebäuden, also eine gesamte sogenannte „Seelsorgeanlage", ausschrieb, stellte dies ein in seiner Art erfreuliches, gelungenes und nachahmenswertes Novum dar. Konnten doch zum erstenmal seit vielen Jahrzehnten alle Architekten Österreichs an einem besonders exponierten, großzügig und modern gewünschten Sakralbauvorhaben ihr Interesse beweisen. — In dankenswerter Weise wurden von einer namhaften Jury einige ausgesprochen ernsthafte Lösungsversuche herausgegriffen, worunter das mit dem ersten Preis ausgezeichnete Projekt der Architekten Dipl.-Ing. Josef Krawina und Walter Schmutzer zur Ausführung empfohlen wurde. Dieses wird nunmehr im wesentlichen verwirklicht.

Autobahn als deutliches Rufzeichen ausgebildet ist. Zwischen drei hellen Betonscheiben werden nach ¿"fei Seiten (ljn,|rj..iiach,ts, hgll. ‘erleuchtet, — weithin sichtbare Kreuze dargestellt sein.

Das Gotteshaus empfängt den über den Vorplatz Herankommenden gleichsam mit offenen Armen durch seine architektonische Gestaltung. Unter dem überdachten, langen Verbindungsgang gelangt man, vorbei an der Taufkapelle, die symbolisch nahe dem Eingang liegt, in den Hauptkirchenraum. Eine Fülle von Licht ergießt

sich dort von oben (blendungsfrei) über das Opfergeschehen. Alles ist durch die Dreiecksanordnung auf den einen wichtigen Punkt — den Altar - hingerichtet, und das gesprochene oder gesungene Wort schallt von dort wie aus einem Sprachrohr in die Gemeinde. An Stelle des Mittelganges wurden deren zwei gewählt, um mögliche Stauungen an den Ein- bzw. Ausgängen der Kirche zu vermeiden. Außerdem scheint sich die Aufgliederung in drei Sitzblöcke besser in die Dreiecksform des „Hauptkirchenschiffes" einzufügen. Links und rechts, vom Hauptkirchenraum deutlich abgesetzt, befinden sich in den,niedrigen Quader- teilen die Nebenaltäre und diesen genau gegenüber links wie rechts neben den Eingängen die Beichtnischen, die durch die abgerückte Lage die Konzentration auf das Bußsakrament begünstigen.

Links vom Hauptaltarraum ist der Sängerchor so geplant, daß die heilige Messe von dort aus mitgefeiert werden kann, ohne daß jedoch der Chor (Dirigent) die Gläubigen in der Andacht stört.

Da die Kirche ihrer Widmung nach eine Marienkirche (Maria Himmelfahrt) ist, wurde ein theologisches Konzept erarbeitet, das unter dem Motto: „Eins mit Christus durch

Maria“ steht. Dieser Hauptgedanke wurde folgendermaßen aufgegliedert:

• Maria ist der Prototyp dafür, in welchem Ausmaß diese Einigung existentiell möglich ist.

• Die Sichtbarmachung der Miterlösertätigkeit Mariens.

• Der Mensch gelangt durch diese in die Gemeinschaft mit Gott: die menschliche Familie wird der Heiligen Familie (Altäre) zugeordnet.

Um eine erklärende Darstellung dieser äußerst wichtigen Folgerungen zu erreichen, fixierten wir für alle am Bau Beteiligten — also Architekten und Künstler — im vorhinein diese künstle-

a p e 11 e : Die Taute, erster „rapp Hys,H«i4e% W, die Qemeijischaft Gottes, geschieht im äußersten Bereich des Gotteshauses zwischen den beiden Toren. — Die Taufkapelle soll künstlerisch so gestaltet werden, daß sie als Gegenpol zum Hochaltar im Augenblick der Sakramentenspendung ein festlicher Ort ist; daher das dazugehörige Glasfenster: Wie Maria Jesus durch den Heiligen Geist empfängt, so empfängt der Christ sein „Leben in

Jesus“ durch den Heiligen Geist im Sakrament der Taufe.

Hochaltar: Durch die Raum- gestaltung tritt der Hochaltar als das Zentrum hervor (Führung des Lichtes und Höhenlage des Hochaltares). Die Schlichtheit des Hochaltarraumes läßt das darüber hängende feStiz’Th ielhir Sfferigl inet großen Bedeutungt um so mehrh öijbefp11-

— Die Größe der öegenwärtigsetzung des Kreuzopfers soll durch das Weglassen von allen Nebensächlichkeiten nur durch ein monumentales Kreuz ausgedrückt werden. Da alle Blicke zentral zum Altar gehen, muß der Altar so kraftvoll sein, daß er als wahrer Sammelpunkt der Gemeinde gilt.

— Die Zeltwände des Daches, die umschließenden Glaswände, die das

Leben Mariens interpretieren, werden durch den Altarraum gebunden, so daß die Gemeinde, nur von Maria behütet, durch sie zu Christus geführt wird.

Die beiden großen (fl o r d- und s ü d s e i t i g e n) Glaswände: Die Glasfenster müssen so gestaltet werden, daß in ihnen das l ept-Mwens in seinepp gnaden- und naturiafteji und in seinem frewl- wM ieidvoliett Sein ausgedrückt wird. So soll sich die Gemeinde im Leben Mariens geborgen wissen und zugleich auch weitergeführt werden zum eigentlichen Sinn des Marienlebens, zu Christus,

Um den Höhepunkt der mariani- schen Kirche hervorzuheben, ist nochmals der Hinweis notwendig, daß das über dem Hochaltar so überragend zu gestaltende Kreuz ihn allein ausdrückt.

Die beiden S e i t e n a 11 ä r e: Links der Marienaltar: Dieser soll in seiner künstlerischen Gestaltung alles menschliche Tun des nach innen gerichteten Menschen (Frau) darstellen. — Rechts der Josefsaltar: Dieser soll alles Tun des nach außen gerichteten, tätigen Menschen (Mann) darstellen.

Die wohlüberlegten Holzwände hinter denselben rückten die beiden Seitenaltäre in eine intime Sphäre.

Apostelkreuze: Sie sollen

die vier Säulen beherrschen und aus- drücken, daß die Apostel die Kirche tragen.

Kreuzweg: Die Stationskreuze sollen am rauminneren Sims sein. Die gute Sichtbarkeit gewährleistet das Abschreiten der Stationen. — Das große Fastentuch mit der bildhaften Darstellung der 14 Kreuzwegstationen, welches das große Altarkreuz verhüllt, macht den tieferen Sinn der Fastenzeit für die Gemeinde einprägend. So steht für die Dauer der Fastenzeit der Kreuzweg für alle im Zentrum. Die Enthüllung des großen Altarkreuzes am Karfreitag wird dadurch zu einem lebendigen Geschehen vor den Augen der ganzen Gemeinde.

Engelskapelle: Sie dient für den Gottesdienst an Wochentagen und muß aus diesem Grund das Tabernakel aufnehmen. — Die Ausgestaltung hängt von dem in sie hineinreichenden Glasfenster der Seitenwand wesentlich ab.

Die Durchführung dieses theologisch-künstlerischen Konzepts verlangt eine enge Zusammenarbeit zwischen Architekten und Künstlern und die Unterordnung des einzelnen unter eine Idee, der er Diener und Erklärer sein darf, sie verlangt aber auch Disziplin gegenüber den anderen Mitschäf- fenden, so daß eine künstlerisch-architektonische Einheit entsteht.

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