6649904-1958_47_10.jpg
Digital In Arbeit

Kernstadt oder Ballung Wien?

Werbung
Werbung
Werbung

Es gibt viele, die unserer Straßenbahn die Schuld an der mißlichen Lage des Wiener itraßenverkehrs geben. Zweifellos ist sie ein licht mehr recht zeitgemäßes Volksverkehrsnittel. Sie ist aber, trotz ihrer Starrheit, am we-ligsten schuld an der Verstopfung unserer Straßen. Und unsere Verkehrsnot hat noch andere Ursachen, die sich leichter beheben ließen. Wir meinen drei Wege:

• Die endliche Schaffung der Tarifhoheit.

• Den Ausbau des Verkehrsnetzes durch Erbauung der Schnellbahn und bessere Ausnützung ier Stadtbahn.

• Schrittweise Ersetzung der Straßenbahn durch den Autobus.

Solange die Stadt- und Straßenbahn nicht in einer Hand vereinigt waren, konnte jene nicht gehörig genützt werden, auch als sie ins Eigentum der Stadt übergegangen war. Erst die Möglichkeit, mit einem Fahrschein Straßen- und Stadtbahn zu benutzen, hat die Stadtbahn zu einem geeigneten innerstädtischen Verkehrsmittel gemacht. Nun sind Autobus und Straßen-(und Stadt-)bahn heute in einer Harrd, haben aber ihre eigenen Fahrpreise. Was ist die Folge? Daß die Linien des einen, des heute leistungsfähigeren Verkehrsmittels, der Straßenbahn, so geführt werden, daß das Umsteigen möglich ist; sie müssen dorthin geführt werden, wo die meisten Linien aneinander Anschluß finden, also bis zur Ringstraße, unweit der Stadtmitte. Daher wird die Ringstraße, eine verhältnismäßig schmale Straße — der Fahrraum ist einschließlich der Fahrspuren der Straßenbahn nur 14 Meter breit —, über Gebühr beansprucht. Das Wiener Verkehrsnetz ist sozusagen nahe seiner Mitte verknotet.

Also muß es aufgelockert werden. Es ist unzweckmäßig, Fahrgäste, die die Innenstadt gar nicht aufsuchen wollen, an ihren Rand zu bringen. Die Schnellbahn, die jetzt zwischen Nordbahn- und Südostbahnhof gebaut wird, vereidet diesu sie,.wird den innerstädtiscfeen-Verkehr fühlbar entlasten, besonders auch auf der Ringstraße. Eine entsprechende Nord-Süd-Verbindung wird im Westen geschaffen werden müssen — hier wäre an die endliche Wiederbelebung der Vorortelinie der Stadtbahn zu denken — und selbstverständlich eine oder zwei leistungsfähige West-Ost-Verbindungen. Diese können natürlich nur unterirdisch sein.

Jede Stadtplanung, also auch die Verkehrsplanung, darf nicht nur an die Gegenwart, sie muß vor allem auch an die Zukunft denken; sie darf nicht planen, was heute vielleicht zweckmäßig sein mag, aber nicht nur sehr, sehr viel Geld kostet, sondern auch in wenigen Jahren überholt sein müßte.

Die so viel geschmähte Votivkirche steht gewiß nicht glücklich. Man weiß, warum. Sie ist aber aus dem Stadtbild des Wiens Kaiser Franz Josephs nicht wegzudenken, sie ist, was ja freilich ihrem Baustil nicht gemäß ist, eine Stadtlandschaftskirche. Der Garten, der sich von der Ringstraße bis zu ihr hinbreitet, gehört wesentlich zu ihr und mildert die peinliche Härte des Knicks der Ringstraße vor der Universität. Vor kurzer Zeit hat man den Votivpark vergrößert, indem man seitlich der beiden Türme zwei Rasenflächen anlegte. Mag dies auch angesichts der Tatsache, daß weit größere Flächen links und rechts der etwas dürftigen Rasenbänder nicht mit Grün bedeckt wurden, weil man mangelhaft genützte Autoparkplätze schaffen zu müssen glaubte, nur eine Notlösung gewesen sein, so war der Gedanke doch ohne Zweifel lobenswert. Nun soll dieser Regelung durch die Verkehrplanung vor dem Schottentor durchaus zuwider gehandelt werden — im Kern des Parks.

In der Zeitschrift AT des OeAMTC, Folge vom 1. Oktober dieses Jahres, ist ein Luftbild des Votivplatzes aus schrägem Blickwinkel, daher in Verkürzung, veröffentlicht worden. Dei Begleittext sagt unter anderem folgendes: „Di Straßen sollen, wie anderwärts, aus dem allgemeinen Verkehr herausgelöst werden, was vor manchen Seiten als störend bemängelt wird.“

Hinter diesen schlichten Worten verbirgt siel ein städtebaulich und denkmalpflegerisch tragi scher Tatbestand: die Zerstörung des Votiv parks und damit C.er Verlust eines Erholungs gebietes im Stadtinneren und eines ohne Zweife

Universitätsstraße und Währinger Straße zwischen Ring und Reichsratsstraße und Hörigasse werden Einbahnen. Der gesamte, stadteinwärts fließende Verkehr aus der Währinger Straße wird in Trapezform vor der Kirche und durch die Universitätsstraße geleitet. Die sogenannte verlängerte Maria-Theresien-Straße (zwischen Votivpark und „Spitzpark“ = Kaffeehausgarten) wird Einbahn in der Richtung zur Maria-Theresien-Straße, die-Straße vor der Kirche im Gegensinne. Die Straßenbahnlinien 38, 39, 41 und 42 (F) werden stadteinwärts an der Kirche vorbei, durch die Universitätsstraße und vor dem Park zurück zur Währinger Straße geleitet; die Linien 43 und 44 (C) durch die Universitätsstraße um den Park herum, an der Kirche vorbei, iTO.Kdäei-.Universitätsstrafie 1 zurückgefahren? elie Linien 42 (F), 44 (C) und 43 werden den Ring nicht mehr berühren, dieser wird hier also nicht mehr gekreuzt werden. Die Endstellen aller Straßenbahnlinien aus Währing und Aiser Straße werden vor dem Park liegen; sie sind vom Ring aus durch einen hundert Meter langen Tunnel erreichbar. Der Kaffeegarten im „Spitzpark“ verschwindet mit diesem und weicht einer neuen Verbindung Universitätsstraße-Schottengasse. Ring, Währinger Straße und Schottengasse erhalten am Ring Fußgängerunterführungen.

Wir sagten: „An der Votivkirche vorbei, durch die Universitätsstraße vor dem Park zurück, in die Währinger Straße.“ Das ist freilich sehr ungenau, aber es folgt der Darstellung in AT. In Wahrheit wird es so sein: Die Geleise an der Universitätsstraße werden auf Kosten der dreifachen Baumreihe an der Flanke des Parks gehen; der „Bahnhof“ liegt nicht, wie AT behauptet, vor dem Park, sondern zur Gänze i n ihm, auch die Einstiegstelle dortselbst zur Unterführung bis zum Ring. Auch die Geleise an der Währinger Straße werden den Park verkleinern. Vor der Kirche endlich, offensichtlich ebenfalls

Mit der Bestellung eines Generalplaners für die Stadt Wien drängt sich die Frage auf, die ifflMfflßfc ?inr, i baldigen .Lösung zugeführt werden muß,: SoHie Tätigkeit dieser Persönlichkeit auf. das administrative Gebiet der Gemeinde Wien beschränkt bleiben oder denkt man auch daran, Richtlinien für die Entwicklung des gesamten Ballungsraumes Wien ausarbeiten zu lassen?

Das Verwaltungsgebiet der Bundeshauptstadt umfaßt hauptsächlich nur den Kern einer Urbanen Ballung, der rund 2,2 Millionen Menschen angehören und deren räumliche Spitzen bis nach Gänserndorf, Korneuburg, Kritzendorf, Purkersdorf, Mödling und Baden sowie Schwe-chat reichen. Die Stadt im geographischen Sinne beschränkt sich nicht auf die künstlich gezogenen politischen Grenzen, sondern gliedert sich in mehrere Zonen verschiedener Bebauungsintensität und unterschiedlicher Berufszugehörigkeit der Bewohner: in Kernstadt, verstädterte Zone sowie in das engere und weitere Ergänzungsgebiet. Wirtschaftlich mehr oder minder eng verflochten, stellt das Ballungsgebiet Wien eine soziale und wirtschaftliche Raumeinheit dar. Die aus politischen Erwägungen hervorgegangene Scheidelinie zwischen Wien und Niederösterreich stimmt keineswegs mit der Grenze einer der genannten Zonen überein. Unbelastet von jeder wissenschaftlichen Fundierung durchschneidet sie derzeit willkürlich die einzelnen städtischen Zonen verschiedener Stufung. So schließt zum Beispiel die Wiener kommunale. Grenze den verstädterten Ort Süßenbrunn ein. während die zum geschlossenen Stadtgebiet gehörenden Siedlungen von Gerasdorf und Langenzersdorf außerhalb Wiens bleiben müssen.

Der Mangel an Gliederung und Ueberschau-barkeit veranlaßt die moderne Stadtplanung, klar gegliederte Raumeinheiten und eine aufgelockerte Stadtlandschaft anzustreben. Der Planer macht Vorschläge, die technische Durchführung wird indessen dem Städteplaner überlassen. Die zentralen Punkte und das lineare Netz der gewünschten Stadtentwicklung müssen von der kommunalen Verwaltung vorbereitet werden, um Fehldispositionen im Bauwesen und eine falsche Standortwahl der geplanten Unternehmen zu verhindern. Die Zuweisung der differenzierten Funktionen an die einzelnen Stadtteile erfolgt über den Flächenwidmungsplan. Für die Probleme der Raumordnung genügt jedenfalls nicht bloß eine Koordination der Bodennutzung auf dem Gebiet der Stadt Wien. Wenn auch die Fläche der Wiener Ballung zu zwei Bundesländern — acht niederösterreichischen und dreiundzwanzig Wiener Bezirken — gehört, wobei die in jeder Verwaltungseinheit befindlichen Teile der Agglomeration verschiedene Größen und Strukturen aufweisen, so entspricht der Ballung dennoch eine feingegliederte sozialökonomische Lebenseinheit. Eine Gesamtkonzeption der Flächennutzung für die ganze Stadtregion wäre deshalb von entscheidender Wichtigkeit. Eine räumliche Ordnung der einzelnen Funktionsabschnitte im Wiener Verwaltungsgebiet ohne eine gleichzeitige Regelung im vorgelagerten städtischen Einflußbereich kann keineswegs die gewünschte Wirkung erzielen. Der g e-samte Stadtkörper, unbeschadet der politischen Grenzziehung, muß einer strukturellen und funktionellen Gesundung zugeführt werden.

Unser Vorschlag geht dahin, durch Zusammenarbeit der Bundesländer Wien und Nieder Österreich den Generalplaner von Wien die Richtlinien der Raumordnung für das gesamte Wiener Ballungsgebiet, also auch für die in Niederösterreich befindlichen Teile der wirtschaftsräumlichen Einheit Wien, ausarbeiten zu lassen. Die Empfehlungen werden natürlich für die Landtage nicht verpflichtend sein, aber eine einheitliche Planung garantiert wenigstens eine rationelle Entwicklung des Siedlungs- und Verkehrswesens sowie eine richtige Standortbildung der Wirtschaftsbetriebe.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung